»Für Open Source-Software gibt es keinen Sonderstatus«
Ralf Allrutz, Mitgründer des Tübinger Dienstleisters Science + Computing, sieht den Optimismus der Open Source-Szene, was das künftige Marktpotenzial offener Software angeht, eher skeptisch. Eine Prognose, wie sich Open Source entwickelt, hält der Linux-Experte für schwierig.
CRN: Profitieren Anbieter von Open Source-Lösungen durch die Wirtschaftskrise, weil Anwender derzeit gezielt nach Alternativen aus dem Open Source-Umfeld suchen? Und spielen dabei allein die Kosten eine Rolle?
Allrutz: Ich höre schon, dass das Interesse an Open Source-Lösungen steigen soll. Allerdings war die Kostenfrage auch schon vor der Krise der Treiber für die meisten Interessenten. Dass dies nun in der Krise zu vermehrten Investitionen in Open Source-Lösungen führt, kann ich nicht feststellen. Ich bemerke eher, dass die Anwender-Unternehmen jeden Euro drei Mal umdrehen und Investitionen eher verschieben, wenn es irgendwie geht. Nur wenn es nachweislich direkte Ersparnisse gibt, führt die Krise möglicherweise zu Investitionen in Open Source. Dasselbe gilt aber auch für konkurrierende proprietäre Angebote. Insofern gibt es für Open Source-Software keinen Sonderstatus, auch nicht in der Krise: Sie muss sich der Gesamtkonkurrenz stellen.
CRN: Quelloffene Software hat sich zunächst in der Infrastruktur durchgesetzt. Einige Open Source-Anbieter setzen darauf, dass sie sich bei Basistechnologien sogar zum marktbeherrschenden Modell entwickeln wird. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Allrutz: Es ist schwierig, eine Prognose zur Entwicklung von Open Source abzugeben. Das Ziel dieser Bewegung ist es, Software und die Kontrolle über deren Entwicklung in die Hand der Benutzer zu geben, damit sie dort den größtmöglichen Nutzen entfaltet. Das kann es aber nicht kostenlos geben. Schließlich müssen die Entwickler von etwas leben. Hier brauchen wir vernünftige, leistungsfähige und faire Geschäftsmodelle. Insofern werden Unternehmen, die per definitionem gewinnorientiert denken, nur dann Open Source-Software produzieren, wenn sie damit ihre Ziele mindestens ebenso gut erreichen wie mit proprietärer Software.
CRN: Einige große Unternehmen der IT-Branche wie Nokia, Google, IBM oder Adobe setzen inzwischen zumindest in Teilen ihres Portfolios auf Open Source. Fördert dieser Trend, den auch die Analysten von IDC beobachten, nicht zwangsläufig die Verbreitung?
Allrutz: Ich schätze schon, dass Software-Anbieter zukünftig vermehrt versuchen werden, ihre Umsätze und Gewinne irgendwie auch durch Open Source zu vermehren oder zu erhalten. Da wird es aber auch schwarze Schafe geben, die durch »Fake Open Source« versuchen werden, dieses Ziel zu erreichen. Das heißt: Einige Unternehmen werden Open Source nur als Label benutzen, um ihren Bekanntheitsgrad und die Reputation zu steigern. Falls sie ein Dual License-Modell haben, werden sie die Kunden zur kostenpflichtigen Variante verleiten.