Das Power-LAN
Konvergente Netze vereinen die Informations- und Kommunikationstechnik in einem Ethernet-basierten Unternehmensnetz. – Bis auf die Stromversorgung, die wird zumeist als zweites vorhandenes Netz unterschlagen. Vereinfachung bietet in vielen Fällen die Stromversorgung über Ethernet.


Aufwändige zusätzliche Installationen von Netzteilen oder 230-Volt-Steckdosen an schlecht erreichbaren Installationspunkten entfallen.
Ethernet als das Netzwerkprotokoll schlechthin erobert ständig neue Anwendungsfelder und passt sich geänderten Anforderungen an. Erweiterte Einsatzmöglichkeiten wie Ethernet im Industrie- und Automatisierungsumfeld als Ersatz für klassische Feldbusapplikationen, Ethernet als Plattform für die Gebäudeautomatisierung oder 10-Gigabit-Ethernet über Kupferverkabelungssysteme zur Leistungssteigerung von Backbone- und Horizontalverkabelungen sind der Treiber für die stetige Veränderung von Leistungsfähigkeit und Funktionalität von Ethernet nach IEEE 802.3. Anwe der und Industrie haben dabei nicht nur die technischen Möglichkeiten und ihre Vorteile im Blick. Der Einsatz von Ethernet-basierten Komponenten zur Problemlösung, auch über die klassische LAN-Anwendung hinaus, erlaubt eine zunehmende Verwendung von Massenprodukten. Damit können IT-Verantwortliche Kostenvorteile nutzen und auf eine erweiterte Palette von Hard- und Softwareprodukten zurückgreifen.
Mit einer verstärkten Integration von Diensten in die Ethernet-Landschaft ergeben sich aber auch neue Anforderungen, die sowohl Software als auch aktive und passive Hardware zu erfüllen haben. Mit dem Einzug von Voice-over-IP (VoIP) ist es heute möglich, die Sprachkommunikation anstatt über eine klassische Nebenstellenanlage über das LAN laufen zu lassen. Vor- und Nachteile und Herausforderungen dieser Technologie sollen hier nicht näher betrachtet werden. Fakt ist jedoch: entscheidet sich ein Anwender für die integrierte Sprachkommunikation via VoIP, müssen seine VoIP-Endgeräte/Telefone zusätzlich mit einer Spannung versorgt werden.
Die Versorgung von Endgeräten wie PCs erfolgt weitestgehend über das 230-Volt-Netz des Anwenders durch in Endgeräten integrierte Netzteile. Bei Geräten wie analogen oder digitalen Telefonen war das bisher nicht nötig. Diese Gerätetechnik wurde im allgemeinen über das von der PABX zur Verfügung gestellte Interface zugleich mit der Betriebsspannung versorgt. Mit der Einführung von VoIP-Telefongeräten, die wie ein PC am LAN betrieben werden, Wireless-Access-Points, die oftmals an schwer zugänglichen Orten beispielsweise an oder in Decken installiert werden und Web-Kameras, die einfach in der Umgebung von PCs oder anderen Endgeräten installiert und betrieben werden, stellt sich die Frage der Spannungsversorgung neu.
Alle diese Geräte werden im Allgemeinen durch ein externes oder internes Netzteil zusätzlich mit Spannung versorgt. Diese Lösung ist mit einigen Nachteilen behaftet:
- In unmittelbarer Umgebung des Installationsortes muss ein 230-Volt-Anschluss zur Verfügung stehen.
- Externe Netzteile sind dauerhaft sicher zu installieren, denn bei Ausfall des Netzteils ist auch die Funktion des Endgerätes nicht mehr gewährleistet.
- Erhöhter Montage-, aber auch Logistik- und Wartungsaufwand.
Um hier praktikable Alternativen zu bieten, ist der Ethernet-Standard um die Funktion der Fernspannungsversorgung erweitert worden. Es versteht sich von selbst, dass dies nur für kupferbasierte Schnittstellen und Verkabelungen gilt. Die Spannungsversorgung für Geräte mit optischen Schnittstellen oder auch erhöhtem Leistungsbedarf, beispielsweise für die Speisung von Sensoren und Aktoren in der Industrieautomatisierung, ist weiterhin mit entsprechenden Netzgeräten oder zusätzlichen Leitungen für die Spannungsversorgung der Endgeräte auszurüsten.
Die Erweiterung des Ethernet-Standards Richtung Fernspannungsversorgung wurde in IEEE 802.3af fixiert. Hier sind wesentliche Parameter sowie Funktionen für das Zu- und Abschalten der Spannung auf dem RJ45-Interface definiert:
- Die Spannungsversorgung liefert bis zu 48 V, 350 mA, aber maximal 12,95 Watt parallel zum Ethernet-Signal.
