HP: Druckindustrie wird unter Digitalisierung leiden wie die Musikbranche
Der schmerzvolle Wandel von Analog auf Digital erfasst immer mehr Branchen. Laut HPs Druckerchef Vyomesh Joshi steht der etablierten Druckindustrie das gleiche Schicksal ins Haus, das die Musikbranche bereits vor einigen Jahren erleiden musste.
"Besser sind wir schon, aber noch nicht schneller und nicht billiger – doch das ist nur noch
eine Frage der Zeit", sagt HPs Druckerchef Vyomesh Joshi. Damit meint er den professionellen Druck
von Plakaten, Zeitungen, Verpackungen und ähnlichen Druckerzeugnissen im Inkjet-Verfahren. Diese
aufwändigen Druckerzeugnisse sind bislang noch die Hochburg des analogen Offset-Drucks.
Doch inzwischen lassen sich mit HPs Latex-Technologie ebenfalls großflächige Inkjet-Drucke auf
Papier und Kunststoff anfertigen, die sich in der Qualität mit jedem Analogdruck messen können
(Latex hat hier übrigens nichts mit Gummi zu tun, sondern entstammt der US-Bedeutung von
wasserlöslicher Farbe).
"Wir erreichen heute mit einer Auflösung von 600×600 Pixel auf einer Druckbreite von 36 Zoll
eine Druckgeschwindigkeit von 122 Meter pro Minute, das entspricht 3200 DIN A4 Seiten pro Minute –
und dabei kann jede Seite völlig anders aussehen", schwärmt HPs Inkjet-Chef Stephen Nigro.
Diese Drucktechnologie sei inzwischen so ausgereift, dass die damit erstellten Poster und Banner
eine Dauerhaftigkeit von über 100 Jahre haben. "Ob unsere gedruckten Bilder noch in 500 Jahren
lesbar sind – so wie es bei der Gutenberg-Bibel der Fall ist – weiß ich nicht, aber sie überleben
mit Sicherheit mehr als eine Generation", verspricht Nigro.
Ein besonderer Vorteil der neuen digitalen Großformat-Drucke sei deren Umweltfreundlichkeit. "
Unsere Tinte ist die einzige Chemikalie. Doch sie basiert komplett auf Wasser, welches während des
Druckens verdunstet. Das sind die einzigen ?Abgase? die entstehen – es empfiehlt sich also, ab und
an das Fenster zu öffnen" scherzt HPs Forschungs-Chef Ross Allen über den sauberen
Druckprozess.
HP zielt mit seiner neuen digitalen Inkjet-Drucktechnologie inzwischen vollends auf die
Platzhirsche des analogen Druckens Heidelberger und Roland ab. "Die ganze Branche wird den gleichen
schmerzvollen Prozess durchlaufen müssen wie einst die Musikbranche", sagt Joshi.
Analysten sehen den Trend ähnlich. "HPs neues Latex-Verfahren ist eine bahnbrechende Technologie
und die Maschinen sind 20 Prozent schneller, als alles, was es bislang im Ink-Bereich gibt", sagt
Gilles Biscos, Analyst bei Interquest.
Der Preis der neuen Upscale-Inkjet-Drucker liegt bei 2,5 Millionen Dollar, das ist zwar im
Vergleich zu den bisherigen Top–Systemen relativ günstig – reicht aber noch nicht, um beim Preis
pro Seite mit den analogen Systemen mithalten zu können.
"Die ersten Anwender werden diejenigen sein, die viele kleine, häufig wechselnde Druckaufträge
haben, oder die umfangreichen Gebrauch von der Individualisierung machen wollen – beispielsweise
bei einem Directmailing", so Biscos.
Das bestätigt auch Valérie Accary, Chefin der französischen Dependance der weltweiten
Werbeagentur BBDO. "Wir sehen eine zunehmende Nachfrage nach aufwändigen und stark
individualisierten Mailingkampagnen", lautet ihre Marktbeobachtung. Dabei geht die
Individualisierung weit über den Namen und die Anrede hinaus.
Beispielsweise lassen sich bei Event-Einladungen die echten individuellen Anfahrtpläne
eindrucken, oder auch individuelle Ansprechpartner oder Betreuer. "Banken nutzen die
Individualisierung auch für ganz konkrete, personenbezogene Dispositionskredit- oder Zins-Angebote"
, so Accary.
Ob und wann HPs Latex-Verfahren den "normalen" Computerdruck-Bereich der Unternehmen, der
kleinen Büros oder gar die Enduser erreichen wird ist vorerst noch in den Sternen, aber HP arbeitet
daran. "Da die digitale Inkjet-Technologie ebenfalls auf den Prozessen der Chip-Technologie
basiert, erleben wir ebenfalls eine Verdoppelung der Performance im Zeitraum von 18 Monaten", so
Forschungs-Chef Allen über die Fortschritte in den HP-Labors.
Aus dieser intensiven Entwicklungsarbeit leitet Joshi auch seinen Optimismus ab: "Schon in
wenigen Jahren sind wir schneller und billiger als alle Analog-Druckmaschinen dieser Welt",
verspricht er kämpferisch.
Harald Weiss/CZ