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Interview

»Virtualisierung wird über den Business Value verkauft«

Durch Investitionen in Virtualisierung können Unternehmen die Betriebskosten ihrer IT-Infrastruktur senken. Daran lässtWolfgang Schwab, Senior Advisor bei der Experton Group, keinen Zweifel. Systemhäuser sollten ihre Vertriebsmitarbeiter besser darauf vorbereiten, dass sie den wirtschaftlichen Nutzen der Technologie darstellen können, meint der Experte im <i>CRN</i>-Gespräch.

Autor:Michael Hase • 15.11.2007 • ca. 3:30 Min

CRN: Welche wirtschaftlichen Effekte ergeben sich für den Anwender durch Virtualisierung?

Schwab: Die wirtschaftlichen Effekte von Virtualisierung zeigen sich insbesondere in der einfacheren Administration und dem geringeren Stromverbrauch. Die Administration vereinfacht sich wegen der geringeren Zahl zu administrierender Systeme. Der Stromverbrauch reduziert sich, da im Allgemeinen einige Server und einige Storage-Systeme vollständig abgeschaltet werden können und gleichzeitig für diese Systeme auch keine Kühlleistung und Netzwerkinfrastruktur mehr benötigt werden. Positiver Nebeneffekt für den Anwender ist, dass er in seinem Rechenzentrum weniger Platz benötigt und gegebenenfalls teure Service-Verträge auslaufen lassen kann. Demgegenüber stehen Software- und Maintenance-Kosten für entsprechende Virtualisierungslösungen und natürlich die Projektkosten für die Umstellung des Rechenzentrums.

CRN: Inwiefern lässt sich der Nutzen durch Virtualisierung quantifizieren? Und profitieren Mittelständler – relativ gesehen – in gleichem Maße wie große Anwender?

Schwab: Relativ gesehen profitieren Mittelständler tendenziell sogar noch etwas mehr als größere Unternehmen, da die Kosten pro Kilowattstunde dort eher höher liegen. Wichtiger als die Größe ist aber die Branche. Betriebe mit sehr hohem Stromverbrauch – beispielsweise aus der Aluminium-Industrie – zahlen deutlich weniger pro Kilowattstunde als Unternehmen mit relativ geringem Stromverbrauch. Das Potenzial, das sich durch Virtualisierung erschließen lässt, pauschal abzuschätzen, ist praktisch nicht möglich. Denn dieses Potenzial hängt stark von der Art der Workloads auf den Servern und den Service Level Agreements ab. Ganz grob kann man sagen, dass ungefähr 30 Prozent der Server und 25 Prozent der Storage- Systeme abgeschaltet werden können.

CRN: Laut einer Studie von IDC wird Virtualisierung bislang vor allem bei größeren Unternehmen angewandt, während der Mittelstand noch hinterher hinkt. Teilen Sie die Einschätzung?

Schwab: Nein, wir teilen diese Einschätzung nicht. Sowohl Virtualisierung von Servern als auch von Storage ist bei Unternehmen ab einer Größe von ungefähr 200 bis 300 Mitarbeitern ein Thema. Entsprechende Projekte sind bei rund der Hälfte der Unternehmen entweder in der Umsetzung oder sind zumindest für die kommenden sechs bis zwölf Monate geplant.

CRN: Welche Kompetenzen muss ein Systemhaus besitzen, das Virtualisierungs-Lösungen verkauft?

Schwab: Zu den Kompetenzen sollte neben dem notwendigen Produkt- und Lösungsverständnis unter anderem ein sehr gutes Verständnis für virtualisierbare Workloads gehören. Darüber hinaus muss das Systemhaus, wenn es nicht nur Software verkaufen, sondern Projekte umsetzen möchte, sehr gut auf die jeweiligen Produkte geschulte Mitarbeiter beschäftigen. Die müssen zugleich über exzellente Change- und Projekt-Management- Fähigkeiten verfügen.

CRN: Ein gelegentlicher Einwand kleinerer Unternehmen gegen Virtualisierung bezieht sich auf die Kosten für Software-Lizenzen. Mit dem Geld, so heißt es, könne der Anwender schließlich einen zusätzlichen Server kaufen. Begegnen Ihnen solche Einwände in Ihrem Beratungsgeschäft?

Schwab: Ja, derartige Einwände gibt es, aber eher selten. Wichtiger als einmalige Kosten für Server oder Software sind die kumulierten Betriebskosten, die Total Cost of Ownership (TCO). Betrachtet man die Betriebskosten, so stellt man häufig fest, dass sich die Investition in eine virtuelle Infrastruktur durchaus lohnt. In jedem Fall sollte eine fundierte Analyse des Return on Investment (ROI) vorgenommen werden. Grundsätzlich gilt für Investitionen in die Infrastruktur, dass sie nicht von einzelnen Preispunkten abhängig gemacht werden dürfen. Vielmehr sollten Entscheidungen stets ganzheitlich getroffen werden, wobei die verschiedensten Parameter zu berücksichtigen sind. Dazu zählen unter anderem Ressourcen-Restriktionen wie Strom, Klima und Stellfläche. Weil Virtualisierung diese Restriktionen bei richtiger Umsetzung positiv beeinflusst, spielt diese Technologie bei einer solchen ganzheitlichen Betrachtung eine wesentliche Rolle.

CRN: Die Experton Group hat unlängst in einer Analyse darauf hingewiesen, dass Dienstleister beim so genannten Server Sizing die Infrastruktur oft um 80 bis 200 Prozent zu groß auslegen, weil sich meist mehrere Sicherheitspuffer addieren. Lässt sich, wenn man Virtualisierung in die Planung einbezieht, eine Hardware-Infrastruktur von vornherein »kleiner« dimensionieren?

Schwab: Wenn Sie unter »kleiner« ganz einfach »passend« verstehen, und eben nicht »over-sized«, dann trifft das zu. Weil es wesentlich einfacher ist, zusätzliche Server und Storage-Ressourcen in eine virtuelle Infrastruktur zu integrieren, können die Sicherheitspuffer und die Reserven für zukünftige Anforderungen deutlich geringer ausfallen, so dass daraus im Endeffekt tatsächlich eine kleiner dimensionierte Infrastruktur resultiert.

CRN: Bei komplexen Infrastrukturentscheidungen müssen Reseller oftmals als neutrale Berater ihres Kunden auftreten. Wie steht es in dieser Hinsicht um die Virtualisierungskompetenz der deutschen Systemhaus-Landschaft?

Schwab: Virtualisierungsprojekte gehören derzeit zu den wichtigsten Infrastrukturprojekten. Gleichzeitig sind derartige Vorhaben alles andere als einfach. Zur Kompetenz der Systemhäuser und Reseller bei diesem Thema erstellt die Experton Group gerade eine Studie, deren genaue Ergebnisse uns wohl erst Ende Januar vorliegen. Nachholbedarf sehen wir aber bereits jetzt beim Training der Vertriebsmitarbeiter, die bei vielen Systemhäusern wesentlich intensiver geschult werden müssten. Denn Virtualisierungsprojekte können sehr komplex sein und werden in erster Linie über wirtschaftliche Vorteile verkauft. Das heißt, es geht nicht um Features and Functions, sondern um Business Value. Und diesen Mehrwert für das Geschäft des Kunden gilt es im Vertriebsprozess herauszustellen.

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