Musikproduktionssoftware: Gut verdient an Musikern

18. November 2004, 0:00 Uhr | Samba Schulte

Musikproduktionssoftware: Gut verdient an Musikern. Die Anbieter von Musikproduktionssoftware setzen verstärkt auf den IT-Channel als zusätzlichen Absatzkanal neben dem klassischen Musikhandel. Für den IT-Fachhandel ist der Vertrieb dieser Lösungen nebst Peripherie und Zubehör ein schönes Zusatzgeschäft. Aber Vorsicht: Sie müssen sich auf einen hohen Beratungsbedarf bei den Nutzern einstellen, die detailliertes Spezialwissen fordern.

Musikproduktionssoftware: Gut verdient an Musikern

Das Angenehme am Markt für Musikproduktionslösungen ist, dass der preisaggressive Retail in diesem Segment kaum eine Rolle spielt. »Die Software-Lösungen sind komplex, und auch in puncto Kombination mit entsprechenden Zubehör-Artikeln besteht ein hoher Beratungsbedarf«, erklärt Klaus Preuschhof, Produktmanager des Multimedia-Distributors Comline. Deshalb setzen die Profi-Anbieter, wie Steinberg oder Edirol, immer noch verstärkt auf ihre Fachdistributoren: Diese sollen Wiederverkäufer mit dem entsprechenden Know-how versorgen. Diese Leistung ist vor allem für IT-Fachhändler gefordert, denn die Hersteller forcieren seit geraumer Zeit verstärkt auch diesen Absatzkanal. Und die haben in Sachen Fachwissen Aufholbedarf. »Zwar ist der klassische Musikhandel immer noch unser größtes Kundensegment im Bereich Audiolösungen, doch der Anteil der IT-Händler steigt deutlich«, meint Preuschhof.

Denn die Anforderungen der Kunden verändern sich: Mehr und mehr geht der Bedarf weg von der klassischen analogen Studiotechnik ? traditionelle Kernkompetenz der Musikhändler ? hin zur komplett digitalen Musikproduktion. »Viele klassische Peripherie-Produkte, wie etwa Synthesizer, können mittlerweile durch zusätzliche Software-Lösungen vollwertig ersetzt werden«, bestätigt Preuschhof.

IT-Kompetenz ist gefragt

Zwar haben sich Musik-Handelshäuser wie Thomann frühzeitig auf die Digitalisierung der Musikproduktion eingestellt und entsprechende Abteilungen aufgebaut. Doch bei der zunehmenden Geschwindigkeit der Digitalisierung fehlt es den Musik-Beratern häufig an der immer mehr gefragten IT-Kompetenz: Kompatibilität, benötigte Systemressourcen, USB/Firewire-Schnittstellen ? mit diesen Fragen wollen sich viele Music-Shop-Angestellte nicht auseinandersetzen. Hier können die ITler ihre Stärke ausspielen und kompetente IT-Beratung leisten.

Und ein weiterer Grund bewegt die Audio-Software-Anbieter, den IT-Kanal mit einzubeziehen: Der Markt für semi-professionelle Musikliebhaber wächst, und vor allem jüngere Consumer kaufen immer seltener die Software zum Keyboard, sondern die Musikproduktionslösung zum Rechner. Selbst bei den professionellen Anwendern ? Komponisten, Tonstudios und Medienbearbeitern ? ist bei steigendem IT-Bedarf eine allmähliche Lösung der traditionellen Bindung zum Musikfachhaus zu verzeichnen.

Provokation für Musikhändler

Hersteller Apple vertreibt beispielsweise die weit verbreitete Musikproduktionssoftware für Profis »Logic« mit Einführung der aktuellen Version »Pro 7« auch über den IT-Reseller Gravis. Der Ärger der Musikhändler ist verständlicherweise groß, denn der Hersteller eröffnet damit einen neuen starken Absatzkanal. Der Komponist und Produzent Paul Beller gehört wie viele Musikprofis der eingeschworenen Apple-Gemeinde an. Sein Tonstudio in München ist komplett digitalisiert. »Bisher kaufte ich die Software »Logic« und entsprechende Updates vor allem beim Musikhändler«, meint Beller. Die Hardware, die passend zu den Updates ebenfalls aufgerüstet werden muss, denn die Lösungen sind sehr »ressourcenhungrig«, besorgt sich der Musiker jedoch beim IT-Händler oder über ein Online-Portal. In Zukunft kann er sich gut vorstellen ausschließlich beim IT-Fachhandel zu kaufen. »Wir arbeiten im Studio neuerdings mit mehreren vernetzten Rechnern«, erklärt Beller. »Da ist IT-Know-how gefragt.« Allerdings bezweifelt Beller, dass Gravis Einsteiger in die Musikproduktion kompetent beraten könne.

