Der Hype um das Thema Desktop-Virtualisierung kennt keine Grenzen. Tatsache ist: Eine Virtual Desktop Infrastructure kann zumindest langfristig Kosten und Administrationsaufwand senken. Doch reicht das aus, um sich gegen die bewährten Terminal-Services durchzusetzen?
Das Ergebnis der Diskussion um Kostenoptimierung und Green IT lautet immer öfter Virtualisierung und Server-Based Computing (SBC). Ziel dabei ist es, Rechenleistung und Datenhaltung ins Rechenzentrum zu verlagern. Das reduziert den Administrationsaufwand und erhöht die Sicherheit. Moderne Virtualisierungstechnik erfordert zudem keine Umstellung auf Seiten der Anwender, da diese – zumindest virtuell – mit ihren gewohnten Desktops arbeiten.
Desktops oder Anwendungen virtualisieren
Virtualisierung ist ein sinnvoller Schritt. Doch die entscheidende Frage lautet: Für welche Technik soll sich ein Unternehmen entscheiden? Derzeit bemühen sich zwei Ansätze um die bestmögliche Beantwortung dieser Frage: Virtual Desktop Infrastructure (VDI) und Terminal-Server (TS, die bislang dominierende SBC-Variante). In einer VDI-Umgebung erhält jeder Anwender „seinen eigenen“ Desktop. Dieser enthält ein voll funktionsfähiges Betriebssystem und alle benötigten Anwendungen. TS hingegen basiert auf einer einzigen, Server-seitigen Betriebssysteminstallation, über die Anwendungen in Form von Sessions veröffentlicht werden.
Während Microsoft die Terminal-Services seit der Einführung von Windows 2000 Server konsequent weiterentwickelt hat und TS für Administratoren mittlerweile leicht beherrschbar ist, handelt es sich bei VDI um eine noch vergleichsweise junge Technik. Erfahrungen im Langzeitbetrieb und die damit verbundenen Kosten sind noch nicht endgültig absehbar. Microsoft äußert sich außerordentlich vorsichtig und stellt fest, dass VDI nicht zwingend zu einer Verringerung der Desktop- oder der Gesamtbetriebskosten führt.
VDI und TS bringen spezifische Vor- und Nachteile mit sich. So liegt der Hauptvorteil der Terminal-Services in der komfortablen und einfach skalierbaren Nutzung von Standardanwendungen. Moderne TS-Lösungen entkräften Argumente, die Unternehmen bisher von dieser Technik abgehalten haben. So müssen Anwender heutzutage weder auf einen personalisierten Desktop verzichten, noch Anwendungen mit anderen Benutzern teilen, was eine Individualisierung der Applikationen verhindern würde. Für die IT-Abteilung hingegen zählt in erster Linie der im Vergleich zu einer klassischen Client/Server-Struktur geringe Administrationsaufwand – gerade bei mittleren bis hohen Anwenderzahlen.
Damit argumentieren zwar auch die Hersteller von VDI-Lösungen. Tatsächlich wird die Administration virtueller Desktops aber mit steigender Anzahl komplexer und aufwändiger. Im Gegenzug bietet die VDI-Technik Vorteile, wenn es um die Abgrenzung kritischer Anwendungen geht. Eventuelle Kollisionen oder kritische Speicherauslastungen erfolgen hier stets nur innerhalb einer virtuellen Maschine und nehmen damit keinen Einfluss auf Stabilität und Integrität anderer Desktops. Im TS-Umfeld kann nur ein intelligentes Anwendungs-Management entsprechende Probleme verhindern.
Entscheidend bei jeder Form der Virtualisierung ist, dass der Anwender alle benötigten Anwendungen wie gewohnt nutzen kann. In der Vergangenheit kam es bei den Terminal-Services immer wieder zu Inkompatibilitäten, sodass sich bestimmte Anwendungen nicht über die TS-Technik veröffentlichen ließen. Diese Schwierigkeiten hat man mittlerweile im Griff. Sogar anspruchsvolle Applikationen wie etwa Datev, die aus zahlreichen Modulen bestehen, laufen heutzutage in Terminal-Server-Umgebungen – eine entsprechende Management-Lösung vorausgesetzt.
