Standardisierung für Individualisten
Runder Tisch des Forums Infrastruktur und Messtechnik – Ein Treffen namhafter Vertreter der Branche brachte es zutage: Der Industrie liegen der neue IEEE-Standard für 10-Gigabit-Übertragungen über Twisted-Pair-Kabel und der Technologiewandel hin zu konvergenten Systemen am Herzen. Einigkeit herrschte bei der Feststellung, dass nur maßgeschneiderte Angebote zum Erfolg führen.
Für die Kunden gibt es heute keine Allerweltslösung mehr. So könnte das Fazit des Gesprächs lauten, zu dem das Forum Infrastruktur und Messtechnik und Network Computing in die Räume der Redaktion eingeladen hatten. An dem regen Meinungsaustausch nahmen teil:
Emmerich Mueller, R & D-Manager bei Agilent Technologies, Christian Schillab, European-Product-Manager bei Fluke Networks, Thomas Schramm, Leiter Consulting bei Hirschmann, Gerd Filthaut, Director Active-Networking-Systems bei Nexans, Sören Schnapka, Geschäftsführer von Psiber Data, Robert Rohde, Director Marketing-Network EMEA von Tyco Electronics und Bernd Pfeiffer, Manager Marketing-Communications, ebenfalls Tyco. André Gerlach von der Bildungsinitiative der Netzwerk Industrie, kurz BdNI, moderierte die Diskussion.
Erstes und vielleicht auch wichtigstes Thema des Tages waren die Neuerungen des IEEE-Standards 10GBaseTP für 10-Gigabit-Ethernet-Übertragungen über Twisted-Pair-Kabel. Schramm, der auch dem entsprechenden IEEE-Komitee angehört, führte hierzu aus: »Der Standard für 10 Gigabit ist eigentlich schon seit 2002 verabschiedet. Jetzt kommt die Variante für Twisted-Pair hinzu. Endgültig soll dieser Teil bis zum Juni 2006 ratifiziert sein. Darüber hinaus sei der neue schnelle IEEE-Standard nur für die Kabelvarianten Cat.6 und Cat.7 ausgelegt.
Die weltweit weit verbreitete Cat.5-Kabel kämen hier nicht mehr zum Zug. Auch habe das Gremium bisher keine Aussagen zur Integration von Power-over-Ethernet, kurz PoE gemacht. Laut Schramm ist diese neue Ergänzung des IEEE-Ethernet-Standards nicht unbedingt für den Einsatz im Datencenter geeignet.
Die Norm für die schnelle Übertragung mit Twisted-Pair-Kabeln ist noch nicht stabil, so ist auch die Frage der Transceiver bisher nicht geklärt, und entsprechende Messgeräte sind nicht ausgereift. Es handelt sich um eine sehr aufwändige Hochfrequenz-Technologie, die nicht einfach umzusetzen sein wird. Zudem ist eine Verbreitung in Europa aus der Sicht von Schramm derzeit noch fraglich, da die EMV Vorgaben erheblich verschärft werden sollen.
