Outsourcing in Deutschland

8. Februar 2007, 13:20 Uhr |

Outsourcing in Deutschland IT-Outsourcing ist auch in deutschen Chef-Etagen ein beliebtes Thema. Doch Marktforscher und Berater attestieren den hiesigen Entscheidern mangelhaftes Geschäftsverständnis und Angst vor der Globalisierung.

Outsourcing der IT ist nicht mehr wegzudenken. Schon vor zwei Jahren haben über drei Viertel der Betriebe in Deutschland mit 50 oder mehr Mitarbeitern IT-Aufgaben an spezialisierte Dienstleister als Auftrag vergeben. Bei Firmen ab 250 Mitarbeitern waren es sogar knapp 90 Prozent. Das sind Ergebnisse einer Studie der EU. Und der Trend zeigt nach oben. Neben herkömmlichem IT-Outsourcing breiten sich auch neuere Ansätze wie Utility Computing, Software as a Service, Off­shoring und Business Process Outsourcing aus – hierzulande jedoch mit langsamerem Tempo als in anderen Industriestaaten. So wird einer Studie des Marktforschungs- und Beratungshauses Gartner zufolge in Deutschland das IT-Outsourcing in diesem und im nächsten Jahr deutlich zunehmen. Bis 2010 erwarten die Auguren einen Anstieg des Marktvolumens auf 18,3 Milliarden Euro; 2006 lag es noch bei 12,1 Milliarden. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 8,6 Prozent.

Kostensenkung und mehr
Als Hauptgrund für die zunehmenden IT-Auslagerungen nannten 70 Prozent der Befragten den Wunsch, Kosten zu senken. Außerdem führten viele die Fokussierung auf das Kerngeschäft ins Feld und die Absicht, die eigenen Mitarbeiter für strategischere Aufgaben einzusetzen. Bislang haben jedoch nur 35 Prozent der Unternehmen eine Outsourcing-Strategie, die diesen Namen verdient. Zwar wollen viele Unternehmen in Deutschland in den nächsten Jahren bestehende Outsourcing-Projekte intensivieren oder neue starten. Doch: »Im Vordergrund stehen meist taktische Ziele wie kurzfristige Kostenersparnis«, weiß Gian­luca Tramacere, Principal Research Analyst bei Gartner. Es gebe hingegen oft keine Überlegungen, welche Ziele mit welchem Anbieter mittel- und langfristig erreicht werden sollen. Außerdem sei häufig nicht geklärt, woran der Erfolg gemessen werden soll. Europaweit nennen zwar ebenfalls stattliche 53 Prozent der Befragten Kostensenkung als Motiv für IT-Outsourcing, aber daneben haben auch andere Aspekte einen hohen Stellenwert. Knapp 50 Prozent halten Flexibilität und die ­Be­schleuni­gung der Geschäftsprozesse für wichtige Gründe. In Deutschland sehen das nur 42 Prozent der Befragten so. Tramacere kritisiert die Überbewertung des Kostenaspekts: »Outsourcing-Verträge, die in erster Linie aufgrund von kurzfristigen Kostenaspekten abgeschlossen worden sind, werden mittelfristig mit einer hohen Wahrscheinlichkeit scheitern.« Wesentlich für erfolgreiches IT-Outsourcing seien angemessene Service Levels, Flexibilität und Verständigung zwischen den Vertragspartnern. Die stärksten Zuwächse beim Outsourcing erwarten die Marktbeobachter von Gartner in den Bereichen Help Desk, Storage, Disaster Recovery und Anwendungssoftware. Bei Finanzdienstleistern etwa gebe es noch viele Legacy-Anwendungen, deren Wartung immer kostspieliger werde. Hier könnten Application Service Provider attraktive Lösungen bereitstellen.

