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Marathonläufer mit schwerem Gepäck

Marathonläufer mit schwerem Gepäck. Die Experten sind sich einig: Die ­steigende Wettbewerbsintensität im Finanzdienstleistungssektor fordert das Aufbrechen aller traditionellen Wertschöpfungsketten. Denn die ­bisherigen Restrukturierungsmaßnahmen bei Banken und Versicherungen - Stellenstreichungen, Filialschließungen oder herkömmliches Outsourcing - haben nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Die deutschen Finanzinstitute laufen bei der Profitabilität ihrer internationalen Konkurrenz nach wie vor hinterher.

Autor:Redaktion connect-professional • 15.6.2005 • ca. 2:05 Min

Marathonläufer mit schwerem Gepäck

Um dem steigenden Margen- und Kostendruck erfolgreich entgegenzuwirken, sind Banken und Versicherer gezwungen, in allen Bereichen Spitzenleistungen zu erbringen. Wie in allen anderen Branchen gilt: Kostentreiber und Einheiten mit mittelmäßiger Performance kann sich niemand mehr leisten.
Der Schlüssel zu einer höheren Rentabilität der Banken liegt dabei nicht ausschließlich auf der Kostenseite, ­sondern vor allem in der Steigerung auf der Ertragsseite. Damit rücken die Kunden und das Beratungs-Know-how künftig noch mehr in den Mittelpunkt. Riskiert man einen Blick in die Zukunft, so ist es durchaus vorstellbar, dass die Banken ihre Ressourcen konsequent auf die Produkt­entwicklung, den Vertrieb und die Beratung konzentrieren werden.
Für die Informationstechnologie hätte dies sicherlich gravierende Konsequenzen. In ihr steckt ein beträchtlicher Teil der ?versunkenen Kosten?, die bei Sparprogrammen oft ausgespart werden. Die IT-Systeme im Bankensektor sind schweres Gepäck - nicht selten unflexibel, höchst wartungsintensiv und teuer. Kein Wunder, basieren sie doch häufig auf sanierungsbedürftigen Systemen aus den 70er und 80er Jahren. Einer McKinsey-Studie zufolge entfallen rund 85 Prozent der IT-Ausgaben der Banken allein auf die Erhaltung der IT-Systeme, während innovative Weiterentwicklungen in den Hintergrund treten. Können es sich die Banken aber wirklich noch länger leisten, halbe Technologieunternehmen zu sein?
Um in allen Geschäftsbereichen Spitzenleistungen erbringen zu können, werden die Banken, ebenso wie die Versicherer, ihre Ressourcen künftig neu ausrichten müssen. Für die Zukunft kann dies bedeuten, dass sich die Finanzdienst­leister vollständig auf die Qualität der Produkte, auf das Know How der Mitarbeiter und auf ihre Vertriebsleistungen konzentrieren werden, während die Abwicklung und ­Verwaltung der relevanten Daten effizient durch ein Netzwerk aus externen, aber sehr branchenaffinen Partnern er­ledigt wird.
Dies ist keine Zukunftsmusik. Seit November 2004 hat das Privatbankhaus HSBC Trinkaus & Burkhardt (TuB) die Wertpapierabwicklung in ein Joint-venture ausgelagert. Der Bereich Wertpapierabwicklung bei TuB zählt mit rund 15 Millionen Transaktionen (2003) zu den umsatzstärksten und erfolgreichsten im deutschen Markt. Das Institut sieht in der Auslagerung dieses Prozesses dennoch die Chance,
die strukturelle Grundlage für weiteres Wachstum zu legen und absolute Spitzenleistungen zu erbringen - sowohl im originären Finanzgeschäft als auch auf der Transaktionsseite.
Auch für die Versicherungswirtschaft existieren bereits entsprechende Modelle. IT-Dienstleister sind in der Lage, Prozessabläufe bei Versicherungen nachhaltig zu flexibilisieren und zu verbessern. Wie schon beim Lösungsangebot für Banken handelt es sich dabei nicht um einfaches Outsourcing. Ziel ist es vielmehr, im Sinne eines Business Process Outsourcings (BPO) komplette Geschäftsprozesse für Kunden zu betreiben und zu verantworten.

Fazit
Auf dem Weg zur Überwindung von Ertragsrückständen im internationalen Wettbewerb zeigen sich in der deutschen Finanzdienstleistungsbranche erste Ansätze zu flexiblen Lösungen, die ein radikal verändertes Selbstverständnis von Banken und Versicherungen zur Grundlage haben. Die Zusammenarbeit mit branchenaffinen Partnern in unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerken stellt in diesem Zusammenhang einen wichtigen Hebel dar, um mehr als nur temporäre Fortschritte bei Kosten und Erträgen zu erreichen.

Dr. Jürgen Hernichel ist Leiter Industry Line Finance bei ­T-Systems