Schnelle Reaktionen nötig
Rohde: »Wir sind Verkabelungshersteller und müssen die Standardisierungsprozesse der IEEE übernehmen. Damit sind wir an diese Gremien angekoppelt. Letztlich ist das für uns ein eher unglücklicher Zustand, da wir zu einem sehr frühen Zeitpunkt reagieren müssen, an dem die Standards technisch einfach noch nicht sehr stabil sind. Hier sehen wir eine große Herausforderung.«
Schramm: »So sehe ich das auch. Wenn der Standard fertig ist, muss er gleich nutzbar sein, sonst geht er unter.«
Rohde: »Sinnvoll wäre eine Synchronisierung zwischen den Gremien des IEEE und der Normierungskomitees der Kabelstandards. Versuche in dieser Richtung wurden gestartet, leider sind sie aus dem Ruder gelaufen. Damit werden wir aber wohl weiter leben müssen.«
Mueller: »Das kann ich bestätigen. Auch für die Hersteller von Messgeräten stellt das eine Herausforderung dar. Wir müssen mit Drafts arbeiten, die ständige Änderungen erfahren, weshalb sich eben auch die Messverfahren im stetigen Wandel befinden.«
Gerlach: »Welche Anforderungen ergeben sich für die Messtechniker im Rahmen der 10-Gigabit-Standards?«
Schillab: »Es sind Aufgabe und Pflicht des Herstellers, den Standard zu beobachten und neue Grenzwerte zu dem Zeitpunkt einzuspielen, an dem er das Gefühl hat, dass diese so bleiben. Es ist ganz wichtig für den Hersteller, in den Standardisierungsgremien mitzuarbeiten. In Fall von 10GBaseTP können wir allerdings davon ausgehen, dass keine weiteren fundamentalen Neuerungen zu erwarten sind. Wir messen Reflexionen und Nebensprechen, sowohl entfernt als auch lokal, und das können die Geräte heute schon. Es gibt eigentlich keine neuen Herausforderungen an die Dynamik. Man kann heute ein Messgerät bauen, dass den neuen Standard mehr als abdeckt. Die größere Problematik ist der Permanent-Link-Channel. Es gibt eigentlich keinen normierten Stecker für diese Messung. Hier ist eine Systemlösung anzustreben, und die Abnahmemessung könnte in Zukunft doch öfter der Channel sein. Allerdings können die Messtechniker Channel- sowie Crosstalk-Messungen anbieten. Gemeinsam mit dem erweiterten Frequenzbereich sind das die Gebiete, die ein Hersteller mehr als abdecken sollte. Es wurde bereits eine Vielzahl von Alien-Crosstalk-Messungen im Feld mit speziellen Adaptern für heute verfügbare Feldtester durchgeführt. Es funktioniert, jedoch steigt der Zeitaufwand pro Etage. Berichte dazu finden sich auf der IEEE-Website.«
Kabel im Chaos
Gerlach: »Stichwort ,chaotische Verkabelung‘: Bisher haben wir den Standpunkt vertreten, eine saubere Verkabelung sei ein Muss, richtige Abstände seien ebenso einzuhalten wie auch alle anderen Vorgaben der strukturierten Verkabelung. Jetzt gibt es Stimmen, die behaupten, die Alien-Crosstalk-Werte seien bei einer völlig chaotische Verkabelung in Tests wesentlich besser bewertet worden als bei einer sauberen Verkabelung.«
Rohde: »Aus unserer Sicht ist das zwar ein denkbarer Ansatz, aber letztlich ist der Kabelhersteller in der Pflicht, die notwendige und gewünschte Funktion sicherzustellen, und das muss durch Produktdesign abgefangen werden. Es gibt Hersteller, die argumentieren, dass ein chaotischer Verkabelungszustand nicht zu vermeiden sei. