Media Center PCs: Mit Nachdruck und Fachhändlers Hilfe. Von der neuen Microsoft Media Center Edition 2005 erhoffen sich die PC-Hersteller endlich den Durchbruch ihrer Consumer-PCs. Zu ihrem Leidwesen zeigten die Endkunden an den Geräten bisher nicht das erwartete Interesse. An einem Markterfolg sollen neuerdings auch die Fachhändler kräftig mitarbeiten ? nachdem sie vorher rigoros ausgegrenzt wurden: Microsoft verweigerte ihnen den Zugriff auf das Betriebssystem, die Hardware-Anbieter lieferten nur an Retailer. Jetzt soll der Fachhandel mit an die Front, beraten und Lösungen verkaufen.
Davon träumt Microsoft-Firmenchef Bill Gates: Die neue Windows XP Media Center Edition 2005 soll vier bis fünf Mal mehr verkaufte Lizenzen einbringen als die Version 2004. Denn die brachte es nur auf weltweit etwa eine Million Abnehmer. Überzeugen sollen die Kunden die einfachere Bedienung, einige neue Features und vor allem ein großzügiger Werbeetat, den Microsoft bereitgestellt hat, um den Markt für das Multimedia-Betriebssystem interessant zu machen.
Die Ausgangsposition ist jedenfalls schwach. »Bei Acer beträgt der Anteil an Media Center PCs im Consumer-Geschäft lediglich 15 Prozent«, bestätigt Oliver Ahrens, Geschäftsführer von Acer. Weshalb das so ist, begründet Robin Wittland, Mitglied des Aufsichtsrats bei Wortmann: »Den Kunden ist das Leistungsspektrum dieser Produkte gar nicht bewusst«, erklärt er das Desinteresse der Endkunden. Als Hemmschuh erwies sich auch die bisherige Vertriebsstrategie: Der Vertrieb der Media Center Software war bisher ausschließlich den großen PC-Herstellern als OEM-Partner vorbehalten, Händler und Systemintegratoren mussten auf spezielle Software beispielsweise von Pinnacle oder Intervideo ausweichen, um Entertainment-Rechner anbieten zu können. Doch Frank Rühlicke, Geschäftsführer von Aquado, erklärt: »Heute gibt es keine Entertainment-Software, die an die Funktionen der neuen Microsoft-Version heranreicht.«
Mit der neuen Version hat Microsoft diese Hürde auf dem Weg zu einem breiten Publikum aus dem Weg geräumt: Jetzt können auch Fachhändler die Software über die Distribution beziehen und auf ihren Rechnern installieren. Und einen weiteren Trumpf hat Microsoft im Ärmel, um der Begeisterung der User für das Produkt auf die Sprünge zu helfen: Ab nächstem Jahr wird die Windows XP Media Center Edition 2005 breitflächig auf Consumer-Rechnern und -Notebooks vorinstalliert.
Selbst wenn Microsofts Strategie aufgeht, haben sowohl der Software-Anbieter als auch die PC-Hersteller bisher die Rechnung ohne den Fachhandel gemacht. Denn Media Center PCs verkaufen sich derzeit fast ausschließlich in den Flächenmärkten, und trotz gutem Zureden der Hersteller sieht das Gros der Fachhandelspartner kein rentables Geschäftsfeld im Vertrieb der Entertainment-Geräte. Und die Hersteller haben sich auch keine große Mühe gegeben: »Der wichtigste Kanal für Media Center PCs sind derzeit Retail-Märkte. Dort werden die Consumer angesprochen«, begründet Olaf Meng, Area Category Manager Consumer Desktop bei HP. Das ist auch der Grund, weshalb der Hersteller seine Pavillion-Media-Center-PCs ausschließlich über die Retailschiene vertreibt. Das geht so weit, dass für den Fachhandel diese HP-Rechner gar nicht, also auch nicht über die Distribution, lieferbar sind. Andere wie Acer, FSC und Sony machen ihre Geräte zwar zumindest für die Partner verfügbar, doch fast alle Top-Player in diesem Marktsegment haben ihre Produkte zuallererst den Retailern angeboten, weit bevor sie für den Fachhandel erhältlich waren. Was das bedeutet, lässt sich anhand vieler Beispiele aus anderen Produktsegmenten belegen: Hat sich ein Produkt in den Köpfen der Consumer erst einmal als »Saturn«- oder »Mediamarkt«-Ware etabliert, ist es für den Fachhandel extrem schwierig, damit noch rentables Geschäft zu machen. »Es ist nicht einfach, Produkte, die zuerst im Retail verkauft wurden, im Fachhandel zu platzieren«, bestätigt auch Volker Schwellenberg, verantwortlich für das Marketing bei Actebis Peacock. Die Hersteller müssten jetzt mit umfangreichen Werbemaßnahmen und speziellen Schulungen die Nachfrage und das Interesse beim Händler erzeugen, was mit einem hohen finanziellen Investment verbunden sei. Deshalb ist er davon überzeugt, dass dem Media Center PC-Markt im Fachhandel eine mühsame Karriere bevorstehe.