Auch die Desktop-Virtualisierung kann im Zusammenspiel mit bestimmten Anwendungen Probleme bereiten – insbesondere dann, wenn sie sich nicht dynamisch in einen virtuellen Desktop „streamen“ lassen. In diesem Fall gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Problem zu umgehen: Die betroffenen Anwendungen werden für jeden berechtigten Anwender in einer eigenen virtuellen Maschine installiert, der Administrator erstellt unterschiedliche Master-Betriebssysteme oder integriert all diese Anwendungen in eine Master-Maschine, sodass jeder Anwender darauf Zugriff erhält. Es ist ebenso möglich, die Anwendungen lokal auf den Rechnern der entsprechenden Anwender zu installieren. Kosten- und Verwaltungsaufwand steigen in jedem Fall an.
Immer aktuell: das Thema Kosten
Obwohl TS und VDI sehr ähnliche Strategien verfolgen, driften die Kosten für Erstanschaffung und Betrieb auseinander. Ein großer Teil der Implementierungskosten entfällt auf die Server-Hardware. Hier erfordert die Desktop-Virtualisierung – insbesondere bei einer großen Anzahl an Desktops – eine deutlich höhere Rechenleistung als die Verteilung von Anwendungen via Terminal-Server-Technik. Zudem erfordern die virtuellen Desktops eine vergleichsweise hohe Speicherkapazität, da jede virtuelle Maschine ein vollwertiges Betriebssystem inklusive aller lokal installierten Anwendungen beinhaltet. Eine Trennung von Betriebssystem und Anwendungen ist zwar möglich, erhöht jedoch den Verwaltungsaufwand signifikant. Denn auch die viel zitierten Heilsbringer Thin Provisioning und Deduplication leisten hier oft nur unzureichend Abhilfe.
So trennt Thin Provisioning ein unveränderbares Master-Image des Desktops von den individuellen Änderungen (Delta Files) des Anwenders und führt diese bei jedem Abruf des Desktops dynamisch wieder zusammen. Doch was nutzt das, wenn die Delta Files innerhalb kürzester Zeit stark anwachsen? Dagegen hilft nur, keine Änderungen am virtuellen Desktop zuzulassen, was jedoch wiederum die Produktivität der Anwender nachhaltig einschränken könnte. Eine zufriedenstellende Lösung für dieses Dilemma ist bisher noch nicht in Sicht. Bis dahin muss ein Unternehmen mit ausreichend hohen Budgets für entsprechenden Storage kalkulieren.
Bei den Terminal-Services hingegen teilen sich viele Sessions ein zugrunde liegendes Betriebssystem. Dies senkt die Beschaffungskosten der Server-Hardware, und der gemeinsam genutzte Festplattenspeicher kann kleiner ausfallen, da alle Anwender auf denselben Datenbestand und dieselben Applikationen zurückgreifen. Weitere Kostenblöcke entstehen durch die Zugriffslizenzen und erforderliche Zusatzprogramme. Für einen detaillierten Kostenvergleich sei auf den LANline-Artikel „Auch virtuelle Desktops kosten reales Geld“ in Ausgabe 2/2009, Seite 9, verwiesen.
Server-Based Computing ist zu Recht auf dem Vormarsch. Unternehmen können Prozesse optimieren, Kosten wie Administrationsaufwand senken und obendrein ihr grünes Gewissen beruhigen. Dabei kann die Entscheidung für VDI oder Terminal-Services je nach Anforderung die richtige sein – ebenso wie eine Mischung aus beiden Welten. Vorhandene Infrastrukturen zugunsten einer konkurrierenden Technik abzulösen, ist hingegen in den wenigsten Fällen sinnvoll. Vielmehr bietet sich die Koexistenz beider Techniken an.