Leistungsstarke IT für mehr Flexibilität in der Supply Chain
Leistungsstarke IT für mehr Flexibilität in der Supply Chain. Produkte von der Stange sind längst kein Erfolgsrezept mehr. Doch die Umstellung auf die auftragsbezogene, kundenspezifische Fertigung ist manchmal schwierig und mit hohen Risiken verbunden.

Leistungsstarke IT für mehr Flexibilität in der Supply Chain
Die tabakverarbeitende Industrie trimmt ihre Anlagen auf Effizienz. Die Folge: Unternehmen wie die Baltic Metalltechnik GmbH, Hersteller von Maschinenkomponenten zur Tabakverarbeitung und Zigarettenherstellung, müssen ihre Produkte an die individuellen Kundenbedürfnisse anpassen und diese in immer mehr Varianten und kleineren Losen entwickeln und fertigen. Eine Umstellung, mit der sich Baltic Metall zunächst schwer tat: »Unser gesamter Produktionsbereich inklusive der Planung und Steuerung war in der Vergangenheit auf wenige Varianten und weitgehend standardisierte Produkte ausgelegt. Die von unseren Kunden geforderte Flexibilität in der Konzeption und Produktion der Maschinen konnten wir zunächst nicht bieten«, so Baltic Metall-Geschäftsführer Dr. Volker Bartelt in der Rückschau.
Suche nach einer Lösung
Weil die vorhandenen IT-Systeme die Variantenvielfalt nur unzureichend abbilden konnten, stieg der manuelle Steuerungsaufwand bei Baltic Metall dramatisch an. Doch auch das größte Engagement der Mitarbeiter konnte nicht verhindern, dass es zu immer mehr Fehlern kam. So erhöhten sich die Bestände, weil Maschinen wegen einiger Fehlteile nicht fertiggestellt und ausgeliefert werden konnten. Auch bei der Liefertermintreue das Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb abzufallen.
»Wir haben dann Ende 2002 das Thema Supply Chain Management in den Mittelpunkt unserer Anstrengungen gestellt«,so Dr. Bartelt. Damit legte man den Grundstein für die Zusammenarbeit mit der Wassermann AG. Mit dem Advanced Planning & Scheduling System waySCS (Supply Chain Simulation) wurde innerhalb weniger Monate eine neue, leistungsstarke Standardsoftware für die Produktionsplanung und -steuerung implementiert ? zunächst in Hamburg und dann in den Werken in Grevesmühlen und Pécs (Ungarn).Das neue System bildet heute die Fertigungsprozesse aller Produkte bis in das Detail ab und erlaubt so eine transparente Darstellung der kompletten Lieferkette.
Produktionsrelevante Daten wie neue Aufträge, Maschinen- oder Personalressourcen werden dabei von den datenführenden ERP-Systemen übernommen, notwendige Planungsmaßnahmen simuliert und die Auswirkungen auf die Supply Chain berechnet.
Mit waySCS können die Planer die Kapazitäten und Auslastungen realistisch visualisieren, werden von der Software auf Engpässe und Rückstände rechtzeitig hingewiesen und können diese durch entsprechende Maßnahmen auflösen. »Man darf das IT-System allerdings nicht isoliert sehen, die neuen Möglichkeiten müssen auch in der Organisation umgesetzt werden«, so Alexander Fink, Projektleiter der Wassermann AG.
