In der deutschen Wirtschaft mangelt es an Fachkräften – besonders im IT-Bereich. Der Arbeitsmarkt scheint das Bedürfnis nicht abdecken zu können. Daher müssen Unternehmen in den eigenen Reihen für Fachkräfte sorgen. E-Learning-Konzepte können diese Mitarbeiterentwicklung unterstützen.
Der Mangel an Fachkräften und Qualifikationen beim Personal bremst Unternehmen weiterhin aus. Laut dem Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung des Instituts der deutschen Wirtschaft hat sich die Fachkräftelücke im Laufe des letzten Jahres mehr als verdoppelt. Im Januar 2021 gab es bundesweit 213.000 offene Stellen, für die es keine passend qualifizierten Bewerber gab; Im Dezember 2021 waren es bereits 465.000 Stellen. Eine ähnliche Entwicklung ist dem Kompetenzzentrum zufolge auch bei den IT-Berufen zu spüren. Im Dezember 2020 gab es hier mit gut 9.800 offenen Stellen einen Tiefstand. Im Oktober 2021 lag die Zahl der fehlenden Fachkräfte allerdings wieder bei 28.700. Eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass die Personallücken auf der mittleren Qualifikationsebene – also bei Personen mit einer Berufsausbildung – besonders groß sind. Unternehmen brauchen deshalb einen Lösungsansatz, wie sie dem Fachkräftemangel entgegenwirken können, auch wenn der Arbeitsmarkt den Bedarf nicht decken kann.
Immer mehr Unternehmen haben festgestellt, dass sie die aktuell und künftig benötigten Fachkräfte und Fähigkeiten nicht allein mittels externer Suche nach entsprechend qualifiziertem Personal finden können, sondern auch durch entsprechende Fort- und Weiterbildung in ihrer Belegschaft aufbauen müssen. Daher steigt die Zahl der Schulungen, die Unternehmen intern anbieten. Das zeigt auch die Untersuchung der Bertelsmann Stiftung. Im Rahmen dieser gaben 40 Prozent der befragten Entscheider an, Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten, um einen Fachkräfteengpass zu vermeiden. Besonders die Nachfrage nach digitalen Schulungen ist in den letzten Jahren – nicht nur im Zuge der Pandemie – stark gestiegen. Bevor sich jedoch mit Schulungsformaten auseinandergesetzt wird, gilt es im ersten Schritt zu ermitteln, welche Qualifikationen und Fähigkeiten in der eigenen Organisation dringend benötigt werden.
Welche Qualifikation fehlen, ist in jedem Unternehmen unterschiedlich. Personal mit gefragten technischen Fähigkeiten ist jedoch besonders rar. Das zeigen nicht nur die offenen Stellen in Deutschland. Auch bei den bereits von Unternehmen genutzten Schulungen zeigt sich ein ähnliches Bild. Hierbei sind vor allem Wissensbereiche wie Datenanalysekompetenz, Power BI und SQL-Datenbankverwaltung beliebt sowie Themen rund um IT-Sicherheit oder Compliance.
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung sind digitale Kompetenzen nicht mehr nur in der IT-Abteilung gefragt. Sie werden mittlerweile in fast jeder Abteilung eines Unternehmens benötigt, da die Mitarbeiter mit immer mehr IT-Systemen und -Tools umgehen müssen. Neben Kenntnissen zur Anwendung der Systeme selbst muss den Nutzern zusätzlich Wissen vermittelt werden, um Sicherheitsvorgaben einhalten und generell mit Daten umgehen zu können. Dieser Aspekt wird oftmals bei der Planung der Investitionen nicht berücksichtigt. Unternehmen sollten nicht nur neue Systeme und Tools anschaffen, sondern immer auch die Schulung der Belegschaft einplanen. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen die Qualifizierungen und den Kenntnisstand ihrer Mitarbeiter kennen und nachverfolgen, um auf dieser Basis geeignete Maßnahmen umzusetzen. Aber ohne die Unterstützung durch digitale Systeme ist es für Human Resources (HR)-Teams und Personalverantwortliche nahezu unmöglich, bei dieser Anforderung die nötige Transparenz herzustellen.
Ein Ansatz, der den Gedanken von Umschulung und Fortbildung weiterentwickelt, kann Unternehmen dabei helfen, aus einer reaktiven Rolle bei der Suche nach Fachkräften zu einer proaktiven Vorgehensweise zu wechseln.
Umschulung oder „Reskilling“
Umschulungen für Mitarbeiter werden notwendig, wenn die Personen in ein komplett neues Aufgabenfeld wechseln. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn bestimmte Aufgabenfelder wegfallen, das Unternehmen die Angestellten aber halten und in anderen Bereichen einsetzen möchte. Auf der anderen Seite kann Umschulung auch durch die Belegschaft selbst angestoßen werden. Sollte bei Mitarbeitern das Bedürfnis bestehen, eine gefragtere Position in einer anderen Abteilung zu füllen, die aber kaum Überschneidungspunkte mit der bisherigen Tätigkeit hat, könnte das Unternehmen eine entsprechende Umschulung anbieten. Wobei je nach Berufsfeld viele neue Fähigkeiten, Kenntnisse, Qualifikationen und Fertigkeiten benötigt werden.
