Zum Inhalt springen

Innovation: Die Klassenbesten

Innovation: Die Klassenbesten Was muss die IT meines Unternehmens leisten können, um mir einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen? Wo besteht Nachholbedarf?

Autor:Markus Bereszewski • 23.11.2006 • ca. 9:20 Min

Die Erfolgsfaktoren zukunftsgewandter Unternehmen sind beispielhaft für alle, die im globalen Wettbewerb bestehen wollen. InformationWeek suchte nach den Vorreitern der Innovation. Nur allzu häufig fühlt man sich im momentanen Web 2.0-Hype an die Zustände der New Economy kurz vor der Jahrtausendwende erinnert. Einigen leuchtenden Erfolgsgeschichten hecheln Heerscharen ideenloser Plagiatoren hinterher, immer auf der Suche nach dem weißen Ritter, der ihr gnadenlos zusammenkopiertes Me-too-Produkt doch bitte mit Dollarmilliarden zuschütten möge. Mit Innovation hat das natürlich ebenso wenig zu tun, wie das Geschäftsgebaren der zengleich in sich verharrenden Vertreter der wieso-kundenfreundlich?-Philosophie, die man in Deutschland zum Beispiel sehr gut im Hotelwesen beobachten kann. Denn wo nicht nur in den USA kostenloser Internetzugang bzw. WLAN selbst in einfachen Touristenmotels längst zum Standard gehört, findet hierzulande das Hotel Gates in Berlin – lange Jahre einsamer Vorreiter in Sachen Dienst am Kunden – nur sehr zögerlich Nachahmer. Zugegeben, diese beiden Enden der Fahnenstange »Innovation« sind Extrembeispiele und zwischen blindem Aktionismus und totaler Verweigerung ist sehr viel Platz für bahnbrechende und auf Nachhaltigkeit angelegte Unternehmensstrategien. Wie aber können diese Strategien aussehen? Was zeichnet die Vorgehensweise erfolgreicher Unternehmen aus? Seit Jahren verfolgt InformationWeek, wie innovative Unter­nehmen ihre Technologie gewinnbringend und zukunftsweisend einsetzen. Die Studie InformationWeek 500 dokumentiert die IT-Strategien und Investitionen führender Firmen und bietet Ihnen damit die Möglichkeit, zu beurteilen, wo Ihr Unternehmen im Vergleich mit den führenden Innovatoren steht. Zur besseren Übersichtlichkeit wurden die Innovationsgebiete dabei in folgende fünf Kategorien unterteilt: Mobile Anwendungen, Sicherheit, Produktivität, Kundennähe und unternehmensweite Innovation.