Geiz schadet
An der Wahl des Outsourcing-Partners ist der Gartner-Umfrage zufolge hierzulande in 86 Prozent der Fälle die Geschäftsleitung beteiligt. Neben dem Preis sind technische Kompetenz, Erfahrung und Stabilität des Dienstleisters wichtig. Die Anwender schätzen es, wenn die IT-Dienstleister ein klares Preismodell haben, besonders beliebt sind Festpreise. Gartner empfiehlt den Dienstleistern, trotz des Preisdrucks auf die eigene Marge zu achten. Außerdem sollten sie den unternehmerischen Nutzen ihrer Dienstleistung herausstellen und durch regelmäßige Kontakte Vertrauen beim Kunden aufbauen. Den Anwendern empfiehlt Roger Albrecht, der die Consulting-Abteilung von Gartner in Deutschland leitet, eine Balance zwischen Kostenkontrolle und Qualität. Die Unternehmen dürften nicht nur auf kurzfristige Kostenreduzierung abzielen. Vielmehr sollten sie sich vor Abschluss eines IT-Outsourcing-Vertrags Gedanken machen, welche Dienste sie in ein oder zwei Jahren brauchen werden, und dies im aktuellen Vertrag bereits berücksichtigen. »Das ist nur möglich, wenn man die Anbieter nicht auf das absolute Preisminimum drückt«, betont Albrecht. Die in Deutschland beliebte Devise »Geiz ist geil« führe hier nicht zum Ziel, mehr noch: sie sei gefährlich.

Neuere ­Outsour­cing-Ansätze
Auch neuere Outsourcing-Ideen wie IT als Utility oder Offshoring stoßen Gartner zufolge hierzulande bereits auf Interesse. Beim Utility Computing seien die Angebote allerdings noch nicht ausgereift. Die Anwender warten mit konkreten Projekten derzeit noch ab, weil sie offene Punkte bei der Abrechnung, der Sicherheit und auch der Integration mit bestehenden Anwendungen sehen. Beim Offshoring hingegen sei das Geschäft schon in Gang gekommen. Von 12 Prozent im Jahr 2005 werde der Anteil der Unternehmen, die in hohem Maß billige IT-Dienstleistungen aus Schwellenländern nutzen, in diesem Jahr auf 17 Prozent ansteigen. Europaweit werden dies bis 2008 den Selbstbekundungen der Anwender in der Gartner-Umfrage zufolge 20 Prozent der Unternehmen tun.

Bedenken überwiegen
Mehr Zurückhaltung beim Offshore-Out­­sourcing hat indes eine andere ­Er­hebung zutage gefördert. Im Auftrag des Münchner IT-Dienstleisters Softlab hat die Marktforschungsfirma meet­biz-re­search mehr als 400 mittelständische und große Un­ternehmen in Deutschland ­be­fragt. 56 Prozent möchten danach ­ex­ter­ne Un­ter­stützung für ihre IT dezidiert aus deutschen Landen bekommen. 38 Prozent würden sogar ihre Geschäftsbeziehung zu einem hiesigen IT-Dienstleister in Frage stellen, wenn er seinerseits IT-Services in Niedriglohnländer auslagert. Als Hauptgrund für diese Skepsis ge­genüber dem Offshoring nennen 61 Prozent der Un­ter­nehmen Verständigungsschwierigkeiten. An zweiter Stelle steht mit 58 Prozent die Furcht vor zeitlichen Verzögerungen, gefolgt von Produktivitätsnachteilen durch höhere Ausfallzeiten mit 54 Prozent. Klaus von der Osten-Sacken, Mitglied der Geschäftsleitung von Softlab, meint jedoch, dass die Globalisierung auch bei der Bereitstellung von IT-­Services nicht aufzuhalten ist. Statt auf die Risiken sollte man sich auf die Chancen konzentrieren. Vor allem bei standardisierten Dienstleistungen sieht er Chancen, durch Offshoring die ­Kosten zu senken. Die Vorbehalte der hiesigen Anwender bewertet er als ­emotionale Anpassungsschwierigkeiten. Made in Germany ist demnach kein Wert an sich. Laut Osten-Sacken darf der Kostenaspekt nicht isoliert betrachtet werden: »Offshoring-Konzepte lassen sich nicht beliebig in bestehende Verhältnisse integrieren. Sie müssen bereits im Entwurf von IT-Strategien berücksichtigt werden.« Dann seien optimale Kombinationen von deutschen und ausländischen Dienstleistungen möglich. Andreas Stiehler, Analyst bei der Berliner Marktforschungsfirma Berlecon, meint zwar, dass dies ein weiterer Fall sei, in dem deutsche Unternehmen Marktchancen nicht so rasch nutzen wie namentlich britische oder ameri­kanische. Doch sieht er in der Skepsis durchaus eine gesunde Reaktion auf überzogene Versprechen der Anbieter. Schließlich hätten viele IT-Outsourcing-Ideen und -Projekte in der Vergangenheit die geweckten Erwartungen nicht erfüllt.


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