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Industrial-Ethernet als Wegbereiter

Hautnah dran – Eine Just-in-Sequence-Produktion fordert der Industrie ein engeres Zusammenspiel zwischen dem Corporate-Network mit dem ERP-System (Enterprise-Resource-Planing), dem Steuerungs-/Leitnetz und dem Produktionsnetz mit den Automatisierungs- und Feinsteuerungssystemen ab.

Autor:Redaktion connect-professional • 10.9.2007 • ca. 3:35 Min

Demzufolge breitet sich das Industrial Ethernet als durchgehend einheitliche Netzwerkinfrastruktur bis tief in die Produktion hinein aus. Die Standard-Netzwerkinfrastruktur ist aber nur die Basis für das, worauf die Industrie zunehmend angewiesen sein wird: ausgehend von den Aufträgen Material-, Personal- und schließlich Maschineneinsätze schnell und dennoch exakt zu koordinieren und zu steuern sowie alle Abläufe zentral zu überwachen.

Nach »Industrial Ethernet Market Outlook Study« der ARC Advisory Group soll der Markt für Industrial-Ethernet-Komponenten bis 2009 in Deutschland (6,7 Mio.) mit einer jährlichen Rate von 59 Prozent explosionsartig wachsen. 2004 waren es gerade mal 840000 solcher Komponenten. Hinter dieser Entwicklung stehen viele Impulse. Das Industrial-Ethernet mit seinem durchgehenden TCP/IP-Stack räumt bereits auf infrastruktureller Ebene mit Inseln auf. Das gilt über das Corporate-Network hinaus. Sowohl für die Inseln im Bereich des Steuerungs-/Leitnetzes, als auch innerhalb der Produktion mit den bisher separat gesteuerten und überwachten Automatisierungs- und Feinsteuerungssystemen mit ihren Maschinen und Sensoren.

An ihre Stelle tritt über das Industrial-Ethernet eine umfassende Vernetzung der logistischen und ausführenden Steuerung. Auf diese Weise ist eine durchgehende infrastrukturelle Basis gelegt, auf der die Produktion hinsichtlich der Ausführungsgeschwindigkeit, Fertigungsqualität sowie des Personal-, Material- und Maschineneinsatzes deutlich verbessert werden kann. Dazu kommen weitere Vorteile wie schnelle Steuerungs-Updates für Roboter beispielsweise per FTP (File-Transfer-Protocol), ein flexibles Umrüsten von Produktionsanlagen, ihre dynamische Rekonfiguration und eine maschinenübergreifende Datenerfassung.

Vor allem die Automobilindustrie hat als Trendsetter die Vorteile der klassischen Ethernet-Technologie für sich entdeckt: Sie will darüber die Kommunikation zwischen ERP-Systemen, Prozesssteuerungen sowie Maschinensteuerungen und Robotern abwickeln. Fast alle Automobilgrößen haben Industrial-Ethernet bis in ihre Produktion hinein eingeführt. Nicht soweit sind die anderen industriellen Branchen.

In der zweiten Etappe, der Steuerungs- und Leitebene der Produktion, hat sich zwar dort ebenfalls das Standard-Ethernet weitgehend durchgesetzt. Beispielsweise in Form von Data-Centers auf Basis klassischer IT-Technik. In der dritten Etappe aber, innerhalb des Produktionsnetzes mit den Maschinen- und Feinsteuerungen, weichen die klassischen Automatisierungstechniken wie PLC (Programmable-Logic-Controller), spezifische Sensoren und Motion-Komponenten, die über proprietäre Feldbussysteme vernetzt sind, dem Industrial-Ethernet nur allmählich. Doch letztlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch hier das Industrial-Ethernet vom ERP-System bis tief in die Produktion hinein greifen wird