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass das Problem durch Technologie zu lösen ist. In jeder Phase der Technik haben wir Übergangszeiten. Auch damit muss gearbeitet werden. Auch mit dem Risiko, dass es eben nur eine Übergangsphase ist und es möglicherweise noch zu einigen Veränderungen kommt. Da wir uns derzeit in einer solchen Phase befinden, muss dem Kunden eine Empfehlung für ein Komplettsystem gegeben werden. Wir haben gar keine andere Wahl. Alles andere enthält zu viele Variablen. Deshalb lehnen wir chaotische Verkabelungen ab. Im Gegenteil unsere Produkte müssen noch unabhängiger werden von den ,menschlichen‘ Fehlerquellen, und wir müssen noch klarere Anweisungen geben, wie die Anlage aufzubauen ist. Das Ziel ist es, dass der Installateur ein System auf einfache Weise aufbauen kann, ohne automatisch einen chaotischen Zustand zu hinterlassen. Das geht nur über einen Weg. Sie müssen als Anbieter einfache Lösungen bieten, die auch am Puls der Zeit sind.«
Mueller: »Entsprechende Messungen haben auch gezeigt, dass sich Alien-Crosstalk eben doch verschlechtert, wenn entsprechende Verlegefehler oder andere Faktoren auftreten. Ist ein Kabel geknickt oder anderweitig beschädigt, leiden nicht nur Crosstalk, sondern auch andere Funktionen.«
Schillab: »Man kann in das Kabel nicht hineinschauen, ich kann nicht sehen, ob das Kabel beispielsweise gedehnt ist. Das sind Bereiche, in denen die Qualität des Dienstleisters tragend ist.«
Werkzeug integrieren
Gerlach: »Um auf die Verlegepraxis zu kommen: Ursprünglich gab es den so genannten Mix-and-Match-Ansatz. Die Realität mit Hochfrequenz-Techniken hat aber gezeigt, dass hier wirklich abgestimmte Systemkomponenten zum Einsatz kommen müssen. Für den klassischen Installateur, der aus der Telefontechnik kommt, bedeutet das, er muss hochfrequente Gebilde aufbauen. Damit ist er oftmals überfordert. Gerade vor dem Hintergrund, dass wir neue Standards bekommen und noch kompliziertere Techniken zu verarbeiten haben, möchte die BdNI ein Gütesiegel einführen. Es kommt auf die Verlegetechnik und auf die Produkte an, damit möglichst wenig Fehler bei der Installation unterlaufen. Hier sind die Kabelhersteller auch gefordert. Welche neue Lösungen kommen im Rahmen der Einführung des 10-Gigabit-Standards für Twisted-Pair auf uns zu? Welche Entwicklungen stehen hier an?«
Rohde: »Wir müssen für eine hohe Vermeidungsquote von menschlichen Fehlern sorgen, insbesondere in den Anschlussprozessen. Wir leben in einer Zeit der Minimierung. Die Produkte sind mittlerweile fast schon zu klein, um von Menschen vernünftig bearbeitet zu werden. Wir sind dabei, die entsprechenden Werkzeuge in das Produkt zu integrieren. Hier haben wir die Möglichkeit, den Einfluss des Installateurs relativ klein zu halten. Es sollte so sein, dass der Handwerker nahezu keine Gelegenheit mehr hat, das Produkt falsch zu installieren. Im Klartext gesprochen: Der Installationsprozess muss immer auf die gleiche Weise wiederholbar sein. Letztlich brauchen wir intelligente Produkte gegen die chaotische Verarbeitung. Durch 10-Gigabit auf Twisted-Pair befinden wir uns international in einer großen Neuverkabelungphase. Der Standard arbeitet nicht mit ungeschirmten Kabeln, die weltweit noch bevorzugt werden. Wir sehen derzeit einen Umschwung auf geschirmte Systeme. Die Kunden fordern auch 10-Gigabit bis zum Desktop für die Lebenszeit der Kabel, die ja nach wie vor 15 bis 20 Jahre beträgt.«
Kupfer oder Glasfaser
Gerlach: »Neue Installationstechniken waren bereits bei der Einführung von Cat.7 ein Thema. Die Anforderungen sind hoch und klassische Techniken ausgereizt. Hier hat sich besonders Nexans hervorgetan und neue Stecker hervorgebracht. Wie sieht das jetzt bei dem kommenden Standard aus?«
Filthaut: »Ich persönlich bin seit Jahren ein Verfechter der Glasfasertechnik bis zum Arbeitsplatz und stelle mir die Frage: Warum macht das IEEE den neuen Standard überhaupt? Wo ist die Anwendung? Warum kommt jetzt nicht der Umschwung auf Glas?
