Tenovis-Übernahme: Dicker Brocken für Avaya

14. Oktober 2004, 0:00 Uhr |

Tenovis-Übernahme: Dicker Brocken für Avaya. Nachdem der US-Netzwerkdienstleister den Frankfurter Tenovis-Konzern übernommen hat, fürchten Distributoren und Systemhäuser in ersten Stellungnahmen eher negative Auswirkungen.

Tenovis-Übernahme: Dicker Brocken für Avaya

Schon seit Monaten munkelte die Branche, dass die US-Investmentgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) ihren Frankfurter TK-Dienstleister Tenovis versilbern wolle. Der Entschluss stand fest, da ein Börsengang in absehbarer Zeit zu kostspielig geworden wäre. Andere Insider befürchteten gar die bevorstehende Pleite der ehemaligen Bosch Telecom, nachdem KKR seit 2002 einen rigiden Sparkurs fuhr. Der Zusammenbruch hat sich nicht bewahrheitet: Am Dienstag letzter Woche gab Avaya bekannt, das Unternehmen für 370 Millionen US-Dollar in bar zu übernehmen. Zusätzlich müssen Schulden in Höhe von 265 Millionen US-Dollar getilgt werden.

Für die Übernahme stehen zwar noch die üblichen behördlichen Genehmigungen und Abschlussbedingungen aus; da die Gefahr einer Monopolbildung nicht besteht, handelt es sich dabei voraussichtlich nur um eine Formsache. Die auf dem europäischen Markt teilweise glücklos agierende Avaya erhofft sich durch ihren Zukauf eine Steigerung des Jahresumsatzes um etwa eine Milliarde Dollar. Die europäischen Umsatzerlöse der Gesellschaft könnten sich nahezu verdreifachen und von etwa zwölf Prozent auf rund 30 Prozent der weltweiten Geschäfte ansteigen. Die Investoren ließen sich bisher von diesen Zahlen nicht beeindrucken: Der Aktienkurs an der New Yorker Börse gab leicht nach.

Durch die Übernahme von Tenovis bekommen die US-Amerikaner den lang ersehnten Zugang zu einer etablierten Vertriebs- und Serviceorganisation ? hierzulande und in den wirtschaftlich wichtigsten, übrigen EU-Staaten. Darüber hinaus verfügt Tenovis über eine breite, europäische Businesskundenbasis. Zusammen mit dem Dienstleistungsangebot und Produktportfolio der Frankfurter kann sich Avaya damit als weit gespannte Netzwerk- und Telekommunikations-Company aufstellen.

Vertriebsstrategie

Noch unbekannt ist, wie sich die Firma künftig in vertrieblicher Hinsicht positioniert. Hier prallen zwei Welten aufeinander: Während Avaya durchweg auf den Partnervertrieb setzt, pflegt Tenovis seinen starken Direktvertrieb. Dieser hat sich in den letzten Jahren mit Niedrigstpreisen und einem von vielen Systemhäusern als rüde beurteiltem Geschäftsgebaren einen zweifelhaften Ruf in der Branche erarbeitet.

Ob sich Avaya künftig die Tenovis-Strategie zunutze macht oder den deutschen Tenovis-Vertrieb auf US-Kurs trimmt, ist gegenwärtig noch unklar. »Zumindest dürfte es eine Herausforderung für Avaya sein, auch in den Köpfen von Tenovis ein Umdenken einzuleiten«, wendet Horst Keitel, Vorsitzender des VAF - Bundesverbandes Telekommunikation, ein. Die Denkweise von Tenovis passe zum Markt von gestern, warnt Keitel gegenüber CRN.

Aus für Distribution?

Ganz ähnliche Bedenken sind auf Seiten der Distribution zu hören: Derzeit werden Avaya-Produkte in Deutschland von den Distributoren Avnet und Westcon vertrieben. »Tenovis ist ein starker Dienstleister und besitzt eine gute Logistik. Ich muss mir ernsthaft die Frage stellen, ob nach der Übernahme noch für einen Distributor Platz ist«, fürchtet Thomas Kleinkuhnen, European Director Data Solutions bei Avnet. Für Avaya sei die Übernahme aber sicherlich ein geschickter Schachzug: »Avayas größtes Problem war bisher, dass sie sich gegen eine straff organisierte Vertriebsmannschaft, wie beispielsweise die von Siemens, mit ihrer Struktur nicht durchsetzen konnte.« Hier dürften nun einige Neuerungen ins Haus stehen.

Cajun-Switches abgekündigt

Die ebenfalls kürzlich bekannt gegebene Abkündigung der Cajun-Switches empfindet Kleinkuhnen hingegen nicht als besonders schweren Verlust: »In der Vergangenheit wurde zu wenig in diesen Produktbereich investiert, um mit den anderen Marktteilnehmern Schritt zu halten.« In der Folge habe sich der Absatz zuletzt auf »homöopathische Dosen« beschränkt. In einer »Avaya Cajun Savings Promotion« wirft Konkurrent Westcon die Avaya-Switches denn auch bereits 30 Prozent unter den Standard-Händlerpreisen auf den Markt.

Auch Rainer Kahl, Geschäftsführer des Hamburger Systemintegrators RK Data Network GmbH, trifft die Einstellung der Cajun-Switches nicht aus heiterem Himmel. »Wir haben die Abkündigung erahnt, schließlich gab es seit rund einem Jahr so gut wie keine Innovation mehr.« Sorgen macht sich der Unternehmer jedoch um den möglichen Verlust der Tenovis-Lösungen: »Hier im Norden ist es sowieso schon schwierig, wenn jetzt noch Tenovis verschwindet, dann kämpfen wir aus dem Mittelstand nur noch gegen die ganz Großen.« Kahl spricht damit vielen Resellern aus der Seele.

Avaya und Tenovis

Avaya wurde erst am 2. Oktober 2000 mit der Ausgliederung aus Lucent Technologies eine selbstständige Gesellschaft. Tenovis blickt hingegen auf eine über hundertjährige Geschichte zurück: 1899 in Frankfurt als Vermieter von Telefonanlagen gegründet, ging aus dem Unternehmen in den 30er Jahren die Firma »Telefonbau und Normalzeit« (Telenorma) hervor. An Telenorma beteiligte sich 1981 die Robert Bosch GmbH, sechs Jahre später übernahm der Bosch-Konzern das Unternehmen als 100-prozentige Tochtergesellschaft. Nach dem Ausstieg Boschs aus dem Telekommunikationsgeschäft übernahm im April 2000 die US-Investmentgesellschaft KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.) den Konzern. Tenovis erwirtschaftete im letzten Jahr einen Umsatz von 890 Millionen Euro und beschäftigt derzeit rund 5.400 Mitarbeiter.

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INFO

Avaya Deutschland GmbH
Westendstraße 195, D-80686 München
Tel. 089 54752-110
www.avaya.de

Tenovis GmbH & Co. KG
Kleyerstraße 94, D-60326 Frankfurt/M.
Tel. 0800 2661-000, Fax 0800 2661-219
www.tenovis.de


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