Der größte Vorteil für die Industrieunternehmen besteht darin, über das Industrial-Ethernet Planung, Logistik, Produktion und Vertrieb für eine durchgehende Verbesserung fertigungsnaher und fertigungssteuernder Prozesse nahtlos zusammenführen zu können. Vor allem ein ständiger und umfassende Informationsaustausch zwischen ERP-System und dem Steuerungs-/ Leistungsnetz ist dafür essenziell. Denn nur, wenn ausgehend vom Fertigungsauftrag alle dafür notwendigen Daten zwischen beiden Systemen ausgetauscht werden, können in der dritten Etappe Material-, Personal- und Maschineneinsätze zielgenau und bestmöglich geplant und durchgeführt werden. Und weiter über die entsprechenden KPIs (Key-Performance-Indicators) kontinuierlich überwacht, gegebenenfalls beeinflusst werden. Ein durchgängiger Informationsfluss oberhalb der Industrial-Ethernet-Infrastruktur ist für die Industrieunternehmen zudem aus strategischer und Kundensicht wichtig. So können die detaillierten Informationen aus der Fertigung von den Geschäftsverantwortlichen und Controllern dafür genutzt werden, auch mittel- bis langfristig Material-, Personal- und Maschinenkapazitäten effizienter einzuplanen. Der Vertrieb kann die Kunden detailliert aus der Produktion heraus über den aktuellen Auftragsstatus unterrichten und Liefertermine besser abschätzen. Bei Produktionsstörungen und Kapazitätsschwankungen, die ad hoc erkannt werden, lassen sich Maschineneinsätze flexibel umdisponieren.

Wie auf infrastruktureller Ebene über das Industrial-Ethernet können Fertigungsunternehmen mittlerweile auch für die Integration von ERP-System und Steuerungs-/Leistungsnetz auf verbindliche Schnittstellen bauen. In die Fertigung hinein stellt der Industriestandard ISA-95 sicher, dass einmal implementierte Schnittstellen für andere Produktionsaufgaben wirtschaftlich immer wieder verwendet werden können. Steuerungs-/Leistungsnetz-Plattformen wie Simatic IT von Siemens A&D erweisen sich dadurch als idealer Mittler zwischen der ERP-Installation und der laufenden Produktion. ISA-95 erspart den Industrieunternehmen, für jede Maschine eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung ins ERP-System implementieren, administrieren und pflegen zu müssen.

Allerdings setzt die durchgehend aus dem ERP-System heraus gesteuerte Produktion erhebliche konzeptionelle Vorarbeit voraus. So müssen vorab alle an den einzelnen Produktionsabläufen beteiligten Prozesse genau analysiert werden. Denn nur mit dieser umfassenden Erkenntnis lässt sich das Soll für künftig verbesserte Fertigungs- und fertigungsnahe Abläufe entwickeln und technologisch umsetzen. Bereits in dieser Phase sollten die Spezialisten aus Planung und Fertigung eng zusammenarbeiten, damit in den anvisierten Wertschöpfungsketten keine Integrationslücken entstehen. Auf der gemeinsamen To-Do-Liste muss darüber hinaus die Definition der KPIs stehen, über die die Fertigungsprozesse künftig gesteuert und beeinflusst werden sollen. Dafür müssen die Schnittstellen, an denen die zu bewertenden Informationen für verbesserte Planungs- und Steuerungsprozesse auflaufen, bekannt sein.

Standen die Produktionsnetzwerke bislang bei vielen Unternehmen fast ausschließlich unter der Hoheit der Fertigung, ergeben sich mit der Einführung von Industrial-Ethernet neue Chancen, aber auch Herausforderungen für die IT-Bereiche. Dies gilt besonders für Großkonzerne wie der Automobilindustrie, die mit hohen Anforderungen an die Informations- und Betriebssicherheit konfrontiert sind. Die konzernweite Richtlinienkompetenz der IT-Abteilungen muss hier bis in die Produktionsbereiche hinein ausgedehnt werden, um dort Schlupflöcher und Fehlerquellen zu beseitigen. So müssen künftig operative Aufgaben wie die Überwachung und Konfiguration lokaler aktiver Netzwerkkomponenten und Verzeichnisdienste zentral gesteuert aus dem IT-Betrieb heraus erfolgen.

TCollins@siemens.com