Schramm: »Letztendlich ist er bereits da, und 10-Gigabit über Twisted-Pair wird teurer sein als die alternative Glasfaserlösung. Ich sehe es auch so, dass wir sicher auch ohne diesen Standard leben können. Vom Markt wird er aber gefordert.«
Filthaut: »2004 war ein sehr erfolgreiches Jahr für Glasfaser. Das liegt an der Verunsicherung des Markts bezüglich Cat.7. Damit sind den Glasfaser-Lösungen Tür und Tor geöffnet. Die Preise sind ebenfalls stark gesunken, so dass ich mich traue, die Konkurrenz zu Kupfer auszunehmen, und hoffe zu gewinnen.«
Mueller: »Noch sind die Preise nicht tief genug gesunken. Die Prognosen sagen, selbst bis zum Jahr 2008 seien Kupferprodukte noch um den Faktor zwei billiger als Glasfaser.«
Filthaut: »Wenn man lediglich den Meterpreis betrachtet, ist der Vergleich sicherlich problematisch. Anders sieht die Rechnung für eine Lebensdauer von 10 Jahren aus. Einschließlich Platz für Verteilerräume und der Installation stellt sich der Preis durchaus positiv dar. Ich kenne Kunden, die bereits vor Jahren Glas installierten. Jetzt haben sie die dritte Netzwerk-Migration hinter sich und mussten keine Änderungen an ihren Kabeln vornehmen.«
Rohde: »Auch wir können uns der Marktdynamik nicht verschließen. Glaslösungen sind seit Jahren stabil. Und eine entsprechende Kostenrechnung kann durchaus auf Fiber schließen lassen. Aber es gibt Randbedingungen, die es notwendig machen, eine andere Lösung vorzuschlagen. Darüber hinaus fordert der Kunde eher Kupfer.«
Filthaut: »Durch PoE und VoIP ist der Hang hin zu Glaslösungen weiter gefördert worden, weil große Installationen, beispielsweise mit 5000 Arbeitsplätzen, viel Platz für die Zentralsysteme benötigen und eine große Hitze entwickeln. Hier ist das System viel einfacher mit Glas zu realisieren, da auch entsprechende Management-Produkte bereits vorhanden sind. Noch einen Schritt weiter ist es heute bereits möglich, das VoIP-Netz mit 48-Volt-Arbeitsplatz-Systemen weiter zu betreiben, wenn der Strom (230 Volt) ausgefallen ist.«
Rohde: »Das ist aber genau der Punkt. Solche Systeme sind sehr komplex. Der Kabelmarkt ist jedoch viel größer als nur die Großprojekte. Als Massenlösung ist Glasfaser gerade wegen der Komplexität nicht geeignet. Viele Projekte sind keine Neu-, sondern vielmehr Nachverkabelungen. Das prägt natürlich auch die Einstellung der Kunden. Wer bereits Kupfer hat, wird auch bei solchen Kleinstprojekten weiter mit Kupfer arbeiten.
Gerlach: »Grundsätzlich ist es so, dass ich jede Anforderung des Kunden separat betrachten muss. Die „Eier legende Wollmilchsau“ gibt es nicht. Ein Betrieb in einem sehr problematischen Industrie- ist sicher anders zu behandeln als in einem normalen Bürobereich«.
Schramm: »Hier gibt es das Beispiel „Aida“, ein Projekt aus der Automobilbranche. Es arbeitet mit Ethernet, man hat sich aber klar gegen Kupfer entschieden. Auch bei der Bahn ist die Entscheidung zu Gunsten Glasfaser gefallen. Es gibt keine neue Bahn, die nicht mit Glasfaser läuft. Der Weg Richtung Fiber ist eindeutig und was 10-Gigabit-Twisted-Pair anbelangt, muss ich sagen, die Gremien sind wahrscheinlich sehr froh, wenn es endlich läuft. Ich persönlich bezweifle, dass es ein so großer Erfolg wird. Das hängt auch mit den zu erwartenden verschärften Emissionsbestimmungen zusammen.«
Schillab: »Man muss sich fragen, wo 10-Gigabit hinkommen soll. Die erste Applikation wird wohl im Datacenter sein.«
Rohde: »Die Hersteller von Netzwerkgeräten tun auch einiges dazu, 10-Gigabit zu forcieren. Bei vielen Produkten ist es einfach schon drin, man kann gar nicht anders, als es zu kaufen. Die Anwender müssen aber noch lernen, dass, wenn sie das wollen, auch ihre ganze Verkabelung auszuwechseln ist.«