- Geräte, die eine solche Art der Spannungsversorgung realisieren können, beispielsweise Switch und Endgerät, werden mit dem sogenannten Power-Sensing ausgestattet, das erkennt, ob ein kompatibles Gerät angeschlossen ist und dementsprechend die Speisespannung zu- oder abschaltet.
Grundsätzlich gibt es zur Spannungsversorgung von Endgeräten über das Ethernet-Interface zwei Möglichkeiten.
- Variante 1: die Installation von Endpoint-Ethernet-Switches und den Anschluss entsprechend 802.3af-fähiger Endgeräte über die Strukturierte Gebäudeverkabelung.
- Variante 2: die Installation von Midspan-Geräten zur zusätzlichen Einspeisung von Spannungsversorgung zwischen Ethernet-Switch und RJ45-Verteilerfeld der strukturierten Gebäudeverkabelung.
Variante 1 ist die professionellere und einfachere Möglichkeit, Power-over-Ethernet, kurz PoE, zu realisieren, da neben 10BaseT auch 100BaseT und sogar 1000BaseT(x) unterstützt wird. Zur Übertragung der zusätzlichen Spannungsversorgung werden die Adernpaare 1/2 und 3/6 benutzt.
In gewisser Weise von Nachteil ist der erhöhte Invest in die teureren PoE-fähigen Switches, die dann jeweils für alle RJ45-Ausgänge am Switch die PoE-Funktion bereitstellen. Dieser erhöhte Invest lässt sich im Allgemeinen nur dann begründen, wenn auch ein flächendeckender Einsatz entsprechender Endgeräte geplant ist, wie beim Einsatz von VoIP-Telefongeräten.
Wird die zusätzliche Spannungsversorgung nur punktuell innerhalb der strukturierten Gebäudeverkabelung gefordert, wie das bei der Einbindung von Wireless-Access-Points der Fall ist, empfiehlt sich der Einsatz von Midspan-Geräten nach Variante 2. Hier kann gezielt der Anschluss, die RJ45-Anschlussdose, zusätzlich mit Spannung versorgt werden, an dem auch das entsprechende Endgerät angeschlossen wird. Die Entscheidung darüber fällt im Etagenverteiler durch einfaches Patchen zwischen Ethernet-Switch, Midspan-Gerät und RJ45-Port im Verteilerfeld. Die zusätzliche Spannungsversorgung wird über die »unbenutzten« Adernpaare 4/5 und 7/8 übertragen.
Die Methode zur zusätzlichen Spannungsversorgung nach IEEE 802.3af bietet also eine Reihe von Vorteilen. So können aufwändige zusätzliche Installationen von Netzteilen oder die Installation von 230-Volt-Steckdosen an schlecht erreichbaren Installationspunkten entfallen. Über die quasi »Fernspeisung« von Geräten lassen sich diese im Fehlerfall hardwaremäßig »ferngesteuert« zurücksetzen. Dabei bleibt die Funktion von Monitorring und Steuerung über SNMP gewährleistet – Voraussetzung hierfür sind natürlich entsprechend intelligente Endgeräte. Auch der Einsatz dieser Technologie im Umfeld der CCCB- und Soho-Verkabelungen verspricht eine Reihe von Erleichterungen. Aber PoE hat nicht nur Vorteile. Die Kenntnis technischer Belastungen von Verkabelung und Steckverbindern sowie die genaue Betrachtung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses schützt Entscheider und Nutzer vor bösen Überraschungen. Hier spielt unter anderem auch die Art und Qualität von Verkabelung und Steckverbindern eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich sind nur Kategorie 6 oder höherwertige Verkabelungskomponenten einzusetzen, um Funktion und Leistungsfähigkeit des Verkabelungssystems auch bei Anwendung von PoE zu gewährleisten. Die hohe Qualität der verwendeten RJ45-Steckverbinder, die jetzt auch elektrische Leistung übertragen müssen, entscheidet auch über die Betriebssicherheit des Netzwerkes während der Nutzungsdauer. Besonderes Augenmerk sollte hier auf die Patchcords gerichtet werden.
Die Qualität der RJ45-Steckverbinder zeigt sich beispielsweise in ausreichender Goldauflage an allen Kontakten, also sowohl in der RJ45-Buchse als auch im RJ45-Stecker. Qualitätshersteller haben ihre Produkte entsprechend beschrieben und getestet und geben diese Informationen gerne an Planer und Entscheider weiter. Die modulare RJ45-Technik – einzeln austauschbare Buchsen in Verteilerfeld und Anschlussdose – ist hier besonders vorteilhaft, da im Falle eines Falles auch immer einzelne Buchsen ausgetauscht werden können. Dipl.Ing. Rainer Schmidt, Leiter Produktmanagement/Marketing Premisnet, Krone