Erkennen von Zweitbanktransfers
Wichtig ist auch das Erkennen von Kunden mit Zweitbankverbindungen. Dies ist über die Identifikation von Selbsttransfers möglich. Selbsttransfers sind Umbuchungen oder Transfers zwischen zwei unterschiedlichen Konten, die auf den gleichen Inhaber lauten. Dies können Transfers auf oder von einem Direktbankkonto sein, Leasingraten an eine Autobank, Ratenzahlungen an eine Bank, die speziell Konsumentenkredite vergibt, Überweisungen für bestimmte Anlageprodukte usw. Das Erkennen von Selbsttransfers ist nicht trivial, da Tippfehler, unterschiedliche Schreibweisen der Namen oder Gemeinschaftskonten den Vergleich der Auftraggeber- und Empfängernamen erschweren.
Aufbauend auf den qualifizierten Datensätzen des DTA lässt sich ein Kundenbild erstellen, das die aus dem Zahlungsverkehr gewonnenen Informationen bündelt. Dadurch entfällt die Notwendigkeit der Speicherung einzelner qualifizierter Datensätze, so dass der zusätzliche Speicherbedarf vernachlässigbar ist. Eine Archivierung qualifizierter Datensätze eines bestimmten Zeitraums könnte dennoch für besondere Auswertungen sinnvoll sein.
Die Hauptkosten im laufenden Betrieb entstehen durch die regelbasierte Verarbeitung der DTA-Sätze. Das liegt hauptsächlich an deren Volumen, wenn man sich nicht im vorhinein auf bestimmte Kundengruppen einschränkt. In Verbindung mit anderen Datenquellen der Bank können solche Auswertungen das Kundenbild erweitern. Auf diesem Bestand lassen sich dann geeignete Datenbankabfragen und Data-Mining-Auswertungen, etwa induktive Lernverfahren wie Entscheidungsbäume, ausführen. Dadurch sind die Charakteristika solcher Kunden hinsichtlich ihrer Nutzung von Finanzprodukten, aber auch andere Eigenschaften, herauszuarbeiten.
Erschliessung von Onlinepotenzialen
Welchen praktischen Nutzen hat nun ein Bankinstitut von solchen Auswertungen? Auf ihrer Basis können geeignete Maßnahmen oder Produkte entwickelt werden, um Kunden dazu zu bewegen, mehr Finanzgeschäfte mit dem betrachteten Institut zu tätigen.
Bei der Analyse von Zweitbank-Transaktionen werden die Informationen über die bankinterne Produktnutzung um Wissen über Produkte, die der Kunde bei anderen Kreditinstituten nutzt, erweitert. Dies gestattet dem Kundenbetreuer eine verbesserte Sicht auf den Kunden und ermöglicht eine fundierte ganzheitliche Beratung im Sinne eines Produktportfolios.
So kann die Analyse der Zahlungsverkehrsdaten beispielsweise zur Erschließung von Onlinepotenzialen herangezogen werden. Kunden (bzw. ihr Haushalt) werden als internetaffin eingestuft, wenn sie zum Beispiel regelmäßige Zahlungen an einen Internetprovider tätigen, bei Amazon Produkte kaufen oder über eBay handeln. Hat ein solcher Kunde sein Girokonto für die Onlinenutzung bisher nicht frei schalten lassen, ist zu überlegen, wie er dazu bewogen werden könnte, sein Konto online zu nutzen. In einer von uns durchgeführten Studie verfügten insgesamt 27,8 Prozent aller internetaffinen Kunden nicht über ein Onlinekonto.
Auch Kinderzuwachs lässt sich oft über den Zahlungsverkehr, genauer über die Höhe der monatlichen Kindergeldzahlungen, feststellen. Andere Beispiele sind die Erkennung erheblicher freiberuflicher Tätigkeit bei einem angestellten Kunden, der bankintern nur als unselbständig tätig gruppiert ist, oder die Identifikation von Immobilienbesitzern (z.B. aufgrund von Grundsteuerzahlungen), die keinen Immobilienkredit von der Bank erhalten haben.
Die systematische Beobachtung des Zahlungsverkehrs von Kunden mit Zweitbankverbindungen erlaubt auch Rückschlüsse darauf, wozu Zweitbankverbindungen unterhalten werden. Kunden, die über eine Zweitbankverbindung verfügen und überdurchschnittlich viele Transaktionen in der Erstbank tätigen, werden die Erstbank zu Zwecken des Zahlungsverkehrs nutzen und ihre Zweitbankverbindung vermutlich für das Anlage- oder Kreditgeschäft verwenden. Im Gegensatz dazu werden solche Kunden, die über eine Zweitbankverbindung verfügen und unterdurchschnittlich viele Transaktionen in der Erstbank abwickeln, ihre Zweitbankverbindung (vielleicht nicht ausschließlich) für ihren Zahlungsverkehrs nutzen.
Detaillierte Analysen der Umsatztexte, aber eventuell auch einfach der Zweitbank(namen) selbst, sofern es sich um Spezialbanken handelt, können Hinweise darauf geben, welche Produkte von den Kunden über die Zweitbankverbindung genau nachgefragt werden. In Verbindung mit den bei der Erstbank nachgefragten Produkten lässt sich daraus ein vollständigeres Bild der gesamten durch den Kunden nachgefragten Bankdienstleistungen generieren, als es ohne diese Analysen möglich wäre.
FAZIT
Transaktionsbasierte Business Intelligence kann Banken bei einer verbesserten Analyse des Kundenverhaltens helfen und darauf aufbauend der Entwicklung geeigneter Produkte sowie Marketing- und Vertriebsmaßnahmen dienen. Sie liefert der Bank neue Möglichkeiten zur Beobachtung und Analyse ihrer Kunden. Die Klassifizierung der Kunden in homogene Gruppen nach zusätzlichen Kriterien ermöglicht dem Marketing eine viel genauere Ansprache bestimmter Kundengruppen. Die Informationen aus dem Zahlungsverkehr dienen sowohl der Verbesserung als auch der Ausweitung bestehender Kundendatenbanken.
Paul Alpar ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Philipps-Universität Marburg, Patrick Noll wissenschaftlicher Mitarbeiter dort.