Branchengeflüster: Spitzenspiel
Branchengeflüster: Spitzenspiel. Der Kampf um die Nummer Eins wird immer härter

Branchengeflüster: Spitzenspiel
SAP gegen Oracle - Nummer eins gegen Nummer zwei im Markt für Unternehmenssoftware. Zudem geht es um die Nummer eins im Handelssektor, Retek.
Da glaubte sich SAP-Chef Henning Kagermann schon auf der sicheren Seite: Retek hatte der Übernahme durch SAP für 496 Millionen Dollar schon zugestimmt, man führte 1:0 kurz vor Schluss der Partie. Doch Oracle-Chef Larry Ellison brachte sich mit einem Steilpass auf sich selbst zurück ins Spiel und sorgte mit einer 30 Millionen höheren Offerte für eine ungeplante Verlängerung. SAP will nun zunächst auf eine Stellungnahme Reteks warten, ehe man weitere Spieler einwechselt. Zwar dürfte Retek bis zum Erscheinen dieser InformationWeek-Ausgabe schon reagiert haben, das Ergebnis ist aber nicht so wichtig. Denn Fakt bleibt, ob es nun zu einem erbitterten Bieterstreit kommt oder nicht, dass der Kampf um die Nummer eins weit über die Verlängerung hinaus und mit immer härteren Bandagen geführt wird. Nach der Übernahme von Peoplesoft buhlten sowohl Oracle als auch SAP heftig und aggressiv um deren Kundenstamm. Vor allem von Ellison wurde der Kampf zudem durch verbale Attacken über die Presse angefacht. SAP konterte mit Taten und kaufte einen amerikanischen Dienstleister, der sich auf die Integration von Peoplesoft-Lösungen in SAP-Systeme spezialisiert hat.
Angesichts der neuerlichen Kampfansage um Retek darf man gespannt sein: Oracle hat im Zuge des endlos scheinenden Arbeitssieges über Peoplesoft bewiesen, dass es einen sehr langen Atem hat und selbst vor heftigsten Widerständen und noch so dicht stehenden Abwehrblöcken nicht zurückschreckt. Zudem hat die Ellison-Company den Vorteil, dass sich das Retek-Portfolio so gut wie gar nicht mit dem eigenen Angebot überschneidet. Und schließlich schätzt Ellison, dass vier von fünf Retek-Kunden derzeit Oracle-Plattformen nutzen. Kein Wunder also, dass aus Retek-Kreisen angeblich schon erste vorsichtige Stimmen für die Oracle-Offerte zu vernehmen sein sollen. Für SAP spricht zunächst, dass Retek bei ihnen im Wort steht, doch das darf man bekanntlich nicht überbewerten, zumal der Einfluss der Shareholder, in den USA noch höher zu bewerten ist als hierzulande. Ferner haben die Walldorfer den Vorteil, immer noch die Nummer eins zu sein. Ein anderer Vorteil ist kein eigener Verdienst: Oracle hat immer noch alle Hände voll zu tun, die Verschmelzung mit Peoplesoft zu bewältigen. Und was sagte Ellison noch zu Beginn des Jahres gegenüber der Financial Times Deutschland? »Wir wären dumm, wenn wir ein anderes Unternehmen ins Visier nähmen, bevor wir nicht unter Beweis gestellt haben, dass wir die Peoplesoft-Integration erfolgreich abgeschlossen haben«. Insofern spricht noch etwas für SAP: Die intelligentere Spielführung! Dennoch wird diese Partie wohl über den Kampf entschieden.