Margen von 30 Prozent

Erfreulich gestalten den Vertrieb von Musikproduktionslösungen auch die Margen. »Die Gewinnspannen dieser Produkte sind natürlich deutlich höher als etwa bei gängigen Digitalkameras«, weiß Preuschhof. Rund 30 Prozent sind bei Vollversionen keine Seltenheit. Für Updates müssen lizenzierte Nutzer ebenfalls kräftig zahlen. »Dafür muss sich der Händler auf eine Menge Fragen der Kunden einstellen.« Damit IT-Fachhändler dem Beratungsbedarf der Anwender gewachsen sind, bietet Multimediadistributor Comline Pres-Sales-Support durch ein Medienkompetenz-Team, dem auch Preuschhof angehört. Das Team informiert nicht nur auf Roadshows über die Produkte aus dem Bereich Audio- und Video-Bearbeitung, sondern steht auch telefonisch den Partnern jederzeit mit Beratung zur Seite. Die beginnt bei vielen IT-Händlern ganz unten.

Denn nur wenige IT-Experten sind mit den geläufigen Fachbegriffen der elektroakustischen Musik vertraut. »Sequencing« beispielsweise ist die Kernfunktion der Musikproduktionssoftware. Der Anwender verändert, bearbeitet, verschiebt oder vervielfacht damit aufgenommene Midi- und Audio-Spuren. Gerade darin liegt das Erfolgsrezept der digitalen Musikproduktion, denn bei traditionellen analogen Produktionen sind solche einfachen Eingriffe und Nachbearbeitungen nicht möglich.

Cubase oder Logic ? eine Glaubensfrage

Anders als in den USA, wo der Anbieter Mark of the Unicorn mit seiner Kompositionssoftware »Digital Performer« stark vertreten ist, teilt sich in Deutschland die Gemeinde im Wesentlichen in zwei Glaubensgruppen: »Cubase« oder »Logic«. Die »Cubase«-Reihe stammt von Steinberg und unterstützt PC und Mac, Apple führt seit der Übernahme von Anbieter Emagic die »Logic«-Software. Seit dem Besitzerwechsel gibt es die vor allem bei Profis beliebte Musiklösung nur noch für Mac-Systeme. Da halfen auch Petitionen vieler PC-Nutzer nichts. »Seit der Aufkündigung der PC-Unterstützung durch Apple ist der Markt wieder mächtig in Bewegung geraten«, meint Preuschhof.

Er sieht mittlerweile die beiden Konkurrenten auch im Profi-Segment gleichauf. Und Musiker Beller bemerkt, »dass sich Apple bei den alten »Logic«-Fans nicht unbedingt beliebt gemacht hat.« Daneben haben sich noch eine Reihe weiterer Anbieter mit spezialisiertem Angebot etabliert: Auf die Sound-Synchronisation bei Medienproduktionen abgestimmte Programme sind beispielsweise die Software »Nuendo«, ebenfalls aus dem Haus Steinberg, und die Lösung »Protools« von Digidesign, die über ein fest definiertes Anbieternetz vertrieben wird. Die Firma Edirol, Tochter des Instrumente-Herstellers Roland, bietet mit »Sonar« ebenfalls eine Musikproduktionssoftware an, gefragter ist allerdings das Hardware-Zubehör des Herstellers. Das Neueinsteiger-Segment bedienen Propellerhead Software mit der All-in-one-Lösung »Reason« und der Anbieter Ableton mit seiner Reihe »Live«.

Das vergleichsweise kleine Unternehmen Ableton aus Berlin ist eine Ausnahme: Trotzdem kein großer Konzern hinter dem 1999 gegründeten Unternehmen steht, konnte sich die Firma in Zeiten der Marktkonzentration ? Pinnacle übernahm Steinberg und Apple den Anbieter Emagic ? durchsetzen. Bekannte Musiker und Filmstudios arbeiten mittlerweile mit der Software »Live«. Die aktuelle Version »Live 4« stellt an den genutzten PC beziehungsweise Mac nur sehr schlanke Anforderungen: Das Programm läuft bereits auf einem »Mac-G3«-Prozessor oder einer PC-600-MHz-CPU. Außerdem reicht ein Arbeitsspeicher von 256 MByte aus. Deshalb wird das Ableton-Musikproduktionsprogramm »Live« tatsächlich vor allem gerne live für Bühnenprogramme genutzt. Die Lösung unterstützt dabei Mehrspuraufnahmen in Profi-Qualität (24-Bit/192 KHz). Rund um die Kernfunktionen Aufnahme und Midi-/Audio-Sequencing sind Effekte und zusätzliche Sounds enthalten.

