Mehr Bandbreite, weniger Störungen, geringere Latenz – das neue Wi-Fi 7 ermöglicht die Umsetzung spannender Use Cases in vielen Branchen. Allerdings sollten Unternehmen mögliche Stolpersteine und alternative Technologien im Blick behalten.
Auf bis zu 46 Gigabit pro Sekunde soll das auf dem WLAN-Standard 802.11be basierende Wi-Fi 7 den Datendurchsatz in drahtlosen Netzwerken nach oben schrauben – das ist fast das Fünffache des Vorgängers Wi-Fi 6E. Dennoch wird man der neuen Funktechnologie nicht gerecht, wenn man sie allein auf die deutlich höheren Geschwindigkeiten reduziert. Wi-Fi 7 bringt darüber hinaus nämlich erhebliche Verbesserungen bei der Stabilität der Verbindungen und der Latenz und eignet sich somit nicht nur für Use Cases, in denen große Datenmengen übertragen werden müssen, sondern auch für Umgebungen mit sehr vielen Endgeräten sowie Anwendungen mit Echtzeit-Anforderungen.
Umgebungen mit vielen Endgeräten, die sich in älteren WLAN-Netzen schnell gegenseitig behindern können, sind beispielsweise Büros, Einkaufszentren oder öffentliche Gebäude – also Orte, an denen üblicherweise viele Menschen zusammenkommen und mit ihren Mobilgeräten online gehen wollen. Zu den Anwendungen mit Echtzeit-Anforderungen zählen unter anderem das Streaming hochauflösender Videos, Online-Konferenzen und Remote Collaboration, aber auch Augmented und Virtual Reality zur Schaffung immersiver Lern- und Gaming-Erfahrungen oder bei der Remote-Unterstützung von technischen und medizinischen Fachkräften.
Darüber hinaus ist die Kombination aus schneller, verzögerungsfreier Kommunikation und hoher Stabilität in der IoT-Welt praktisch, etwa bei der Automatisierung von Fertigungsstraßen, dem Bestandsmanagement in großen Lagern oder der Überwachung und Steuerung von Systemen in einem Smart Building. Und auch Forschungseinrichtungen, Finanzinstitute und andere Organisationen, die Daten mittels KI in Echtzeit analysieren, können von Wi-Fi 7 profitieren. Der neue Funkstandard ist äußerst vielseitig und kann fast überall zum Einsatz kommen, wo sich keine Kabel verlegen lassen oder Mobilgeräte angebunden werden müssen.
Für die höheren Geschwindigkeiten sorgt bei Wi-Fi 7 neben einem neuen Modulationsverfahren (4K QAM), das die Datendichte bei der Übertragung erhöht, vor allem die auf 320 MHz verdoppelte Kanalbreite im 6-GHz-Frequenzband. Allerdings ist in Deutschland und der EU bislang nur ein Spektrum zwischen 5.925 und 6.425 MHz für WLAN freigegeben, was lediglich für einen einzigen 320-MHz-Kanal reicht. Das heißt, es kann zu Interferenzen kommen, wenn sich Funkzellen überlappen. Zum Vergleich: In den USA und Kanada beispielsweise darf WLAN das gesamte Spektrum von 5.925 bis 7.125 MHz nutzen, wodurch drei solcher Kanäle nebeneinander möglich sind und sich benachbarte Funkzellen besser aus dem Weg gehen können.
In den meisten Umgebungen dürfte die Beschränkung auf einen Kanal mit 320 MHz zu verschmerzen sein. In KRITIS-Umgebungen oder in der Produktion, mit ihren exakt aufeinander abgestimmten Abläufen, könnte es jedoch schwierig werden, höchste Anforderungen an Bandbreite und Stabilität zu erfüllen. Trotzdem ist Wi-Fi 7 insgesamt weniger störanfällig als die Vorgängergenerationen – unter anderem durch verbessertes MU-MIMO und OFDMA. MU-MIMO steht für „Multi-User Multiple Input, Multiple Output“ und erlaubt es nun, einzelne Geräte zielgerichtet über bis zu 16 Antennen anzusteuern, um die Interferenzen in stark frequentierten Netzen zu verringern. OFDMA steht für „Orthogonal Frequency-Division Multiple Access“ und unterteilt die Funkkanäle in kleinere Einheiten – bislang, um mehrere Geräte parallel zu bedienen und die verfügbare Bandbreite effizienter zu nutzen. Bei Wi-Fi 7 lassen sich nun jedoch mehrere dieser sogenannten Ressource Units einem einzelnen Gerät zuweisen, was es erlaubt, einen gestörten Frequenzbereich in einem Kanal quasi auszublenden – der Kanal wird nicht komplett unbrauchbar und muss nicht gewechselt werden.
