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Voice-over-IP

IP-Telefonie in Sichtweite

VoIP ist bei weitem keine neue Technologie mehr und in den vergangenen Jahren den Kinderschuhen entwachsen. Entsprechende Standards existieren, und die Hersteller bemühen sich um Konformität. Mit der wachsenden Konkurrenz fallen auch die Preise.

Autor:Redaktion connect-professional • 26.9.2007 • ca. 6:30 Min

Mit der Einigung der Hersteller auf das

SIP-Protokoll ist die Entscheidung für den Einsatz der VoIP-Technologie einfacher geworden.

Man braucht keine hochsensiblen Sensoren, um die Signale zu lesen: Anwender wie Hersteller sind sich weitgehend einig, dass Voice-over-IP (VoIP) allmählich zum festen Bestandteil der Unternehmenswelt wird. In einer Umfrage unserer amerikanischen Schwesterzeitschrift gaben 39 Prozent der Leser an, innerhalb der kommenden 12 Monate eine entsprechende Implementierung vornehmen zu wollen. Weitere 15 Prozent folgen in den nächsten zwei Jahren.

Die Hersteller pumpen derzeit Millionen in die Entwicklung von VoIP, teilweise mit beeindruckenden Resultaten. Selbst Systeme für kleine und mittlere Umgebungen weisen Features auf, die für eine höhere Produktivität sorgen. Unsere fiktive Ausschreibung für ein System mit 200 VoIP-Arbeitsplätzen reizte acht Hersteller, die für uns flexible Lösungen ausarbeiteten. Alle hatten zeit- und geldsparende Systeme für Telecommuter und Telekonferenzen sowie Unified-Messaging und Präsenz-Applikationen im Angebot.

Die wachsende Konkurrenz zwischen den großen Spielern sowie eine Reihe von »Nachwuchsunternehmen« sorgen für eine Vielfalt an Optionen für die Anwender. Je nachdem, wie die verschiedenen Statistiken gelesen werden, hat entweder Avaya oder Nortel derzeit die Nase auf diesem Markt vorn. Laut dem Marktforscher Synergy Research Group hat Avaya die meisten VoIP-Ports weltweit im letzten Quartal des Jahres 2003 ausgeliefert. Die Zahlen der Dell’Oro Group sehen im gleichen Quartal allerdings Nortel an der Spitze. Knapp dahinter platzieren sich Alcatel und Siemens, deren Anteile naturgemäß in Europa besonders hoch sind. Allerdings zeigen beide Unternehmen auch ihre Stärken auf der anderen Seite des Atlantiks.

Nicht überraschend ist die Meldung der Hersteller, dass der Verkauf von VoIP-Endgeräten im Vergleich zu dem von traditionellen Telefonanlagen steigt. Allerdings ist dies auch nicht zu hoch zu bewerten. Wie unsere amerikanische Schwester in ihrer Leserumfrage erfuhr, sind weniger als 20 Prozent der Befragten bereits so weit auf VoIP umgestiegen, dass die Anzahl der traditionellen Telefone bei weniger als 5 Prozent liegt.

Die Qual der Wahl

Neben den technischen Endscheidungen zwischen einem reinen VoIP-System oder einer gemischten Lösung aus traditioneller und IP-Telefonie stehen die IT-Verantwortlichen vor einer Reihe von strategischen Fragen. Sie müssen sich für einen Hersteller entscheiden. Für die ist aber VoIP nicht immer gleich VoIP. Für einige ist die Technologie einfach eine Anwendung, die unabhängig von der Netzwerkinfrastruktur zu betrachten ist, ähnlich wie die Entscheidung für eine bestimmte E-Mail-Lösung. Andere wiederum sehen die Technologie als integralen Bestandteil der gesamten Infrastruktur. Auf dieser Seite stehen Unternehmen wie Alcatel, Cisco oder Nortel, die mit der Sprachintegration auch gleich ihre Datennetzwerk-Produkte verkaufen möchten. Avaya, Mitel oder Siemens auf der anderen Seite weisen darauf hin, dass ihre VoIP-Produkte genauso gut auch in heterogenen Umgebungen funktionieren, und arbeiten bei der Planung und Implementierung durchaus auch mit Partnern wie Enterasys, Extreme, Foundry oder Hewlett-Packard zusammen.

