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IT-Alignment, dringend gesucht

IT-Alignment, dringend gesucht Über Business-Alignment für IT-Experten ist genug geschrieben worden: Es hat keinen Sinn, mit Anlauf offene Türen einrennen zu wollen.

Autor:Redaktion connect-professional • 22.4.2007 • ca. 3:10 Min

Aber IT-Alignment fürs Business, gibt es das? Brauchen wir so etwas? Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: »Ja, brauchen wir.« Und: »Nein, gibt es kaum.« Es klafft ein Loch von der Größe des Grand Canyon zwischen der Erwartungshaltung der Anwender und der Realität der IT-Welt. Erwartet wird eine IT, die wie ein Auto funktioniert: je nach Portemonnaie sucht man sich ein Modell aus, setzt sich hinein, fährt, bezahlt sein Benzin, und geht einmal im Jahr in die In­spektion. Die Automobilindustrie hat hierfür fast hundert Jahre gebraucht. Aber die Computerindustrie gibt es erst seit etwa dreißig Jahren. Sie ist zurzeit in ihrer Sturm-und-Drang-Phase, sie probiert vieles aus und verwirft manches schnell wieder. Kurz gesagt: sie ist unreif. Mit der Reputation der Computerbranche ist es nicht zum Besten bestellt. Die Funktionspalette entwickelt sich explosionsartig weiter, doch mit der Zuverlässigkeit hapert es gewaltig und die Kom­plexität ist sehr hoch. Ich bin nicht zuversichtlich, dass sich dies in absehbarer Zeit entscheidend ändern wird. Die ­Wörter »IT« und »Problem« sind in der Öffentlichkeit ge­radezu Synonyme: »Wir hatten ein Problem mit unserer IT« ist heute eine niemals in Frage gestellte Rechtfertigung bei Reklamationen. Es ist daher durchaus ein Paradox, dass wir bei den Anwendern so wenig Toleranz bei Problemen haben. Übertragen auf den Wohnbereich schreit niemand nach einem neuen Haus, wenn der Strom immer mal wieder ausfällt. In der IT ist das anders. Bei unseren »Kunden« ist das Wissen über die Eigenheiten der IT-Welt nur mangelhaft vorhanden. Beispielsweise mag es noch sein, dass ein Anwender sich bewusst ist, dass er seine sensiblen Daten verschlüsselt haben will. Wer aber alles Zugriff auf den Schlüssel hat, danach fragt er schon nicht mehr. Daher brauchen wir ein IT-Alignment, und zwar dringend. Wir IT-Experten sind eine Katastrophe im Marketing in ­eigener Sache. Wir leiden im Stillen. Und wenn wir unter uns sind, amüsieren wir uns gern darüber, wie unwissend unsere User doch sind! Es kommt noch schlimmer. Weil wir so schlecht kommunizieren, übernehmen andere bereitwillig das freie Terrain: Externe Berater erzählen gerne – für ­horrende Summen – von der schönen IT-Welt, in der alles ein­facher, schneller, zuverlässiger und billiger ist. Nur: IT ist nicht so, sie ist geistige Bergwerksarbeit. Machen wir uns also an die Arbeit und erzählen offensiv, wie unsere Welt wirklich aussieht! Dazu braucht es auch eine Sprache, die das IT-Alignment erleichtert. Dass die Technologie ein Dschungel ist und IT-Infrastrukturen Biotopen ähneln: das kann jeder verstehen. Wiederholen wir so oft wie nur möglich, dass die Kosten eines Systems niemals an den Anschaffungskosten zu messen sind, sondern dass viele andere Faktoren hinzukommen und dass am Ende der Preis mit 2,5 oder vielleicht gar 10 multipliziert werden muss. Sagen wir allen unseren Anwendern, dass jedes Interface einen lebenslangen Aufwand bedeutet und dass dieser schwer ins Geld geht. Etwas anderes sollten wir beim IT-Alignment ebenfalls tun: nämlich die Schuldigen benennen. Ich erlebe immer wieder bei Berufskollegen eine große Frustration darüber, dass ihnen die Schuld bei Pro­blemen jedweder Art gegeben wird. Ein Systemausfall, ein verzögertes Projekt oder eine Budgetüberschreitung sei die Schuld der IT. Schreiben wir es mit großen Buchstaben an die Wand: Wir haben es mit einer unreifen Industrie zu tun, die Produkte in aller Regel viel zu schnell und nur mangelhaft getestet auf den Markt wirft. Kommunizieren wir, dass es keine Software ohne Fehler gibt und wir, die IT, diese Situation zwar zu managen, aber nicht zu verantworten haben. Wenn wir schon Marketing in eigener Sache betreiben ­wollen, dann wäre die Gelegenheit günstig, zu erzählen, was wir den ganzen Tag lang so treiben. Dies ist außerhalb unserer Büromauern nämlich ein vollständiges Mysterium. Wir haben genug Möglichkeiten, dies in spannender und unterhaltsamer Form zu tun. Nicht einmal ausgewiesene PC-Freaks wissen, womit wir uns beschäftigen. Und dabei erleben wir die tollsten Sachen und jeden Tag neue! Wir haben einen Traumjob, keine Aufgaben in anderen Bereichen sind spannender. Wer die Abwechslung liebt, kommt voll auf seine Kosten. Die Be­geisterung und das Engagement, die die überwältigende Mehrheit der Informatiker in ihren Beruf einbringen, sind eine wunderbare Basis, um über unsere Welt zu erzählen und für ein IT-Alignment zu sorgen. Lassen Sie uns die Möglichkeiten nutzen!

Claude Roeltgen ist CIO einer Bank in Luxemburg.