Sackgasse Cat.6
Schnapka: »Da kommt die Frage der Garantie auf. Die Kabelsysteme sind mit einer 20-jährigen Garantie versehen. Die Technologie ist aber viel schnellerlebig. Ein Beispiel ist Cat.6. Es wurde als die Investition in die Zukunft verkauft, und heute stecken die Anwender in einer Sackgasse. Das Gleiche gilt auch für die Testgeräte. Wir haben uns immer den neuesten Technologien angepasst und oft gemeint, das ist es jetzt, eine neue Version wird es nicht geben. Das hat sich noch immer als Irrtum herausgestellt. In der Realität arbeiten die Unternehmen mit zehn Jahre alten Messgeräten mit einigen Software-Updates.«
Rohde: »Eine Garantie ist viel mehr als ein Marketinginstrument. Dahinter steckt eine Anforderung an die Qualität der Produkte und an deren Haltbarkeit.«
Schnapka: »Eine Garantie zählt für mich dann, wenn sie für alle Systeme gilt, auch die, die erst später kommen. Das kann einem schnell ins Gesicht schlagen. Auch hier das Beispiel Cat.6. Alle heutigen Cat.6-Systeme arbeiten mit 1 Gigabit. Da ist die Planungssicherheit, die auch durch Standards entstehen soll, aufgeweicht oder gar aufgelöst.«
Rohde: »Hier existiert ein Mentalitätsproblem. Wir haben alle schon einmal versprochen, dass ein bestimmter Kabelstandard für viele Jahre hält. Jetzt müssen wir einsehen, dass das eben nicht so ist. Die Technologie schreitet voran, und die Verkabelung muss dem angepasst werden. Aber das ist Innovation und passiert nicht nur der Technologie wegen, sondern erfüllt vielmehr die Anforderungen der Kunden. Es wird sehr wohl gefragt, ob es überhaupt einen Markt oder eine Anwendung für einen bestimmten Standard gibt. Ist das der Fall, dann ist es etwas, was man tun sollte. Da gibt es dann aber Systeme, die angepasst werden müssen. Der Netzwerkmarkt ist nicht statisch, sondern dynamisch. Und es liegt an uns, die maximalen Anforderungen zu erfüllen.«
Erweiterung auf Cat.6a
Gerlach: »Konvergente Netze, sprich immer mehr Dienste, konzentrieren sich auf ein Kabelmedium. Das geht von der Industrie- bis hin zur Heimverkabelung. Auch hier muss jeder Kunde als Individuum angesehen werden. So haben alle Systeme ihre Daseinsberechtigung, unabhängig davon, ob es sich um Fiber-to-the-Office oder um einen Industriebereich handelt. Jetzt kommt auch noch Cat.6a ins Spiel. Hier geht es um eine Erweiterung auf 500 MHz.«
Schillab: »Der Kunde wird diese Entwicklung vorantreiben, da Cat.5 nahezu obsolet ist und Cat.6 in der Sackgasse steckt. Es wird sehr schnell solide und stabile Lösungen geben.«
Gerlach: »Die Anforderungen sind noch ein bisschen unklar. Im Gigabit-Verfahren arbeitet man mit allen acht Adern. Jetzt gibt es anscheinend Bestrebungen, wieder zu der ursprünglichen Variante mit vier Adern zurückzukehren.«
Schramm: »Die Diskussion war da und sogar kurz vor der Entscheidung, aber letztlich hat man sich doch dagegen entschieden.«
Rohde: »Für den Bereich der Komponentenherstellung ändert sich bei Cat.6a vermutlich relativ wenig. Die Vorgaben sind ja noch nicht fix. Es ist davon auszugehen, dass sich beispielsweise das Steckverbinder-Design nur im Detail verändern wird. Die gesamte Thematik betrifft vielmehr das Systemdesign. Wie ordne und gestalte ich die Steckverbinder, ist vielmehr das Neue.«
Gerlach: »Ein Laie müsste sich also damit auseinandersetzen, dass im Frequenzbereich von Cat.7 mit 600 MHz keine Möglichkeit existiert, mit RJ45-Steckern zu arbeiten. Mit Cat.6a mit 500 MHz geht das aber nach wie vor. Der Frequenzunterschied ist nicht so hoch. Wie geht das zusammen?»