Fortbildung oder „Upskilling“
Weniger umfassende Schulungsmaßnahmen sind nötig, wenn ein Mitarbeiter bereits in einem Berufsfeld tätig ist, das mit dem neuen Berufswunsch verwandt ist. Sind manche Kompetenzen und Fähigkeiten vorhanden, kann eine Fortbildung und Erweiterung der Qualifikationen ausreichen. Gezielte Schulungen können dabei vorhandene und neue Qualifikationen zusammenführen, ausbauen und ergänzen.
Vorausschauende Schulungsmaßnahmen oder „Preskilling“
Vor allem in Hinblick auf den Fachkräftemangel planen viele Unternehmen, das Thema Mitarbeiterqualifizierung strategischer anzugehen. Unter dem Ansatz des „Preskilling“ gehen Personalverantwortliche aktiv auf geeignete Kandidaten zu, die sich für andere Bereiche eignen könnten, in denen künftig qualifiziertes Personal gesucht wird. Dafür können Vorgesetzte und Personalverantwortliche diesen Mitarbeitern anbieten, einige Kurse für zusätzliche Qualifikationen zu absolvieren und die neuen Fähigkeiten bei ein paar unkritischen Projekten auszutesten. So erhalten beide Seiten die Möglichkeit, zu prüfen, ob der Mitarbeiter für die neue Position geeignet ist.
Die Mitarbeiterqualifizierung dabei digital zu unterstützen, kann ebenfalls Vorteile bieten. Besonders wichtig ist, dass Wissen beziehungsweise Schulungsangebote jederzeit und überall abgerufen werden können – besonders dann, wenn sie in der Praxis benötigt werden. Dadurch kann das Lernen auch abseits vom theoretischen Rahmen stattfinden und läuft stattdessen „on the job“. Zudem können die Angebote besser darauf abgestimmt werden, was einzelne Mitarbeiter genau benötigen oder welches Format sie bevorzugen. Mit Präsenzschulungen lässt sich das Lernerlebnis meist nicht so individuell gestalten.
Wichtig sind dabei auch Formate, die sich in den Arbeitsalltag einfügen sowie der direkte Praxisbezug. So ist es wenig sinnvoll, Kompetenzen für ein IT-System aufzubauen, die der Mitarbeiter erst ein halbes Jahr später anwenden kann. Zum einen wird er bis dahin vieles wieder vergessen haben und zum anderen hat sich das System in der Zwischenzeit eventuell verändert oder ist ausgetauscht worden. Sinnvoller ist es daher, Wissen in kurzen und praxisnahen Einheiten anzubieten. Diese können interaktiv sein oder mit anschaulichem Videomaterial begleitet werden, sodass das Lernen niedrigschwelliger umsetzbar ist, Spaß macht und sofort im Arbeitsalltag umgesetzt werden kann. Dabei kann Microlearning eine positive Wirkung haben. Denn so werden Lerninhalte in kleinschrittigen Einheiten vermittelt, oft webbasiert oder über mobile Endgeräte. So werden Mitarbeiter nicht durch zu viele Informationen überlastet und können den Lernprozess immer wieder in den Arbeitsalltag einfließen lassen.
Digitale Lernplattformen haben außerdem die sogenannte „Demokratisierung“ des Lernens vorangetrieben. Denn früher wurde der Hauptanteil des Fortbildungsbudgets oft für teure Führungskräftetrainings oder für Pflichtqualifikationen von Fachkräften ausgegeben. Lernplattformen bieten hingegen die Möglichkeit, allen Mitarbeitern Inhalte zu vermitteln – egal ob Führungskräfte, Fachspezialisten, Berufseinsteiger, Mitarbeiter im Außendienst oder in der Produktion. Lernplattformen eröffnen außerdem die Option, sowohl von Seiten der HR als auch seitens der Mitarbeiter zu prüfen, welche Skills und welche Jobrollen gefragt sind. So kann nicht nur jeder Mitarbeiter seine Karriere in eine zukunftssichere Richtung vorantreiben, das Unternehmen kann auch fehlenden Qualifikationen entgegenwirken. Dieses Wissensmanagement macht die Fertigkeiten innerhalb des Unternehmens transparenter und kann dabei helfen, alle Ressourcen so effizient wie möglich einzusetzen.
Das bedeutet nicht, dass Präsenzschulungen vollständig ersetzt werden sollten. Es gibt sicher in vielen Bereichen spezielle Schulungen oder Teambuilding-Erfahrungen, die besonders gut in Präsenztrainings funktionieren. Digitale Angebote können aber eine Vielzahl von Schulungsbedürfnissen abdecken oder unterstützen. Schließlich ermöglichen die digitalen Lernformen auch „Blended Learning“, also die Verbindung von Präsenzveranstaltungen und digitaler Wissensvermittlung. Dabei können auch virtuelle Klassenzimmer unterstützen, in denen geografisch verteile Teilnehmer zusammenfinden, sodass das Lernen stromlinienförmig gestaltet werden kann und synchron verläuft.
Andreas Rothkamp ist Vice President DACH bei Skillsoft