Prozessoptimierung
Die Software-Implementierung löste im Unternehmen eine Welle von Verbesserungen aus. So entdeckte man sehr schnell, dass die Durchlaufzeiten länger waren als wirklich nötig. In der Produktion stauten sich an vielen Ecken Materialien und Halbfabrikate zu produktionsinternen »Lagern«, die Ausdruck, aber teilweise auch Ursache für den mangelhaften Materialfluss waren. Um den Blick für diese Ineffizienzen zu schärfen, wurden auf dem Fabrikboden vor den Maschinen Farbmarkierungen angebracht, die auf der Eingangsseite den Arbeitsvorrat und auf der Ausgangsseite das Pufferlager für nachfolgende Bearbeitungsschritte begrenzen. Die Mitarbeiter lernten schnell: Bevorratet wurde nur noch, was man in den nächsten zwei Schichten auch wirklich benötigte, produziert, was an anderen Maschinen oder beim Kunden gebraucht wurde. Heute zeigt ein Blick in die Produktionshalle sofort, welche Produkte zur Weiterverarbeitung oder zum Abtransport bereit stehen. Die Durchlaufzeiten verkürzten sich dramatisch ? entsprechend wurden die planerischen Grundlagen in der Software verändert.
Positive Rückkopplung
Auf den Vorschlag der Wassermann-Berater wurde ein morgendliches Meeting zwischen Planern und Produktionsverantwortlichen an den drei Produktionsstandorten ins Leben gerufen. Zur Vorbereitung drucken die Planer die in waySCS dargestellten Belastungsprofile der einzelnen Maschinen und Bearbeitungsschritte aus und hängen sie nebeneinander. So werden Rückstände und Engpässe schnell transparent, und geeignete Problemlösungen lassen sich direkt diskutieren und schnell vereinbaren. Festgehalten auf dem entsprechenden Belastungsprofil, wird jede Maßnahme am nächsten Morgen auf Umsetzung und Wirkung überprüft.
»Die Herausforderungen und Maßnahmen werden allen Mitarbeitern am Standort transparent, und gleichzeitig kann Verantwortung übernommen werden. Mit der Zeit sind diese Meetings sehr kurz und effektiv geworden. Wir Planer haben nicht nur Ideen, sondern viele praktische Erfahrungen mit problemlösenden Maßnahmen gesammelt«, so das Fazit von Peter Freitag, Leiter des standortübergreifenden Auftragszentrums von Baltic.
Standortübergreifendekapazitätsplanung
»Schon die Einrichtung der lokalen Auftragzentren wirkte sehr positiv. In ihnen sind alle Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für die Planung und Steuerung des jeweiligen Standortes konzentriert. Allerdings gab es zunächst noch keine übergeordnete Planung und Synchronisation für das gesamte Baltic-Leistungsnetzwerk«, beschreibt Freitag die Entwicklung. Eine der Folgen: Kunden erhielten späte Lieferterminzusagen, weil eine Fabrik bereits ausgelastet war ?obwohl an einem anderen Standort noch Kapazitäten frei waren. Außerdem wurden unnötig viele Arbeiten an Fremdfertiger ausgelagert, statt die eigenen Kapazitäten auszuschöpfen.
Heute setzt Freitag mit der zentralen, standortübergreifenden Kapazitätsplanung in waySCS den Rahmen für die Standorte. Die Feinplanung der internen Aufträge wird dann von seinen Kollegen lokal abgewickelt. Auch hier ergänzen sich Software und Organisation: So werden IT-seitig die produktionsrelevanten Daten aus den ERP-Systemen der einzelnen Standorte in einem Datenpool konsolidiert, organisatorisch wird die stand-ortübergreifende Steuerung durch die Vereinheitlichung der Produktionsprozesse erleichtert.»Software und Organisation spielen auch hier zusammen. Wir können heute sogar Teilprozesse von einem auf ein anderes Werk verlagern ? ohne Einbußen in der Transparenz«,so Freitag. Mittlerweile bewegen sich alle wichtigen Leistungsindikatoren bei Baltic Metall in Spitzenbereichen. Der Grund dafür ist, dass die Einführung von waySCS nicht auf ein bloßes Software Implementierungsprojekt begrenzt, sondern vom Unternehmen als Chance für organisatorische Veränderungen wahrgenommen und genutzt wurde. CLAUS CLAUSSEN ist freier Journalist aus München