Interoperabilität im Bereich VoIP
Eines der größten Hindernisse für den absoluten Durchbruch von VoIP war bisher die mangelnde Interoperabilität zwischen den Produkten verschiedener Hersteller. Registrieren Sie mittlerweile Öffnungstendenzen bei den Produzenten?



Die Hersteller beschränken sich nur auf ein Mindestmaß an Standardkonformität, um sich von der Konkurrenz abzuheben.
Burkhard Hollwitz, NCB Informationstechnik, Consultant
Während sich die eigentliche Sprachübertragung über paketvermittelnde Netze heute auch herstellerübergreifend zur Zufriedenheit realisieren lässt, gibt es nach wie vor massive Probleme, was die herstellerübergreifende Signalisierung anbelangt. Die Interoperabilität zwischen den VoIP-Produkten verschiedener Produzenten ist im Grundsatz durch die Implementierung offener Standards für die Kommunikation zwischen den einzelnen Komponenten und Instanzen gewährleistet. Diese Interoperabilität wurde von den Anbietern von VoIP-Produkten als entscheidender Vorteil gegenüber der klassischen TK gepriesen, da so die Herstellerabhängigkeit im TK-Bereich mit seiner proprietären Protokollwelt umgangen werden könne. Was wir heute auf dem Markt beobachten, ist, dass die Interoperabilität ganz fehlt oder mangelhaft ist. Es ist nicht abzusehen, dass sich dies in näherer Zukunft ändern wird. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Die Standardisierungsprozesse sind noch nicht abgeschlossen. Egal ob ITU oder IETF, die Standards entwickeln sich derzeit nach den in der Praxis gewonnenen Erfahrungen. Ein anderes Problem ist das der standardkonformen Implementierung. Da die Standards nur eine relativ geringe Anzahl von Leistungsmerkmalen beschreiben, werden diese durch viele Hersteller erweitert – und diese Erweiterung ist jeweils proprietär. Die Situation gleicht der vor zehn Jahren, als die TK-Produzenten das QSIG-Protokoll implementierten.
Unabhängig davon lassen die Hersteller aber auch den Willen vermissen, wirklich interoperable Produkte zu entwickeln. Die VoIP-Welt ist heute fast proprietärer, als es die TK-Welt je war. Die Standardkonformität beschränkt sich zumeist darauf, dass eine Verbindung auf- und wieder abgebaut werden kann. Weiterführende Leistungsmerkmale werden durch eigene Protokolle realisiert. Das ist herstellerseitig auch nachvollziehbar. Der VoIP-Markt ist lukrativ, und durch Standards sinken die Preise bei steigender Konkurrenz. Der Anwender wird also auch weiterhin von den Herstellern abhängig sein.
Solange der Kampf um Marktanteile bei VoIP-Integrationen anhält, dauert es noch lange, bis eine volle Interoperabilität erreicht wird.
Michael Herm, Consultant, Röwaplan Unternehmensberatg. Abtsgmünd
Der Markt von VoIP-Produkten verschiedener Hersteller ist noch nicht breit genug, um sich in Sachen Funktionalität selbst zu regulieren. Ebenso wird um die Marktanteile bei Erneuerung oder Erweiterung bestehender Telefonsysteme mit oder durch VoIP hart gekämpft. Solange dieser Kampf anhält, wird der Weg zu einer vollen Interoperabilität noch lang sein. Immer noch problematisch und ein Stolperstein auf diesem Weg sind die Funktionalitäten, die »USA-lastig« in den Systemen verankert sind.
Solange diese Mischformen aus amerikanischen und europäischen Funktionen sowie die Funktionspräferenzen der verschiedenen Hersteller regieren, wird ein Zusammenspiel in den wenigsten Fällen funktionieren. Dies beginnt sogar schon bei der Stromversorgung der Geräte bei Power-over-Ethernet. Zwar gibt es den Standard IEEE 820.3af, aber ob dieser wirklich bei Geräten unterschiedlicher Hersteller funktioniert, ist immer ein kleines Glücksspiel.