Mobile Anwendungen
Mobile CRM, Mobile Service, Mobile Office, Mobile Health oder Allways-On-Dienste sind Schlagworte, die in letzter Zeit mit Leben gefüllt wurden. Es entstehen Logistik-Applikationen in Verbindung mit mobilen Navigationstechnologien und geografischen Informationssystemen. Neue Absatzkanäle werden durch mobiles Internet möglich, indem man z.B. Handys als POS-Plattform einsetzt. Auch Cross-Media Marketing, als integrierte Entwicklung aller Marketingmaßnahmen, greift auf mobile Kanäle zu. Leider wird dabei oft ein wichtiger Punkt übersehen: Als Insellösungen machen mobile Anwendungen wenig Sinn. Erst die Einbindung in die vorhandenen Geschäftsprozesse und die automatisierte Weiterverarbeitung von Daten ohne Medienbrüche generiert Wettbewerbsvorteile. Das Bauunternehmen Emcor Group vereint die Anwendungen für seine mobilen Mitarbeiter in einem einzigen Handheld-Gerät, das so klein ist, dass es bequem in die Hemdtasche passt. Dadurch wurde die Produktivität der Außendienstler deutlich gesteigert, denn das mobile Versandsystem ist direkt an Emcors Support-Center angebunden und die Kunden können somit schneller, effektiver und mit durchgängig hoher Qualität bedient werden. Techniker sind umgehend dort, wo sie gebraucht werden und können, während sie unterwegs sind, wesentlich besser auf die Kundenanforderungen vorbereitet werden. Das Gerät, auf dem diese Service-Anwendungen laufen, dient den mobilen Mitarbeitern gleichzeitig als Handy. Vor kurzem stattete Emcor die Handhelds auch noch mit E-Mail-Funktionalität aus – ein weiterer Schritt dahin, sämtliche von den Außendienstlern ständig benötigten Anwendungen in einem Gerät zur Verfügung zu haben. Durch den Einsatz dieser Lösung wurde die Zeit bis zur Rechnungsstellung deutlich gesenkt, die Fehlerfreiheit der Rechnungen erhöht und durch die enge Anbindung der »Mobilen« ans Büro die Kundenzufriedenheit deutlich gesteigert. Im vergangenen Jahr hat die Ohio Casualty Group ein 3G-Netzwerk ein­gerichtet und damit den Prozess der Schadensregulierung rationalisiert und deutlich beschleunigt. Vor der Umstellung auf mobile Anbindung wurden die Schadensregulierer über die zu bearbeitenden Fälle entweder durch einen Anruf oder ein Fax informiert. Jetzt, mit 3G, schickt das Call Center eingehende Schadensmeldungen über eine Web-Anwendung direkt auf das Laptop des Schadensregulierers, gleichzeitig wird eine SMS an sein Handy gesendet, die ihn über den Eingang der Meldung informiert. Der Schadensregulierer hat so die Möglichkeit, auf dem Weg zur Werkstatt oder zum Geschädigten den Schadensfall zu begutachten, vor Ort ein Foto des Schadens zu machen und an einen virtuellen Schadensordner zu senden, ohne dabei jemals sein Gerät irgendwo »anschließen« zu müssen. Im letzten Jahr versuchte Staples in Chicago Fuß zu fassen, einer Hochburg des größten Konkurrenten der Bürobedarfs-Handelskette. Deshalb legte man großes Augenmerk darauf, sich vom Mitbewerber abzuheben. Staples entschloss sich dazu, kostenloses WLAN in all seinen Niederlassungen in Chicago anzubieten. Für Staples entstehen dadurch gleich mehrere Vorteile: Der kostenlose Netzzugang führt dazu, dass Kunden Druck- oder Kopieraufträge auf ihrem eigenen mobilen Endgerät in den Laden bringen. Gleichzeitig ist es für das Verkaufspersonal wesentlich einfacher geworden, mobile Geräte zu verkaufen, weil sie die Geräte in einem funktionierenden Umfeld demonstrieren können.

Sicherheit
Nichts ist zu 100 Prozent sicher. Das gilt in der digitalen Welt genauso wie in der analogen. Doch hier wie dort kann man Maßnahmen ergreifen, um die Risiken stark zu minimieren. Dass man dabei manchmal neue Wege erschließen muss, ist für echte Innovatoren kein Problem, sondern eine Chance. Marriott International suchte nach einer Möglichkeit, festzustellen, welche Endgeräte in ihren 3000 Netzwerken angeschlossen sind, um zu gewährleisten, dass diese Geräte die Anforderungen erfüllen, die das Unternehmen und die Kreditkartenindustrie stellen, wenn es um den Schutz von Kundendaten geht. Da es dafür auf dem Markt keine Lösung gab, entwickelte die Hotelkette im letzten Jahr eine proprietäre Anwendung, Marriott's Asset Auditing Report and Knowledgebase Version 1, kurz MAARK1 genannt. MAARK1 inventarisiert täglich die ca. 100000 Endgeräte und beurteilt dabei, ob sie die vorgeschriebenen Sicherheitsrichtlinien einhalten. Dadurch steigerte Marriott die Übereinstimmung mit den Standards der Kreditkartengesellschaften um mehr als 40 Prozent und schuf gleichzeitig verlässliche Prüfpfade für seine Endgeräte. Marriott hat für MAARK1 ein Patent beantragt. Die Einführung von serviceorientierter Architektur (SOA) stellt die Datensicherheit vor neue Herausforderungen. Das gilt insbesondere für im Gesundheitswesen tätige Unternehmen, denn hier lagern oftmals besonders sensible Kundendaten. HIP Health Plan of New York nahm die Risiken sehr ernst, als SOA im Unternehmen installiert werden sollte. Die potentiellen Schwachstellen in der Registry, bei den Zugriffspunkten und an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Komponenten wurden identifiziert und abgestellt. Man entschied sich dafür, ausschließlich marktführende Software zu implementieren, um Authentifizierung, rollenbasierte Zugriffe und andere .Net-Sicherheitsmerkmale zu gewährleisten und so eine Vielzahl von Datenübertragungs-Möglichkeiten (u.a. WLAN, VPN und EDI) zu bieten. Nach der Implementierung von SOA sank die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle bei HIP um 83 Prozent. Das Ende der Möglichkeiten ist ­damit noch nicht erreicht, denn bei HIP arbeitet man weiterhin daran, neue ­Methoden zu finden, mit denen das Netzwerk komplett immun gegen Eindringlinge wird.

