Thin-Client-Channel an einem Tisch: Schuldzuweisungen helfen nicht weiter

18. November 2004, 0:00 Uhr |

Thin-Client-Channel an einem Tisch: Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Analysten sehen die Entwicklung der Thin-Client-Technologie äußerst positiv ? anders dagegen der Channel: Da Kunden hartnäckig PCs verlangen, verkaufen Fachhändler auch PCs. Von einem gesteigerten Wachstum also keine Spur. Computer Reseller News holte Hersteller, Distributoren und Händler an einen Tisch, um zu klären, wie das Interesse der Kunden zugunsten der zukunftsträchtigen Thin-Client-Technologie geweckt werden kann und wer bei dieser Aufgabe welchen Part zu übernehmen hat.

Thin-Client-Channel an einem Tisch: Schuldzuweisungen helfen nicht weiter

Hans-Jürgen Schwarzbach, Prokurist beim Systemhaus Sandata:
Machen wir uns doch nichts vor: Die Kunden verlangen zwar Serverbased-Computing-Lösungen, aber nicht in Verbindung mit Thin Clients. Sie wollen PCs. Also verkaufen wir ihnen PCs ? eben das, was sie haben wollen.

Hermann Ramacher, Geschäftsführer des Distributors ADN:
Auch wir machen diese Erfahrung leider immer wieder: Der Handel bietet nur dann Thin Clients an, wenn der Kunde ausdrücklich danach fragt. Und wenn die Fachhändler ihren Kunden diese Produkte nicht anbieten, wer dann?

Rolf Braun, Vorstand von Cema:
Es scheint, da verstehen einige Kollegen ihre Aufgabe als Systemhaus offensichtlich nicht ganz richtig. Unser Job ist es doch, den Kunden zu beraten, welche Lösung für ihn den größten Mehrwert bringt und ihm nicht einfach das auf dem Silbertablett zu servieren, was er sich einbildet. Und wenn diese Mehrwertargumentation stimmt, dann hatten wir noch nie ein Problem, den Kunden vom Nutzen der Thin-Client-Lösungen zu überzeugen.

CRN:
Die Initiative, Thin Client-Lösungen zu vertreiben, muss also vom Fachhandel ausgehen?

Ulrich Mertz, Geschäftsführer von Rangee:
Natürlich. Wenn es die Systemhäuser nicht schaffen, den Value Add unserer Produkte zu verargumentieren und sich vom Kistenschieben verabschieden, dann kann die Thin-Client-Branche bald einpacken.

Klaus Himbert, Vertriebsleiter von Esesix:
Da gebe ich Ihnen Recht. Der Fachhandel muss sich überlegen, ob er lieber in eine zukunftsträchtige und langfristig lukrativere Thin-Client-Technologie investiert oder von den dünnen Margen des PC-Vertriebs lebt.

Braun:
Es geht doch nicht um ein »entweder oder«, sondern darum, eine gesunde Mischung zwischen einer PC- und einer Thin-Client-Landschaft zu implementieren. Doch abgesehen davon, ist jedes Systemhaus gut beraten, sich rechtzeitig nach neuen Geschäftsfeldern umzusehen, um sich langfristig eine neue Klientel zu sichern.

CRN: Sie als Hersteller sehen sich also in keiner Weise in der Pflicht, Marketing-Hausaufgaben zu machen und auch den Endkunden mal über Ihre Produkte aufzuklären?

Heiko Gloge, Managing Director bei Igel:
Doch, natürlich. Meiner Meinung nach, müssen wir unsere Botschaft an den Endkunden kommunizieren. Wir als Hersteller müssen klarmachen, wo die Vorteile beim Thin Client Computing liegen. Nur dann werden die Geräte auch aktiv nachgefragt werden. Um diese Investition ins Marketing werden wir nicht herum kommen.

Thomas Ahlemeyer, Country Manager bei Centia:
Richtig, wir können doch nicht einfach abwarten und zusehen, ob die Partner ihren Job richtig machen. Da müssen wir schon selbst aktiv werden. Und da haben wir bisher einen schlechten Job gemacht: Bisher haben es weder Hersteller noch Distributoren geschafft, den Markt so aufzubereiten, dass eine Endkundennachfrage entsteht.

Dominique Donné, Vice President bei Wyse:
Es kann doch aber nicht sein, dass wir Hersteller allein als Aufklärer im Markt auftreten und die Endkunden zum Thin-Client-Computing bekehren. Wofür haben wir denn sonst die Handelspartner, für die wir alle möglichen Programme aufsetzen? Schließlich haben wir uns doch aus diesem Grund für den indirekten Vertriebsweg über die Partner entschieden, um über den Channel unsere Produkte bekannt zu machen.

CRN: Damit befinden Sie sich alle miteinander ja in einem schönen Dilemma: Die Hersteller wollen oder können größtenteils nicht als Marktaufklärer fungieren, sei es weil sie nicht über ausreichende Ressourcen verfügen, um großartig Marketing-Aktionen durchzuführen oder auch weil sie es einfach nicht als ihre Aufgabe sehen. Der Handel verkauft das, was die Kunden verlangen, nämlich PCs, weil diese nichts anderes kennen, aber auch weil sie die Investition in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter scheuen.