Wie schon Wi-Fi 6E funkt auch Wi-Fi 7 in drei Frequenzbändern (2,4, 5 und 6 GHz), kann diese dank Multi-Link Operation (MLO) aber erstmals gleichzeitig nutzen. In Netzen mit vielen Verbindungen können Access-Point und Client dadurch nahtlos zwischen zwei Bändern (oder zwei Kanälen im gleichen Band) hin- und herwechseln, um Leistungseinbußen oder Verbindungsabbrüche zu vermeiden. Alternativ dazu ist die parallele Übertragung identischer Datenpakete möglich, um die Zuverlässigkeit der Übertragung zu erhöhen – allerdings braucht der Client dafür mehr als ein Funkmodul. Sowohl die Kommunikation in drei Frequenzbändern als auch die Verbesserungen in MU-MIMO und OFDMA senken zudem die Latenz auf unter 5 Millisekunden.
Die Vorteile von Wi-Fi 7 im Überblick |
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Die Weiterentwicklung von Wi-Fi hin zu Version 7 bringt zahlreiche Vorteile für private und industrielle Nutzer:
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Noch ist Wi-Fi 7 recht neu – die Zertifizierung von Geräten durch die Wi-Fi Alliance ist erst zu Jahresbeginn angelaufen. Daher ist die Zahl der verfügbaren Geräte außerhalb des Consumer-Bereichs vergleichsweise überschaubar. Zwar gibt es schon einige Access-Points und Router für den Enterprise-Einsatz, aber beispielsweise noch keine robusten, industrietauglichen Modelle und abseits von Notebooks, Tablets und Smartphones auch kaum Clients. Bei der Ausstattung von Büros oder öffentlichen Gebäuden mit einem modernen Funknetzwerk sollte das kein Hindernis sein – zumal alle Wi-Fi-Generationen abwärtskompatibel sind, sodass ältere Clients problemlos mitfunken können, wenn auch mit geringeren Datenraten. In anderen Use Cases kann es mangels Geräten jedoch schwierig bis unmöglich sein, die Technik zu evaluieren und Projekte, die nach hoher Bandbreite und geringer Latenz verlangen, zeitnah umzusetzen. In diesen Fällen lohnt ein Blick auf die Alternativen: 5G und Wi-Fi 6E.
5G hat seine Stärken in der geringen Latenz, großen Reichweite und dem reibungslosen Wechsel zwischen verschiedenen Funkzellen. Damit ist der Mobilfunkstandard optimal für Echtzeit-Reaktionen, die Vernetzung von Freiflächen und die Anbindung von autonomen Transportfahrzeugen, mobilen Robotern oder Drohnen geeignet. Im Hinblick auf Privacy und Security kann ein in sich geschlossenes privates 5G-Netz zusätzlich punkten. Der Aufbau eines privaten 5G-Netzes ist allerdings mit hohen Investitionen verbunden und braucht daher meist mehrere Use Cases, damit er sich lohnt. Zudem haben Unternehmen in der Regel keine Erfahrung mit Mobilfunktechnologien und sind auf umfangreichere externe Unterstützung als bei WLAN-Projekten angewiesen.
Wi-Fi 6E ist technisch deutlich weniger herausfordernd und bietet sowohl hohe Bandbreiten als auch niedrige Latenz, selbst wenn es diesbezüglich nicht mit 5G oder Wi-Fi 7 mithalten kann. Da bereits ein breites Angebot an Access-Points und Clients existiert und Wi-Fi 6E wie Wi-Fi 7 im 6-GHz-Frequenzband funkt, können Unternehmen gut evaluieren, wie viele Access-Points sie benötigen, wo sie diese positionieren müssen und ob es möglicherweise Konflikte mit anderen Technologien wie Ultra Wide Band (UWB) gibt, die ebenfalls dieses Frequenzband nutzen. Erfüllt Wi-Fi 6E alle Anforderungen, können sie den Funkstandard einführen und in einigen Jahren im Rahmen eines Hardware-Refresh auf Wi-Fi 7 umsteigen – bis dahin dürfte sich das Angebot an Clients und robusten Lösungen für die Industrie deutlich vergrößert haben.
Bei der Einführung von Wi-Fi 6E und 7 müssen Unternehmen berücksichtigen, dass hohe Frequenzen eine geringere Reichweite bedeuten und 4K QAM ein hohes Signal-Rausch-Verhältnis erfordert, um hohe Datenraten zu erreichen. Für eine gute Abdeckung im 6-GHz-Bereich und schnelle Datenübertragungen werden daher mehr Access-Points benötigt als bei den früheren Wi-Fi-Generationen, die nur das 2,4- und/oder 5-GHz-Frequenzband sowie ältere Modulationsverfahren nutzen. Das kann die Projektkosten erhöhen. Zudem kann es sinnvoll sein, erfahrene Dienstleister hinzuzuziehen, die Ausleuchtungsservices bieten und auch bei der Integration ins kabelgebundene Netzwerk unterstützen – sowie gegebenenfalls bei dessen Modernisierung. Denn ältere LANs können keine 30 Watt und mehr via Power over Ethernet (PoE) liefern, um Wi-Fi-7-Access-Points optimal mit Strom zu versorgen, und mit geringeren Bandbreiten leicht zum Flaschenhals bei Datenübertragungen werden. Sprich: Ohne ein leistungsfähiges LAN verpuffen die Vorteile von Wi-Fi 7 weitgehend und die meisten Use Cases lassen sich nicht erfolgreich umsetzen.