Produktivität
Unternehmen stellen heute viel höhere Ansprüche an Netzwerke als je zuvor. Das Management benötigt Instrumente um die Produktivität steigern zu können; gefragt sind einfach zu verwaltende Systeme, die dabei helfen, die Potentiale der Mitarbeiter – unabhängig von ihrem Standort – optimal auszuschöpfen. Wer hätte gedacht, dass man einen Produktivitätszuwachs erzielen kann, indem man das Mitarbeiterverzeichnis neu erstellt. IBM fügte Such- und Team­arbeitsfunktionen in sein neue Vezeichnis BluePages ein. Jetzt ist es ein Leichtes, für Projektteams in Frage kommende Kollegen weltweit ausfindig zu machen und mit ihnen zu kommunizieren. BluePages hat drei Schlüsselkomponenten: Profile der Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung der Mitarbeiter, eine Suchmaschine und Funktionalitäten zur Einrichtung von Arbeitsgruppen. Die Profile enthalten ein Foto des Mitarbeiters, seine Verfügbarkeit, die lokale Uhrzeit und eine Audiodatei mit der korrekten Aussprache des Namens des Mitarbeiters. BluePages wird von 87 Prozent aller IBM-Mitarbeiter mindestens einmal wöchentlich genutzt. In Punkto User­zufriedenheit ist es unternehmensweit die führende Anwendung und die Mitarbeiter berichten, dass dadurch ihre Produktivität deutlich gesteigert wurde. Im Durchschnitt sorgte der Einsatz von BluePages für eine monatliche Einsparung von 1,2 Stunden pro Mitarbeiter.

Kundennähe
Dank CRM lernen Unternehmen ihre Kunden immer besser kennen. Aber wie werden die gewonnenen Erkentnisse genutzt? Oft genug dümpeln mühsam gewonnene Daten anschließend kaum genutzt in mangelhaft strukturierten Datenbanken. Nur wenige Unternehmen können von sich behaupten, ihre Kunden so gut zu kennen wie Harrah's Entertainment. Dennoch arbeitete das Casino-Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten daran, mehr aus diesem Wissen zu machen und implementierte ein sogenanntes operatives CRM. Durch die gezielte Betrachtung von Echtzeit- und gespeicherten Kundendaten kann Harrah’s das Casinoerlebnis für seine Besucher personalisieren und ihre Wünsche erfüllen, bevor sie diese überhaupt aussprechen. Passend zu den Vorlieben des Kunden – welche Spiele bevorzugt er, was bestellt er im Hotelrestaurant, welche Shows sieht er sich an – werden die Kunden mit adäquaten Angeboten, Werbeaktionen und Nachrichten versorgt. Harrah's erweitert das Konzept des operativen CRM, indem es die Interaktion mit den Kunden durch die Einführung von verschiedensten Kontaktpunkten automatisiert. Spielt ein Gast am einarmigen Banditen, kann er sich dort Vouchers für das Casino, das Restaurant oder die verschiedenen Shows ausdrucken oder auch Gutscheine für personalisierte, auf seine Vorlieben abgestimmte Services wie zum Beispiel Mietlimousinen, eine Runde Golf oder Ausflüge. Außerdem bietet das CRM die Möglichkeit, Kunden mit Geschenken oder Gutschriften zu belohnen, wenn sie ein neues Level im Treueprogramm erreicht haben, oder verschiedene Häuser des Unternehmens innerhalb einer bestimmten Zeitspanne besuchen. Der eigentliche Zweck dieser Technologie liegt darin, den Einsatzpunkt des CRM nach vorne zu verschieben. Aus einem Instrument, das die Daten des Kunden nach dessen Besuch analysiert, wird ein Werkzeug für personalisierte Interaktion während der Kunde zu Gast ist.

