Nachdem sich die Kundenbeschwerden häuften, sperrte Ebay Mitte Juni sämtliche Verkäufer-Konten der Selectronica GmbH, dem größten Powerseller Europas. Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft. Doch ein Firmen-Insider klagt an: Das neue Ebay-Bewertungssystem habe Selectronica in den Ruin getrieben.
Mit einem Jahresumsatz von rund 30 Millionen Euro ist die Selectronica GmbH der größte Ebay-Powerseller Europas. Unter Anbieternamen wie »daniksworld «, »weisse-villa« oder »dertotale- wahnsinn« verkauft das Unternehmen seit der Jahrtausendwende Einrichtungsgegenstände, Sportartikel, aber auch Elektro- und IT-Produkte.
Doch vor einigen Tagen erreichte die Erfolgsgeschichte des Frankfurter Unternehmens ein abruptes Ende: Am 13. Juni erließ Ebay eine Einstellsperre für sämtliche Verkäufer-Konten von Selectronica. »Wir haben eine deutliche Verschlechterung der Kundenzufriedenheit beobachtet, da Selectronica offensichtlich immer häufiger mit der Lieferung in Verzug kam und minderwertige Ware anbot«, erklärt Ebay-Sprecherin Maike Fuest.
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen die Selectronica-Geschäftsführer Daniela Kaufhold und Stephan Meyer. »Bei uns sind bereits rund 200 Anzeigen von Kunden eingegangen, die nach Warenrücksendungen kein Geld gekriegt oder bezahlte Ware nicht erhalten haben«, berichtet die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Doris Möller-Scheu: »Dass sich die Beschwerden in letzter Zeit häuften, spricht für eine Zahlungsunfähigkeit.« Jedoch habe Selectronica bisher noch keinen Antrag auf Insolvenz gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittle nun wegen Insolvenzverschleppung und Betrug.
Während viele Medien Selectronica schnell als Betrüger- Unternehmen abstempelten, nimmt Martin von Hermanni, der seit 2002 – darunter bis 2006 als Geschäftsführer – bei dem Powerseller beschäftigt war, einen anderen Standpunkt ein: »Wir waren immer ein ganz typischer 98-Prozent- Feedback-Powerseller – also genau mit der für Ebay noch guten Kundenzufriedenheit«, so von Hermanni, der das Unternehmen aus persönlichen Gründen im März 2008 verlassen hat.
Der Auslöser für die Schwierigkeiten von Selectronica seien laut von Hermanni die Neuerungen gewesen, die Ebay seit Anfang des Jahres umsetzte. So habe die Standard-Auflistung der Suchergebnisse nach »Beliebteste Artikel« dazu geführt, dass die Auktionen des Anbieters benachteiligt worden wären: »Wenn ein bald endendes Angebot in der Suchanzeige auf Seite 20 steht, fehlen die letzten Gebote und die Preise befinden sich im freien Fall«. Selectronica habe sich daher gezwungen gesehen, das Sortiment schrittweise auf Festpreisangebote umzustellen.
Zudem habe man auf die von Ebay eingeführte Wertung der Versandkostenhöhe als wichtiges Kriterium für eine gute Angebotsdarstellung reagieren müssen und hier die Gebühren gesenkt. In der Folge sei Selectronica in eine Kostenfalle geraten: »Während durch die Umstellung auf Festpreisangebote die Gebühren explodierten, fehlte mit den niedrigeren Versandkosten auch noch ein guter Teil der kostendeckenden Einnahmen «, so von Hermanni. Mit der Sperrung der Verkäuferkonten von Selectronica im Juni sei schließlich der Niedergang des Unternehmens besiegelt gewesen.