Zusammenschlüsse erfordern einheitliche IT. Fusionen von Unternehmen müssen gut geplant werden. Bei der HSH Nordbank sorgten die Verschmelzung der IT und die Zusammenführung der Telekommunikationsnetze dafür, dass es zu keiner Unterbrechung der Arbeitsfähigkeit kam.
Die HSH Nordbank ging aus der Fusion der Landesbank Schleswig-Holstein und der Hamburgischen Landesbank hervor. IT und Telekommunika-tion spielen eine wesentliche Rolle.
Foto: HSH Nordbank
"Jedes Unternehmen besitzt eine ganz eigene IT-Landschaft, die über viele Jahre gewachsen ist und den geschäftlichen Erfordernissen immer wieder angepasst wurde", weiß Knut Jessen, Chef des Bereichs IT-Services der HSH Nordbank und Leiter des dortigen Fusionsprojektes "Zusammenführung dezentrale Systemarchitektur". Das war bei der Landesbank Schleswig-Holstein und der Hamburgischen Landesbank nicht anders. Um den zirka 4500 Mitarbeitern der neu zu schaffenden HSH Nordbank von Anfang an die Arbeit in einer einheitlichen Umgebung zu ermöglichen, begann die technologische Kooperation der beiden IT-Abteilungen der damals selbständigen Geldhäuser bereits zwei Jahre vor dem eigentlichen Fusionszeitpunkt im Juni 2003.
Man hatte sich vorgenommen, die Betriebssystemumgebungen auf ähnliche Versionen zu bringen und die Netzwerke so zu verknüpfen, dass statt zweier unabhängiger Firmen zwei Standorte desselben Unternehmens miteinander kommunizieren. Die technischen Prozesse mussten harmonisiert werden, um den einheitlichen Betrieb der Umgebung zu ermöglichen. Neben der Einführung einer einheitlichen Störungs-Hotline wurde anhand von Service-Levels geregelt, wie der Betrieb trotz möglicher Systemstörungen aufrechterhalten werden kann.
In einem Migrationsprojekt der Anwendungen wurde zunächst die Zielarchitektur festgelegt. Von den drei Möglichkeiten, die zur Wahl standen - aus beiden Häusern die jeweils besten Applikationen zu verwenden, eine komplett neue IT einzuführen oder die Anwendungen eines Hauses zu nehmen - entschied man sich nach Prüfung von Kosten und Nutzen dafür, auf die IT-Systeme der ehemaligen Landesbank Kiel zu migrieren. "Statt viele parallele Baustellen zu schaffen, haben wir damit auf eine bereits sehr gut funktionierende Lösung gesetzt", erklärt Jessen.
Knut Jessen, Leiter des Bereiches IT-Services der HSH Nordbank, baut wegen der Fusion eine einheitliche Systemarchitektur auf.
Foto: HSH Nordbank
Als eine der wichtigsten Maßnahmen für die Vereinheitlichung der IT-Landschaft wurden im Jahr 2003 die einzelnen Arbeitsplätze umgestellt: Jeder Mitarbeiter erhielt denselben HSH Nordbank-PC. "Auf dieser Grundlage", beschreibt Jessen die kommenden Anforderungen, "werden nun die Betriebsprozesse in den einzelnen Abteilungen sukzessive zusammengeführt." So fließen die Bereiche der Kreditsachbearbeitung zusammen. Sie können ihre Geschäfte zukünftig einheitlich abwickeln. Das bedeutet, dass die Sachbearbeiterin in Hamburg zukünftig die gleichen Anwendungen und Werkzeuge wie ihr Kieler Kollege benutzen wird, und auch die Datenbestände können dann migriert werden.
Auch die Zusammenführung der Telekommunikationsnetze sollte nicht unterschätzt werden, wenn die Mitarbeiter des neuen Geldinstituts nach der Fusion ohne Unterbrechung gut erreichbar bleiben sollen. Die Integration der Telekommunikationsnetze der HSH Nordbank ging schneller voran als die Vereinheitlichung der IT-Landschaft, doch auch hier nahm die Planung einige Zeit in Anspruch.
"Schon viele Monate vor der Fusion haben wir darüber nachgedacht, wie wir zum Stichtag die Telekommunikation technisch und organisatorisch zusam-menschalten", erinnert sich Projektleiter Jessen an die ersten Schritte. Seine Vision: die rund 8600 Rufnummern für die Apparate auf den Schreibtischen, für zusätzliche Schnurlostelefone, für Vermittlungs-, Service- und Händler-Plätze sowie für die vielen Faxgeräte am "Tag X" auf einen Schlag umzuschalten.
Das entsprach den Wünschen des Marketings: Die beiden Standorte in Hamburg und Kiel, an denen das fusionierte Unternehmen seinen Sitz hat, waren mit den verschiedenen Niederlassungen nahtlos zu verknüpfen. Und sowohl in Hamburg (zirka 1900 Mitarbeiter) als auch in Kiel (zirka 1800 Mitarbeiter) sollten am ersten Arbeitstag nach der Fusion sämtliche Arbeitsplätze über neue Telefonnummern nach einheitlichem Schema verfügen. Alle Faxgeräte sollten umgestellt sein und sich mit einer aktuellen Kennung melden. Vor allem aber: Jeder Kunde, der anrief, sollte angemessen bedient werden - egal, ob er schon die neue Rufnummer seines Sachbearbeiters wusste oder es noch an der alten Nebenstelle versuchte.
