Strukturell oder Situativ - der Unterschied macht's
Situatives Wachstum ist etwas völlig anderes als strukturelles Wachstum, weiß unser Kolumnist Olaf Kaiser. Beide dürfen nicht in einen Topf geworfen werden. Aber ein Systemhaus benötigt trotzdem beides. Denn es gibt kein strukturelles Wachstum ohne den Gegenpol des situativen Wachstums.
Bei einem Kunden mit über 100 Arbeitsplätzen werden die Rechner verschlüsselt. Es ist sehr schnell viel zu tun. Manchmal ist ein ganzes Team über Wochen ausgelastet.
Oder einer der fünf größten Kunden eines Systemhauses braucht eine neue Infrastruktur, die als Projekt konzeptioniert und aufgesetzt wird. Hierbei wird die Infrastruktur in der Cloud aufgestellt und neu gedacht.
Oder ein Kundenunternehmen wächst sehr schnell von fünf auf 50 Mitarbeitende und ruft dabei viel Dienstleistung ab.
Ein letztes Beispiel: ein Großkunde nimmt über 1.000 Clients ab und das Setup und den Rollout dazu.
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Diese vier Vorgänge sind allesamt wichtig und können einen sichtbaren Einfluss auf ein deutlich positives Unternehmensergebnis haben. Aber keiner dieser Erlöse wird sich in dieser Form im Folgejahr wiederholen. Sie sind einzigartig.
Auch wenn das Systemhaus damit das beste Jahresergebnis der Unternehmensgeschichte einfährt, ist nicht zu erwarten, dass man im Folgejahr aufgrund dieser Projekte weiterwachsen wird.
Wir sehen hier ein situatives Wachstum und kein strukturelles Wachstum.
Wenn wir diesen Unterschied nicht ausreichend würdigen, können wir in schwierige Situationen kommen.
Interne Strukturen werden aufgeblasen, aber das Folgegeschäft bleibt für eine angemessene Auslastung aus.
Manchmal meint die Führung auch, dass sie so eine konkrete Erwartung aufbauen kann, dass es quasi automatisch so weitergehen wird.
Auf der anderen Seite gibt es auch strukturelles Wachstum bei einem Systemhaus.
Wir gewinnen größere Managed-Service-Kunden und steigern den MRR, also die festen monatlichen Erlöse.
Wir automatisieren zentrale Managed-Service-Prozesse und verbessern unseren Profit dauerhaft bei allen Kunden, die diese Services wahrnehmen.
Wir controllen unsere SLA genauer und weisen unseren Kunden einen hervorragenden Service nach, was den Churn reduziert.
In diesen drei Szenarien erzeugen wir auch mehr Erlöse, aber auf eine grundlegend andere Art, sie sind von Dauer und das nenne ich strukturelles Wachstum als Unterschied zum situativen Wachstum.
Wie kann man nun als Führungsebene diesen Unterschied pragmatisch sichtbar machen und in der Steuerung berücksichtigen?
Eine wichtige Botschaft lautet, dass wir beides benötigen. Es gibt kein strukturelles Wachstum ohne den Gegenpol des situativen Wachstums. Ohne Projekte keine Veränderung des IST-Zustands und damit auch keine neuen Service-Erweiterungen. Es gibt keine Ebbe ohne Flut, keine Stille ohne Lärm.
Der zweite Punkt ist, dass wir in der Lage sein dürfen, beide Bereiche separiert zu messen. Wir dürfen die Erlösarten wie wiederkehrend und einmalig vom verursachenden Geschäftsfeld wie Handel, Security etc. trennen.
Im dritten Schritt entwickeln wir dann für beide Bereiche unterschiedliche Ziele mit den Teams, damit die Balance zwischen situativem Erlös und strukturellem Wachstum gegeben ist.
Im Endergebnis verkraften wir damit sogar einen eventuellen Rückgang des situativen Erlöses, wenn das strukturelle Wachstum gegeben ist, weil sich auch negative Einzelfaktoren nicht wiederholen werden, genaue so wie positive.