Obwohl es auch Argumente gibt, die für nur einen Hersteller sprechen, sollten dennoch die möglichen Einschränkungen genau analysiert werden. Geschäftsapplikationen benötigen keine dezidierte Plattform und kommen gut mit heterogenen Systemen aus. Warum sollte es sich bei VoIP anders verhalten?

Info VoIP-Checkliste

Bestimmte Basisfunktionen sollte jedes VoIP-System aufweisen. Zu den Minimalanforderungen gehören:

  • Autorisierungscodes

  • Automatischer Rückruf

  • Konferenzschaltung

  • Anklopfen

  • Paging

  • Automatische Umschaltung auf eine alternative Route

  • Trunk-Callback-Queuing

  • Einheitlicher Wählplan

  • Class-of-Service

Stand der Standards

Über proprietäre Features hinaus existieren auch noch weitere Fußangeln, die einen schlussendlich an einen Hersteller binden. So verlangen viele Telefonsysteme für Unternehmen, dass die Telefone und Switches aus einer Hand kommen. Durch Ethernet und IP ist es zwar einfacher geworden, die unteren Layer der Telefon-Konnektivität zu standardisieren, doch hapert es oft an der Signalisierung. Dieses Problem wird sich voraussichtlich langfristig von allein lösen, wie es bereits bei den Protokollen geschehen ist. Noch vor einem Jahr waren sich die Experten nicht ganz einig, welches der Sprachprotokolle die Oberhand gewinnen werde. Jetzt hat sich das Session-Inititation-Protokoll, kurz SIP, als Gewinner herauskristallisiert, und das, obwohl einige Hersteller immer noch zögern. Sie argumentieren, SIP sei noch nicht reif zum Standard. Sicher sind noch einige fortgeschrittene Funktionen zu implementieren. Letztlich sind diese Geräte mittlerweile aber genauso funktionell wie die traditionellen digitalen Telefone. Sie weisen beispielsweise LCD-Bildschirme mit programmierbaren Softkeys auf. Das hat auch die Aufmerksamkeit von Carriern und ISPs auf sich gezogen. Die meisten bieten VoIP-Dienste auf der Basis von SIP an.

Für viele Anwender scheint aber die Frage der Standards nicht so wichtig zu sein. Viel mehr sind es die Kosten, die als Hindernis angesehen werden. Aber genau hier sind einheitlich offene Standards von Vorteil. Kommt es zu einer echten Interoperabilität, konkurrieren die Hersteller auf Basis der Kosten und der Funktionalität. In beiden Bereichen kann der Anwender dann nur gewinnen.

Info Erste Annäherung

Wer mit auf Standards basierendem VoIP experimentieren will, hat die Möglichkeit hierzu unter fwd.pulver.com, einem kostenlosen Telefonservice von Free World Dialup. Hier lässt sich die Software von verschiedenen Softphone-Herstellern herunterladen und über die Server des Unternehmens nutzen. Derzeit sind nur Gespräche mit anderen Abonnenten möglich, aber es ist dennoch eine hervorragende Möglichkeit, um auf SIP basierendes VoIP zu testen.

Für einen seriöseren Test kann SIP-Server-Software heruntergeladen werden. So will beispielsweise die Firma Pingtel die eigene Sipxchange-Software in Kürze der Open-Source-Gemeinde zur Verfügung stellen. Diejenigen, die einen Pilotversuch starten wollen, haben dann hier für relativ niedrige Kosten die Gelegenheit dazu. Mehr Informationen finden sich unter www.sipfoundry.org.

Bei der Entscheidung für ein bestimmtes VoIP-System ist es wichtig, den Hersteller zu fragen, was genau mit SIP-Unterstützung gemeint ist. Mit welchen Produkten welcher Hersteller kann das Gerät zusammenarbeiten? Welche Optionen stehen für die Zukunft bereit? Nur mit konkreten Aussagen und Demonstrationen stellt sich heraus, ob »SIP-fähig« mehr ist als ein Schlagwort.

Wie die Umfrage von Network Computing zeigt, ist es für die überwiegende Mehrheit der Benutzer von großer Bedeutung, Telefone und Anwendungen von verschiedenen Herstellern aussuchen zu können. Ein Drittel der Befragten bewertete diesen Punkt sogar als »absolut kritisch«. Allerdings sehen diese Anwender die Probleme auch durchaus realistisch. Sie nannten die Proprietät als größtes Hindernis für SIP.

