Kosten senken mit Gebraucht-Software Öffentliche Verwaltungen begegnen dem wachsenden Kostendruck immer öfter durch den Einsatz von Software, die bereits anderswo im Einsatz war.
Anfang des Jahres machte die Stadt München Schlagzeilen: Bei einem Vergabeverfahren über 2000 Microsoft-Lizenzen wandte sich die bayerische Landeshauptstadt ausschließlich an Anbieter von gebrauchter Software. »Die Stadt München sieht nicht ein, für Software mehr als nötig zu zahlen. Über 50 Prozent Ersparnis gegenüber dem Preis für Neuware sprechen eine deutliche Sprache«, erklärt Oberbürgermeister Christian Ude. Mit dieser Entscheidung steht die Landeshauptstadt nicht allein. So zählt die Firma Usedsoft, deutschlandweit größter Anbieter von Gebraucht-Software, die Stadtverwaltung Bad Salzuflen, die Datenzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart sowie den Kommunalen Versorgungsverband Baden-Württemberg (KVBW) in Karlsruhe zu ihren Kunden. »Die Nachfrage von Behörden ist in den letzten Monaten sprunghaft angestiegen«, berichtet Usedsoft-Geschäftsführer Peter Schneider. Aktuelles Beispiel ist die Stadt Flensburg, die in ihrer Ausschreibung über 500 Office-XP-Lizenzen ausschließlich auf gebrauchte Software setzt. »Gerade auf kommunaler Ebene ist Sparen heute oberstes Gebot – aber natürlich an den richtigen Stellen«, betont Günter Dors, Vorsitzender Geschäftsführer der Kommunalen Datenverarbeitung für die Region Stuttgart (KDRS). Er empfiehlt deshalb den Einsatz gebrauchter Software. So bekämen die Anwender für wesentlich weniger Geld die gleiche Leistung. Der Markt für Software-Lizenzen, die bereits anderswo im Einsatz waren, hat sich in den letzten Jahren in Deutschland etabliert und in den letzten zwölf Monaten einen regelrechten Boom erlebt. Software-Händler kaufen hierzu Lizenzen auf, die Unternehmen nach Insolvenzen, Umstrukturierungen oder Systemumstellungen nicht mehr benötigen. Die Einsparungen, die im Vergleich zum Neupreis erzielt werden können, liegen zwischen 20 und 50 Prozent. Für den Preis erhält der Zweiterwerber – anders als bei jedem anderen gebrauchten Gegenstand – genau dasselbe Produkt wie der Erstkäufer. Denn Software unterliegt keinen Verschleißerscheinungen. Abgesehen vom Preis weist gebraucht gekaufte Software keine Unterschiede zu Programmen auf, die direkt vom Hersteller kommen. »Warum sollten wir für ein Produkt mehr zahlen als nötig?«, fragt sich auch Magnus Petersen von der Kreisverwaltung Nordfriesland. »Ob die Lizenzen, die wir kaufen, vorher schon einmal anderswo eingesetzt wurden, ist für uns erst einmal unerheblich. Auch und gerade beim Software-Einkauf achten wir in erster Linie auf den Preis.«
Nachfrage bei Behörden wächst Dass die Nachfrage auf dem Gebrauchtmarkt seitens Öffentlicher Verwaltungen in den letzten Monaten stark angestiegen ist, hat mehrere Gründe. Einer ist sicher der Kostendruck, der immer stärker auf den Öffentlichen Einrichtungen im Allgemeinen und den Kommunen im Besonderen lastet. Darüber hinaus ist die Anzahl der PC-Arbeitsplätze in den Verwaltungen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und damit auch der Software-Bedarf. In der Folge haben sich die Ausgaben für Lizenzen zu einem immer größeren Kostenfaktor entwickelt. Auch in anderer Hinsicht bietet sich in Behörden der Einsatz gebrauchter Lizenzen an: In der Regel kommt in den hiesigen Amtsstuben Standard-Software zum Zug – gerade diese aber ist wegen der hohen Verfügbarkeit auf dem Gebrauchtmarkt zu besonders günstigen Konditionen erhältlich. Ein weiterer Aspekt: Eine neuere Version eines Software-Produkts stellt meist höhere Anforderungen an die eingesetzte Hardware. Dabei sind die ebenso bewährten wie vertrauten älteren Versionen vom Funktionsumfang oftmals ausreichend – und sie führen nicht zu zusätzlichen Kosten für die Anschaffung neuer Hardware. Wenn ältere Versionen vom Hersteller nicht mehr angeboten werden, ist der Gebrauchtmarkt der einzige Weg. »Der Preis für eine gebrauchte Lizenz hängt nicht zuletzt von ihrer Aktualität ab«, erklärt Schneider. Das größte Sparpotenzial böten Lizenzen, die bereits seit ein bis zwei Jahren auf dem Markt sind. Aber auch bei den aktuellen Versionen betrage die Differenz zum Neupreis immer noch mindestens 20 Prozent. Namhafte und große Anwender wie die Stadt München nehmen Schneider zufolge im Öffentlichen Sektor eine Vorreiterrolle ein und werden zu Trendsettern. Aber auch die positive rechtliche Entwicklung trage zur gestiegenen Nachfrage bei. Rechtliche Basis für den Handel mit gebrauchten Lizenzen ist der Erschöpfungsgrundsatz des deutschen Urheberrechts. Demnach erschöpft sich das Verbreitungsrecht eines Herstellers in dem Moment, in dem er ein Produkt erstmals in den Handel bringt. In einem Urteil entschied der Bundesgerichtshof (BGH) bereits vor sieben Jahren, dass der Erschöpfungsgrundsatz auch für Software gilt. Handel und Weiterverkauf von Software sind danach grundsätzlich zulässig, zumindest soweit es sich um Einzelplatzlizenzen handelt.
Klärungen vor Gericht Dies hat auch das Landgericht Hamburg unlängst so gesehen. In ihrem Urteilsspruch befanden die Richter darüber hinaus, dass auch die Aufteilung von Microsoft-Volumenlizenzen geltendem Recht entspricht. Durch die in Erfüllung des jeweiligen Volumenlizenzvertrages erfolgte Einräumung von Nutzungsrechten habe sich das Verbreitungsrecht von Microsoft »in Bezug auf jedes einzelne eingeräumte Nutzungsrecht erschöpft«. Erwerb und Weiterveräußerung von Lizenzen, die aus Volumenverträgen stammen, seien damit dinglich wirksam. Weiterhin betonte das Landgericht Hamburg, dass anders lautende Bestimmungen in den Microsoft-Lizenzverträgen in vollem Umfang unwirksam seien, da »es sich bei der Erschöpfung um zwingendes Recht handelt, das nicht vertraglich abbedungen werden kann«. Das Urteil wurde jüngst vom OLG Hamburg im Ergebnis bestätigt, allerdings ohne auf die wichtigen urheberrechtlichen Streitpunkte im Detail einzugehen. Rechtlich umstritten bleibt die Weiterveräußerung von Oracle-Software, die per Online-Übertragung erworben wurde. Das Landgericht München hatte im März diesen Jahres eine einstweilige Verfügung bestätigt, die den Verkauf solcher Lizenzen untersagt. Das Landgericht berief sich in seiner Entscheidung auf eine wörtliche Auslegung des Erschöpfungsgrundsatzes. Da bei online erworbener Software kein Vervielfältigungsstück in Handel gebracht würde, könne auch keine Erschöpfung eintreten, argumentierte das Gericht. Die Entscheidung des LG München wird derweil von zahlreichen Urheberrechtsexperten kritisiert, die sich für eine analoge Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auch auf online übertragene Lizenzen aussprechen. Allerdings wird Software ohnehin nur von wenigen Herstellern online in Verkehr gebracht. Die gängigen Produkte – darunter solche von Microsoft, Adobe, und SAP – werden auf Datenträgern verkauft. Nichtsdestotrotz raten Händler von Gebraucht-Software, beim Software-Kauf stets die Aushändigung eines Datenträgers zu verlangen. Nur so lasse sich das Eigentum an der bezahlten Ware sichern. Usedsoft bietet seinen Kunden zudem ein notarielles Testat. Der Verkäufer gibt zuvor eine Erklärung ab, dass er rechtmäßiger Inhaber der übertragenen Lizenzen war, sämtliche Kopien der verkauften Lizenzen gelöscht hat und diese in Zukunft nicht mehr verwendet. Dadurch soll belegt werden, dass der Käufer der einzige Nutzer der Lizenzen ist – in urheberrechtlicher Hinsicht ein unverzichtbarer Faktor.
Martina Lamping ist Journalistin in Köln.