Die Assemblierer-Gilde hat sich bereits frühzeitig sowohl von der Abhängigkeit von Microsoft als auch von der der PC-Hersteller emanzipiert und ihre eigenen Media Center PCs angeboten. Sie bauen Entertainment-PCs entweder selbst oder greifen auf Barbone-Systeme zurück, die hinterher mit der entsprechenden Software bestückt werden ? eine Vorgehensweise, die sich bereits im Geschäft mit herkömmlichen PCs bewährt hat. Der Distributor Delo macht seit einigen Monaten ein gesteigertes Interesse an seinen BTO-PCs in Verbindung mit Entertainment-Programmen von Pinnacle oder Intervideo aus. Dirk Grass, Vertriebsleiter bei Delo, kennt die Gründe dafür: »Der Fachhandel will individuelle Geräte, um sich vom Retail abzuheben.« PC-Hersteller betrachten die Assemblierer wie gehabt leidenschaftslos: »Rein betriebswirtschaftlich gesehen lohnt sich ein vom Händler zusammengebauter Rechner nicht«, behauptet Sascha Hancke, Leiter des Geschäftsbereichs Consumer-PCs bei Fujitsu Siemens.
Mit der Einführung der neuen Media-Center-Software haben die beteiligten Hersteller ? und zwar sowohl die PC-Anbieter als auch Microsoft selbst ? offensichtlich einen Sinneswandel durchgemacht: Nach der Ausgrenzung zugunsten des Retail, sollen die Fachhandelspartner plötzlich ins Boot und mit anschieben helfen, die Multimedia-PCs mitsamt ihrer Software zum Renner zu machen. »Trotz der Wettbewerbssituation mit Flächenmärkten haben Händler diesen einiges voraus«, lobt FSC-Manager Hancke. »Der Fachhandel ist der richtige Vertriebskanal für Entertainment-PCs. Im Retail fehlt es am geschulten Personal«, ist Schwellenberg überzeugt: Schließlich könne nur der Handel richtig beraten und damit habe er es auch in der Hand, Folge- und Lösungsgeschäft zu generieren. Der Verkauf eines Media Center PCs ziehe oft die Installation kompletter Home-Netzwerke inklusive TV-Anschluss mit sich. In diesem Bereich sieht Hancke die Funktion des Fachhandels und nicht im Verkauf von Hardware. »Media Center PCs sind ein echtes Fachhandelsprodukt«, konstatiert auch Wittland. »Damit bauen sich die Fachhändler die Kundschaft von morgen für weitere digitale Produkte auf.«
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Aquado
www.aquado.net
Acer
www.acer.de
Actebis Peacock
www.actebispeacock.de
Delo
www.delo.com
Fujitsu Siemens
www.fujitsu-siemens.com
Hewlett-Packard
www.hp.com/de
Intervideo
www.intervideo.com
Pinnacle
www.pinnaclesys.com
Sony
www.sony.de
Wortmann
www.wortmann.de