Schnapka: »Es ist noch immer die gleiche Geschwindigkeit, wie bei Cat.6.«
Schillab: »Es ist nicht nur ein Unterschied der Frequenz. Der wirklich große Unterschied ist in der Nahnebensprechdämpfung »Next« zu finden.«
Rohde: »Es handelt sich vielmehr um ein Fortschreiten von Grenzwertkurven und nicht um eine Anhebung, zumindest keine wesentliche, der Grenzwerte. Das ist technisch eine völlig andere Herausforderung.«
Schnapka: »Für die Hersteller von passiven Komponenten ist das richtig, für die aktiven ist es ein viel größeres Thema. Wir bewegen uns im negativen ACR-Bereich, da ist das Rauschen ein Problemfaktor. Das ist wiederum eine Problematik, die bei Glasfaser nicht auftaucht.«
Schillab: »Bei den Komponenten für Cat.6 gibt es große Reserven, das ist bei Cat.6a nicht mehr der Fall. Das bedeutet, dass der Installateur bei heutigen Cat.6-Komponenten relativ viel Spielraum hat. Bei der Installation von Cat.6a bleibt kein Platz mehr für Fehler. Hier drängt der Qualitätsgedanke sehr weit in den Vordergrund, aber durch Schulungen lässt sich hier Abhilfe schaffen. Es wird auch wahrscheinlich nicht mehr so sein, dass der Dienstleister den Auftrag weiter vergibt, sondern vielmehr geschulte Techniker die Installation vornehmen. Die Frage der Garantie gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das ist die Chance für gut qualifizierte Dienstleister.«
VoIP nicht aufzuhalten
Gerlach: »Für den Bereich Messtechnik bringen VoIP und Konvergenz sicher viele Veränderungen mit sich. Die gesamte Kommunikation auf ein Netz zu bringen, ist schlechthin das heißeste Thema. Was sind derzeit die wichtigen Entwicklungen?«
Schnapka: »Zurzeit gibt es sehr viele Testinstallationen in diesem Bereich. Es kommt allmählich zu einer Marktabdeckung, und der Trend lässt sich nicht aufhalten. Die meisten Kunden sind sich darüber im Klaren und auch bereit zu investieren. Zudem ist VoIP nicht nur über Kabel ein Thema, sondern heiß diskutiert im Wireless-Bereich. Für beide Varianten ist jetzt die Messtechnik gefragt. Vor der Installation gilt es erst einmal zu prüfen: Können wir das überhaupt? Bei Sprachübertragungen ist es nicht so sehr das Problem der Frequenzen, sondern vielmehr treten hier Paketverlust und Jitter in den Vordergrund. Damit sind die Hersteller von aktiven Komponenten wie Switches gefragt.«
Filthaut: »Die heutigen Arbeitsplatz-Switches erfüllen die Kriterien bereits durch entsprechende Quality-of-Service. Wir sehen heute viele zufriedene Kunden. Ich hätte nicht erwartet, dass wir bereits 2005 den Durchbruch erreichen können, aber ich muss meine Meinung da ändern, VoIP hat sich sehr schnell durchgesetzt.«
Schnapka: »Es ist wie mit allen anderen Technologien auch. Zunächst herrscht große Skepsis, und dann wollen es die Leute haben. Damit ist der Durchbruch erreicht.»
Pfeiffer: »In Sachen Wireless-LAN herrscht die Meinung, die Technologie könne die Netzwerkverkabelung ersetzen. Das ist falsch. Das einzige, was Wireless erspart, ist das Patchkabel. Der Access-Point hat immer noch eine Schnittstelle und braucht immer noch ein Kabel.«
Schnapka: »Das Problem bei Voice over Wireless ist, es versucht den DECT-Standard zu ersetzen. DECT ist stabil und Wireless noch vielen Störfaktoren ausgesetzt.«
Filthaut: »Dennoch wird uns das Thema Wireless in den kommenden Jahren noch stärken begleiten. Das geht sogar bis hinein in die Industrie.«
Gerlach: »VoIP lässt sich definitiv nicht aufhalten. Das geht in alle Lebensbereiche hinein, beruflich und privat.«
Schramm: »Die Produkte sind da, und man hat sich auf die entsprechenden Protokolle geeinigt. Die Qualität stimmt mittlerweile auch. So laufen in den USA bereits 30 Prozent aller Gespräche über VoIP, und keiner bemerkt es. Ein Unterschied in der Sprachqualität ist nicht auszumachen. Für Deutschland erwarten wir ähnliche Zahlen bis zum Jahr 2012.«
Rohde: »Für die Verkabelungsindustrie hat VoIP auch eine Bedeutung, das gilt besonders für PoE. Ich greife ein wenig vor, aber wir sehen es als ein Verkabelungsprodukt, wenn PoE im Patchpanel zu realisieren ist. Hier brauchen wir neue Strategien. Der Arbeitstitel lautet ,Electronics Integration‘. Wir werden uns Zug um Zug lösen von der reinen passiven Verkabelung hin zu mehr aktiven Komponenten. Das Gleiche gilt auch für Wireless, obwohl noch ein bisschen weiter entfernt. Wireless ist keine Konkurrenz zur Verkabelung, sondern eine sinnvolle Ergänzung. Das Ziel ist ein integratives Design zwischen Wireless und Kabel.«
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