Um fair zu bleiben: Viele der Hersteller waren bereits im VoIP-Bereich aktiv, als es noch gar keine einheitlichen Standards gab, und sie hatten gar keine andere Wahl, als proprietäre Lösungen zu entwickeln. Das hat sich allerdings geändert, und einige Hersteller haben reagiert. So sind beispielsweise Nortel und Polycom eine Partnerschaft eingegangen. Sie wollen gemeinsam ein Multimedia-Desktop- und Konferenzsystem entwickeln. Ähnliche Kooperationen werden vermutlich in Kürze folgen.

Lösung in zweiter Hand

Für Service-Provider ist es relativ einfach, auf dem VoIP-Markt mitzuspielen. Entsprechende Switches im Datencenter und der Dienst über dezidierte Leitungen reichen meist völlig aus. Vorreiter bei den etablierten Dienstleistern haben sich bereits auch kleine Startup-VoIP-Spezialisten angeeignet und damit ihr Angebot eröffnet.

Die großen Carrier, vor allem in den USA, richten ihr Augenmerk auf VoIP und sehen hier einen lukrativen neuen Markt. Diese Dienstleister haben den Vorteil, dass sie in ihrem eigenen Netz arbeiten, hier die Kontrolle haben und über funktionierende QoS-Mechanismen verfügen.

Obwohl es attraktiv erscheint, die Realisierung von VoIP in andere Hände zu legen, bestehen auch einige Risiken. Die größte Schwäche ist die physikalische Verbindung zwischen dem Provider und dem unternehmenseigenem Netzwerk. Wer auch nicht für kurze Zeit auf die Telefonie verzichten kann, muss sicherstellen, dass der Outsourcer über redundante und geografisch verteilte Connectivity verfügt.

Eine Variation ist es, die Verwaltung der VoIP-Switches im eigenen Unternehmen einem Dienstleister zu überlassen. Zum einen müssen hier keine neuen IT-Mitarbeiter eingestellt werden, und zum anderen hat man mehr Kontrolle über die integrierten Applikationen und Dienste. Sollte die Partnerschaft mit dem Dienstleister letztlich nicht funktionieren, kann man die Verwaltung wieder selbst übernehmen.

Einige Anbieter arbeiten auch mit VoIP-Diensten über das Internet. Dessen Allgegenwärtigkeit macht das einfach. Hier ist aber mit Vorsicht vorzugehen, da keine Qualitätsgarantien existieren. Von Vorteil ist, dass die Dienste sehr kostengünstig und zudem extrem flexibel sind. Als unternehmenstauglich dürfen sie derzeit aber noch nicht angesehen werden. Wer aber bereit ist, sich auch mal mit schlechter Sprachqualität abzufinden, hat hier eine Möglichkeit.

VoIP und Wi-Fi

Eine Reihe von Herstellern, hierzu gehören auch Alcatel und Nortel, sieht Vorteile in VoIP über 802.11-Wireless-LAN. Sie erklären, dass es sinnvoll sei, die Access-Points innerhalb der Gebäude auch für die Telefonie zu nutzen. Erste SIP-Softphones, die an ein einen 802.11-fähigen Laptop angeschließbar sind, arbeiten bereits über jedes Wireless-LAN.

Allerdings exitieren auch hier einige Fallen. So besteht beispielsweise keine Möglichkeit, die Qualität einer kabellosen Verbindung zu kontrollieren. Ein Telefonat könnte durch einen anderen Benutzer, der gerade eine große Datei überträgt, erheblich gestört werden. Im IEEE-Standard 802.11e, der bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein könnte, sind QoS-Mechnismen definiert, die das Problem lösen sollen.

Noch ist die Zeit nicht gekommen, um sämtliche alten Telefone durch VoIP-Geräte zu ersetzen. Es ist jedoch sinnvoll, sich näher mit der Technologie zu beschäftigen. Für diejenigen, die sich derzeit nach einer neuen Telefonanlage umsehen oder in ein neues Gebäude umziehen, wäre es geradezu fahrlässig, sich nicht damit zu befassen. Ein Vergleich der alten mit der neuen Technologie lohnt in jedem Fall. [ nwc, ka ]