Das Programm bietet inklusive die Sample-Instrumente »Simpler« und »Impulse« zur Programmierung von Drum-Kits. Auch andere virtuelle Instrumente können problemlos integriert werden. Die Software unterstützt ASIO-, MME-, DirectX-, Sound Manager- und Core-Audio-Schnittstellen. Mit einem EVK von 499 Euro kommt die Lösung den Endkunden vergleichsweise billig. Der HEK für die Vollversion beträgt 311 Euro.

Auch die beiden Marktführer haben neue Versionen ihrer Kompositions- und Produktionsprogramme veröffentlicht. Steinbergs »Cubase SX 3.0« stellt deutlich höhere Systemanforderungen für PC und Mac: Empfohlen für den Betrieb werden ein »G4 Dual 1.25 GHz«- beziehungsweise »Pentium/Athlon 1.4 GHz«-Prozessor. Steinberg setzt in seiner »Cubase«-Reihe sehr stark auf virtuelle Instrumente (Virtual Studio Technology) und Effekte, die mühelos in das Programm integriert werden können. Auch klassische Digitalsound-Problemkinder wie etwa die Gitarre müssen damit ? auch wenn Puristen die Nase rümpfen ? nun nicht mehr analog eingespielt werden. Die neue Version kostet 550 Euro (HEK). Der EVK liegt bei 799 Euro. Steinberg bietet seine VST-Instrumente auch in Bundles mit Einsteigerversionen von »Cubase« an.

Außerdem kombiniert der Hersteller auch schlanke Versionen seiner Musikproduktionssoftware mit Hardware-Zubehör: Das »Cubase System 4« enthält neben der Produktionssoftware-Version »SL 2.0« ein USB-Interface mit jeweils vier Ein- und Ausgängen für 272 Euro (HEK) beziehungsweise 479 Euro (EVK).

Die neue »Logic«-Version »Pro 7« ist nur für Mac erhältlich und läuft optimal mit »G5«-Prozessor und 512 MByte RAM. Mindestvoraussetzung ist ein »Power PC G4«-Prozessor. Preislich liegt diese Profi-Lösung mit einem EVK von 1.039 Euro (HEK: 728 Euro) deutlich über den anderen Anbietern. Auch Logic-Pro bietet zusätzliche Software-Instrumente und Effekte-Plug-ins. Zusätzlich gibt es nun die Möglichkeit, mehrere vernetzte Computer für zusätzliche DSP-Verarbeitungsleistung zu nutzen. Mehrere Mac-Systeme können dem »Logic Pro 7«-System über Ethernet- oder Firewire-Schnittstelle hinzugefügt werden. So ergibt sich ohne zusätzliche Nutzung von DSP-Karten eine größere Verarbeitungsleistung von bis zu 128 Stereostreams.

Gerade bei der Logic-Reihe kommt es übrigens kaum noch zum berüchtigten »Cracking« (Raubkopieren) der Software. »Die Anwender sind zumeist seriöse Profis«, meint dazu Beller, »diese legen Wert auf eine eigene Vollversion mit entsprechendem Support.«

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Musikproduktionslösungen

Profis und semi-professionelle Musikliebhaber nutzen Musikproduktionslösungen, wie etwa »Cubase« oder »Logic«, zum Komponieren, Aufnehmen, Bearbeiten und Mischen ihrer Songs. Die Audioproduktionssoftware bietet eine Aufnahmefunktion, Midi-Funktionen, integrierte Sounds und Effekte sowie ein virtuelles Mischpult. Über das Programm kann der Anwender sowohl von analoger Quelle (Gitarre, Schlagzeug oder Gesang über Mikrofonabnahme) aufnehmen, wie direkt digitale Daten über das Midi-Keyboard einspielen oder einschreiben. Dazu kommen Zubehör-Artikel wie ein USB- oder Firewire-Interface, über die eine externe Soundkarte genutzt werden kann. Diese portable Studio-Lösung ist vor allem bei »Notebook-Nutzern« gefragt. Zur Erweiterung der CPU-Leistung werden vor allem im Profibereich DSP-Karten eingesetzt, da man dort mit extrem hoher Aufnahmequalität (24-Bit/192 KHz) arbeitet.

Die Anbieter dieser Lösungen, beispielsweise Apple oder Steinberg, setzen nun verstärkt auch auf den IT-Channel, denn auch in punkto Studiotechnik ist immer mehr IT-Know-how gefragt. ITK-Fachhändler können in diesem Bereich von attraktiven Margen profitieren.

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INFO

Ableton
www.ableton.de

Apple
www.apple.com/de/logic/

Digi Design
www.digidesign.com

Edirol
www.edirol.it

Mark of the Unicorn
www.motu.com

Reason
www.propellerhead.com

Steinberg
www.steinberg.de


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