Unternehmensweite ­Innovation
Als besonders kritisch gelten Änderungen von Prozessen, die mehrere Abteilungen oder gar die Abläufe im gesamten Unternehmen betreffen. Doch gerade solch gravierenden Einschnitte legen oft große Potentiale frei. Als eine der führenden Speditionen der USA kann sich APL keine Zeitverschwendung leisten. OCR-Technologie (Optical character-recognition) an den Durchfahrtstoren in Los Angeles und Seattle führte zu einer Reduktion der Wartezeiten für LKW um 40 Prozent. Bei Ankunft der Trucks werden die Container- und die Fahrgestellnummer an die OCR-Software übermittelt. Früher gaben die Lageristen die Daten manuell ins System ein, jetzt vergleichen sie nur noch die Nummern auf dem Monitor mit den Bildern der Kamera. Mehr als 90 Prozent der Einfahrten laufen automatisiert ab, wie auch 79 Prozent der Ausfahrten in Seattle. Die Schlangen an der Ausfahrt in Seattle sind verschwunden, im Schnitt dauert eine Ausfahrt 20 Sekunden, vor der Umstellung waren es 10 Minuten. Dell hat im vergangenen Jahr stark in die Entwicklung von Server-Virtualisierungs-Technologien investiert. Das Unternehmen benötigt jetzt wesentlich weniger Ressourcen zur Unterstützung der Server-Infrastruktur, während man in den Labors der Rechenzentren nur noch ein Sechzehntel der Regalfläche beansprucht. Somit entstand ein stark gesunkener Verbrauch von Strom und Kühlung, was ebenso zu massiven Einsparungen führte wie der deutlich geringere Bedarf an Netzwerk-Equipment. Penske Truck Leasing nutzt GPS um Mobiltelefonen neue Tricks beizubringen. Das Unternehmen erweitert die Möglichkeiten der eingesetzten Software CellComm um den Fahrer zu orten und sicherzustellen, dass die korrekte Ladung den richtigen Empfänger erreicht. Penske hat ca. 1700 Handys mit CellComm-Software im Einsatz, für die man in diesem Jahr fünf Erweiterungen entwickelt hat: einen dynamischen Routenplan, mit dem der Disponent den Fahrer – abhängig von seiner aktuellen Position – umleiten kann, während dieser unterwegs ist; einen ins Handy integrierten Barcode-Scanner; die Möglichkeit, auf dem Treo PDA/Mobiltelefon elektronische Unterschriften zu digitalisieren; eine Sicherheitsvorkehrung, die GPS-Koordinaten benutzt, um die Geschwindigkeit des Fahrzeugs einzuschätzen, damit Penske die Benutzung des Telefons einschränken kann, während sich das Fahrzeug mit mehr als 5 mph bewegt; und Straßenkarten mit Zeitstempel zur Kontrolle der Routen mit einem »Ping«-System, das regelmäßig die Position des Trucks mit den Karten gegencheckt und so eventuelle Unregelmäßigkeiten sehr früh entdeckt. Motorola steigerte 2005 die Verkaufszahlen seiner Telefone um 40 Prozent, dabei wurde das MotoRazr zum Marktführer in den USA. Für die IT des Unternehmens hatte das zur Folge, dass neue Systeme für Design, Bau und Vertrieb der Produkte integriert werden mussten, um die steigende Nachfrage bedienen zu können. Die umfassendste Technologieinitiative in Motorolas Geschichte versetzte das Unternehmen in die Lage, einen Nachfrageanstieg im Gegenwert von 5,5 Milliarden US-Dollar – das sind 40 Millionen zusätzlicher Mobiltelefone – bewältigen zu können, ohne dafür das IT-Budget erhöhen zu müssen. Ermöglicht wurde dieses Kunststück, indem Lieferanten fünf Mal schneller in die Lieferkette eingebunden wurden. Die Zeit, die benötigt wird, um von Zulieferern kommende Teile zu qualifizieren, wurde um 85 Prozent gesenkt. Digital Six Sigma wurde im Verbund mit Geschäftsprozessmanagement-Software eingesetzt, um im Tandemverfahren Produkte zu designen und umgehend deren Produktion zu automatisieren. Neben einer achtstelligen Kosteneinsparung führte diese Umstellung auch zu deutlich reduzierten Überschussproduktionen, weniger Ausschuss und verkürzten Zeitspannen vom Reißbrett bis zur Markteinführung.

Das Ziel ist der Start
Obwohl diese Beispiele aus Unternehmen unterschiedlichster Branchen stammen und verschiedenste Unternehmensbereiche betreffen, haben sie doch eine Gemeinsamkeit: Die erzielten Resultate sind nicht nur kurzfristige Erfolge, die sich in der Bilanz eines einzelnen Geschäftsjahres niederschlagen, sondern mit Weitblick angelegte Prozesse, die die Unternehmen auf lange Sicht positiv beeinflussen werden. Die Ergebnisse dieser Veränderungen werden in der Zukunft wieder als Ausgangspunkt für neue Verbesserungen dienen, denn echte Innovatoren kennen keinen Stillstand.