Für die Qualitätssicherung von VoIP-Übertragungen ist es sinnvoll, auf die QoS-Funktionen der Netzwerkkomponenten zurückzugreifen und sich nicht darauf zu verlassen, dass QoS-Funktionen der VoIP-Geräte verschiedener Hersteller funktionieren. Aus eigener Erfahrung können wir bestätigen, dass TAPI zwar standardisiert ist, aber der Zugriff auf diese Schnittstelle doch recht kompliziert zu sein scheint. Besonders wenn man feststellen muss, dass die Hardware und die Software eines Herstellers nicht gemeinsam entwickelt und so die Möglichkeiten von Funktionsvielfalt und Interoperabilität verschwendet wurden.
Auch die Nutzung von ISDN-Features ist interessanterweise sehr schwierig. Insbesondere beim Einsatz dieser Features im öffentlichen Netz und dies bereits beim Einsatz von Produkten nur eines Herstellers.
Es wird noch einige Zeit dauern, bis die VoIP-Welt »eine Sprache« spricht und der Anwender die freie Auswahl hat.
Solange der Markt noch so in Bewegung ist, wird jeder Hersteller seine Produkte mit aller Macht nach vorne drücken, ohne Rücksicht auf Interoperabilität.
Zuletzt sind wesentliche Fortschritte bei der Interoperabilität zwischen verschiedenen VoIP-Lösungen erzielt worden.
Dr. Behrooz Moayeri, ComConsult Beratung und Planung
Bei VoIP hat sich in den vergangenen Monaten in Sachen Interoperabilität eine ganze Menge getan. Das Signalisierungsprotokoll SIP (Session-Initiation-Protocol) ist eindeutig als Sieger aus dem Wettrennen verschiedener Standards hervorgegangen, alle relevanten Hersteller haben sich dazu verpflichtet, SIP neben ihrer proprietären Signalisierung zu unterstützen, und SIP-konforme Produkte sind mittlerweile in vielen Bereichen verfügbar.
Gleichzeitig muss man aber berücksichtigen, dass die großen Hersteller alles tun werden, um ihre Kunden über proprietäre Mechanismen und Verfahren weiter an sich zu binden. So wird bei den meisten Produzenten die eigene Signalisierung immer mehr Funktionalität bieten als SIP. Hier liegt an den Anwendern, SIP zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn Sie zugunsten der Konformität mit dem Standard auf die proprietären Funktionen verzichten, wird SIP so erfolgreich sein wie viele andere Internet-Standards.
Was QoS betrifft, empfiehlt sich ohnehin eine einheitliche, sehr einfache und bei fast allen Netzkomponenten mögliche strikte Priorisierung von Voice anhand der Merkmale im Kopf des Paketes. Dieser sehr simple Mechanismus unterscheidet sich nicht von Gerät zu Gerät und ist daher relativ einfach einzustellen.
Innerhalb einer VoIP-Umgebung sind die üblichen rund zehn QSIG-Leistungsmerkmale kein Problem mehr. Entscheidend ist jedoch, ob diese Leistungsmerkmale auch bei der Kommunikation mit der noch vorhandenen »alten« Welt nutzen lassen. Hier gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Produkten verschiedener Hersteller, so dass dies bei der Auswahl der Produktfamilie als wichtiges Kriterium angesetzt werden kann.
Standards wie TAPI werden schon längst von einer ganzen Reihe von Software-Produkten für Computer-Telefonie-Integartion (CTI) unterstützt. Mittlerweile sind IP-Telefonie-Lösungen in Betrieb, welche die Vorteile der TAPI-Integration voll ausschöpfen, um in der Nutzung von Leistungsmerkmalen von der Implementierung durch den (IP-)PBX-Hersteller unabhängig zu werden.