Mike Finckh, Manufacturer Representative von DT Research:
Genau das ist es. Welcher Kunde kann sich unter dem Begriff Thin Client etwas vorstellen? Wir als Hersteller müssen anfangen, eine Kommunikation zu pflegen, die den Mehrwert unserer Technologie und unserer Produkte verständlich macht. Wenn wir das in den Griff kriegen, wird auch das Interesse an Thin Clients steigen.

André Weigandt, Geschäftsführer von Linware:
Da haben Sie Recht, der Kunde muss verstehen, welcher Vorteil für ihn sich hinter Thin Clients verbirgt. Aber es ist auch eine Frage des Vertrauens zu seinem Dienstleister: Hat ein Kunde gute Erfahrungen mit seinem Systemhaus, wird er als loyaler Kunde sich auch auf dessen Beratung verlassen ? und Thins Clients kaufen, wenn sie ihm empfohlen werden.

Ramacher:
Wir haben aber noch ein Problem: Der Thin-Client-Markt ist noch immer ein Nischenmarkt, der entscheidend von dem Engagement von Microsoft und Citrix abhängt ? die beide eng mit PCs verbandelt sind. Es wäre wünschenswert, wenn sich diese beiden Hersteller verstärkt für die Verbreitung unserer Technologie einsetzen würden. Doch leider passiert da bis jetzt noch nicht viel.

Thomas Bär, Marketing Manager bei Citrix:
Aber sicher engagieren wir uns um Ihre Technologie. Doch uns geht es in erster Linie um einen ganzheitlichen Ansatz beim Serverbased Computing. Da haben natürlich auch Thin Clients einen Platz. Aber es ist nicht die Aufgabe von Citrix, diese Technologie in den Vordergrund zu stellen. Wir vermarkten schwerpunktmäßig »Access-Lösungen«.

Himbert:
Und das heißt in der Mehrzahl eben PCs. Ich sehe gerade Citrix in der Pflicht, Thin-Client-Computing zu pushen. Schließlich liegen die Wurzeln ihres Unternehmens in den Terminal-Servern. In seinem breiten Partnerkanal könnte Citrix mit gezielten Kampagnen relativ einfach das Bewusstsein für Thin Clients stärken.

CRN: Stellt sich nun die Frage, wie die Teilnehmer des Thin-Client-Marktes konkret vorgehen wollen. Es nutzt ja nichts, den schwarzen Peter einem anderen zuzuschieben. Also: Wie wollen Sie die Endkunden informieren und den Markt aufbereiten?

Himbert:
Dafür haben wir zum Beispiel vor einem Jahr das ETCF (Europäisches Thin Client Forum) gegründet. Seine Aufgabe sollte es sein, Marketing-Maßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit unserer Technologie bei Endkunden bekannt zu machen und eine Nachfrage zu erzeugen. Doch leider sind das Engagement und damit auch die Ergebnisse dieses Gremiums bislang eher mäßig ? viel ist noch nicht passiert.

Wohner, Pressesprecher des ETCF:
Dem muss ich widersprechen, wir haben schon eine Menge getan. So haben sich die Mitglieder des ETCF in diesem Jahr auf der Cebit und jetzt auf der Systems präsentiert. Und nun sind wir gerade dabei, den Auftritt für die Cebit 2005 vorzubereiten. Es geschieht also schon eine Menge.

CRN: Und es gibt noch viel zu tun. Die Diskussionen auf diesem Roundtable haben klar gezeigt, wo die diversen Schwierigkeiten liegen. Nun ist es an Ihnen, zielgerichtet diese Problempunkte anzugehen, Lösungen zu finden und aktiv zu werden ? sei es im ETCF oder in Ihrem Unternehmen.

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Teilnehmer

Rolf Braun, Vorstand Cema
> Thomas Ahlemeyer, Country Manager Centia
> Thomas Bär, Marketing Manager Citrix
> Mike Finckh, Manufacturer Representative DT Research
> Klaus Himbert, Sales Manager Esesix
> Mark Kujath, Product Marketing Manager Fujitsu Siemens
> Heiko Gloge, Managing Director Igel
> André Weigandt, Geschäftsführer Linware
> lka Schröder, Channel Sales Managerin Neoware
> Ulrich Mertz, Geschäftsführer Rangee
> Hans-Jürgen Schwarzbach, Prokurist Sandata
> Dominique Donné, Vice President Wyse
> Evi Hierlmeier, Chefredakteurin CRN
ÿ Christiane Manow, Redakteurin CRN

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Thin Client oder PC?

Der Thin Client-Hersteller Wyse hat ein Marktforschungsinstitut damit beauftragt, herauszufinden, mit welchen Rechnern Anwender lieber arbeiten. Dazu wurden zwei Testumgebungen aufgebaut ? die eine arbeitete mit einem Desktop-PC, die andere mit einem Thin Client, der an einen Server angeschlossen war. Die Geräte waren für die 110 Testperson nicht sichtbar. Die Probanden wurden gebeten, einige alltägliche Aufgaben mit Hilfe der Office-Programme von Microsoft durchzuführen. Danach wurden sie befragt, welche Umgebung sie bevorzugen würden und welche schneller war. Sieben von zehn Testpersonen würden der Studie zu Folge einen Thin Client dem Vorzug geben. Zudem empfanden mehr als doppelt so viele Befragte die Thin Client-Umgebung schneller als den PC.


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