Es galt außerdem, alle siebzehn Siemens-Hipath- beziehungsweise Hicom-Systeme der neu entstehenden HSH Nordbank untereinander zu vernetzen und gleichzeitig die vorhandenen Applikationen wie Voice-Mail, Display-Telefonbuch, Cordless-Systeme und Sprachaufzeichnung neu zu implementieren. Unterstützung bei der Bewältigung dieser komplexen Aufgabe fanden die Banker bei Siemens Information and Communication Networks (ICN). Es entstand ein gemeinsames Konzept, im Rahmen dessen Schritt für Schritt geklärt wurde, welche Anforderungen auf welche Weise realisiert werden konnten. Bis Ende März 2004 wird jeder Anruf von einer Person entgegengenommen, die den Kunden über das neue Rufnummern-Schema informiert und ihn außerdem mit dem gewünschten Gesprächspartner verbindet.
"Wir haben die Konsequenzen dieser und anderer Entscheidungen mit unserem Marketing abgestimmt," erläutert Jessen, "denn gerade das Telefon ist häufig die erste und immer eine wichtige Schnittstelle zum Kunden." Welche Wirkung jede einzelne Maßnahme auf den Kunden habe war deshalb eine der Leitfragen in der Konzeption der Fusion. Das neue fünfstellige Nebenstellen-Schema vereinheitlicht die Durchwahlnummern der beiden vernetzten Hauptstandorte. Es gibt keine Doppelungen mehr und nur noch ein Vermittlungs-Call-Center. Das hat zwei Vorteile: In Verbindung mit der Nebenstellen-Nummer "seines" Sachbearbeiters kann jeder Kunde wahlweise die HSH-Nordbank-Nummer von Hamburg oder die von Kiel benutzen. Die Verbindung wird immer zum richtigen Anschluss aufgebaut - unabhängig davon, ob der Mitarbeiter seinen Schreibtisch in Hamburg oder in Kiel hat.
Daraus ergibt sich ein zweiter, sicherheitsrelevanter Nutzen: Sollte - was unwahrscheinlich ist - eine der Verbindungen zum öffentlichen Netz ausfallen und dadurch die Einwahl zum Beispiel über Hamburg unmöglich sein, können Kunden jeden Arbeitsplatz immer noch über die Kieler Einwahl erreichen - und umgekehrt. Ohnehin ist die Betriebssicherheit des TK-Netzes von nicht zu unterschätzender Bedeutung: "Fällt das Telefon auch nur für einen Bruchteil der Arbeitszeit aus, entstehen Ärger und Kosten", sagt Markus Zuhmann, Sales Manager Financial Services im Vertrieb Deutschland von Siemens ICN. Auch die Betriebssicherheit des TK-Netzes, Kostenaspekte, Marketing-Anforderungen, organisatorische und technische Fragen fanden in dem Umstellungskonzept ihre Berücksichtigung.
In enger Abstimmung zwischen Jessen und Zuhmann entstand ein Plan für den genauen Ablauf: Sechs Wochen vor dem Tag der Umstellung wurden die bestehenden TK-Strukturen eingefroren. Ab dann ließen sich Änderungswünsche nur noch zu Protokoll geben, um sie nach der Umstellung zu implementieren. Sicherungskopien von allen elektronischen Telefonbüchern entstanden. Die genauen Standorte sämtlicher Faxgeräte waren zu ermitteln, denn die Absenderkennungen mussten an jedem Gerät von Hand geändert werden. Und bis ins Detail wurde festgelegt, welche alte Rufnummer durch welche neue Rufnummer zu ersetzen war. Es galt, Projektrisiken und Problemfälle vorherzusehen - und überdies eine Art Notbetrieb der Bankgeschäfte zu gewährleisten.
Denn am Fusionswochenende war ja nicht nur die Telekommunikation umzustellen. Auch zahlreiche andere Aufgaben, die sich aus dem Zusammenschluss ergaben, ließen sich nur an diesen Tagen durchführen: Allein 250 Mitarbeiter der HSH Nordbank waren damit beschäftigt, Abläufe zu vereinheitlichen, Formulare auszutauschen, Zuständigkeiten zu definieren, den neuen Internet-Auftritt scharf zu schalten und vieles mehr. Neben einer generalstabsmäßigen Planung sorgte der Projektpartner Siemens ICN auch für personelle und technische Redundanzen und traf Vorkehrungen für unvorhersehbare Fälle.
Mittelfristig werden die Telefonkosten sinken, weil einheitliche Serviceprozesse Geld sparen, erwartet die Nordbank. Ein standortübergreifendes Betriebskonzept vermindert außerdem den Personaleinsatz für Wartungsarbeiten. Nicht zuletzt dämpfen feste Verbindungen zwischen den Niederlassungen und durchgängige Infrastrukturen die Gesprächsgebühren, weil das öffentliche Netz weniger in Anspruch genommen wird.