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Markt bietet noch Wachstum

Mittelständler setzen auf Teillösungen

Trotz Krise läuft das ERP-Geschäft im Mittelstand noch vergleichsweise gut. Für die aktuellen Kundenanforderungen sind vor allem moderne, flexible Systeme gefragt, die kontinuierliche Prozessverbesserungen ermöglichen. Statt aufs große Ganze zu gehen, setzen Anwender zunehmend auf Lösungen für Teilbereiche.

Autor:Michael Hase • 3.11.2009 • ca. 3:05 Min

Die Krise ist wie ein Tsunami über den Markt für Enterprise Resource Planning (ERP) hinweggefegt. Anwender überprüfen derzeit jeden Euro, den sie in betriebswirtschaftliche Standard-Software investieren, mehrfach auf den konkreten Nutzen. Geld geben sie nur für das aus, was in überschaubarem Zeitraum einen sicheren Return on Investment (ROI) verspricht. Indikator dafür ist die Geschäftsentwicklung von SAP. Beim Weltmarktführer brachen die reinen Lizenzerlöse in den ersten drei Quartalen des Jahres in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA) um 29, 40 beziehungsweise 26 Prozent ein. In Deutschland ging sogar der Gesamtumsatz der Walldorfer zuletzt um 15 Prozent zurück. Zugleich ist der Einbruch im Software-Vertrieb eine Hypothek für die Zukunft, weil weniger verkaufte Lizenzen in den darauf folgenden Quartalen zunächst weniger Implementierungsgeschäft, und dann auch weniger Wartungserlöse bedeuten.

Düstere Aussichten bei SAP – düstere Aussichten auch für die Partner? Nicht ganz! Bislang leidet das Geschäft mit mittelständischen Kunden offenbar weniger unter der Krise als der Direktvertrieb, dem Großaufträge mit Großkunden ausbleiben. Konzernchef Léo Apotheker sprach unlängst bei der Präsentation der Quartalszahlen von »Fortschritten im Massengeschäft«, also beim Abschluss vieler kleinerer Verträge. Deutet man die Aussagen aus Walldorf richtig, sieht die Situation im deutschen Mittelstand noch vergleichsweise günstig aus. Andreas Naunin, Leiter Mittelstand bei SAP Deutschland, befürchtete zwar noch im Juni, Partner könnten bereits in diesem Herbst wegen eines rückläufigen Lizenzgeschäfts gezwungen sein, deutlich Kapazitäten im Service abzubauen. Offenbar ist der schlimmste Fall bislang nicht eingetreten. Trotz Krise »beobachten wir immer noch Nachfrage nach neuen ERP-Systemen im Markt«, sagt Naunin aktuell auf Anfrage von Computer Reseller News. »Eine tief greifende Reduktion der Kapazitäten wie in den Jahren 2002/2003 ist heute noch nicht absehbar.«

Seinerzeit, nach dem Zusammenbruch der so genannten New Economy, war die Investitionsbereitschaft auch im Mittelstand auf den Tiefpunkt gesunken. Doch von der damaligen Situation ist der ERP-Markt, glaubt man den Worten des SAP-Mittelstandschefs, noch entfernt. Seine Beobachtungen decken sich nicht nur mit denen anderer ERP-Anbieter, die mittelständische Unternehmen adressieren. Vielmehr klingen die von CRN befragten Hersteller sogar noch eine Spur optimistischer als Naunin. Auch in der Wirtschaftskrise gebe es »doch eine beträchtliche Zahl an Firmen, die gerade jetzt, wo das Tagesgeschäft nach den vergangenen Boomjahren weniger Ressourcen bindet, umfassende IT-Projekte wie die Ablösung der bisher eingesetzten ERP-Lösung in Angriff nehmen«, führt Markus Haller, Vorstandsvorsitzender der Karlsruher AP AG, aus. »Mittelständler sind eher bereit, in schweren Zeiten zu investieren, da sie in vielen Fällen inhabergeführt sind.« Deshalb sehe man bei AP auch keinen Einbruch des Geschäfts.

Ähnlich äußert sich Godelef Kühl, Gründer und Vorstandschef von Godesys. »Wir werden auch 2009 den Wachstumskurs der vergangenen Jahre fortsetzen.« Rund 40 Neukunden hat der Mainzer Anbieter zuletzt pro Jahr gewonnen. Daran wird sich auch 2009 wohl kaum etwas ändern. Der Bedarf, die ERP-Infrastruktur zu modernisieren und Prozesse zu rationalisieren, sei in den von Godesys adressierten Branchen Handel, Dienstleistungen und Anlagenbau nach wie vor hoch, berichtet Kühl. Ebenso registriert auch der Münchner Hersteller SoftM ein »deutliches Wachstum« mit der Software Semiramis und »stabile Umsätze« mit den klassischen, für die IBM-Plattform System i ausgelegten ERP-Produkten. »Die Nachfrage nach Lösungen, die grundsätzlich neue Optionen eröffnen, wie unsere ERPII-Software zum Beispiel in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, ist unverändert groß«, betont Ralf Gärtner, Vorstand Marketing und Produkte bei SoftM.

Geht die Krise somit an diesen Mittelstandsanbietern komplett vorbei? Sicher nicht. »Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, wir spüren die Krise überhaupt nicht«, sagt Godesys-Chef Kühl. Die Auftragslage sei bei den Mainzern aktuell im vierten Quartal nicht mehr so hoch wie noch im Januar. Und SoftM-Vorstand Gärtner beobachtet bei vielen Projekten, dass »die Entscheidungsprozesse sich häufiger in die Länge ziehen«. Keine Frage, die aktuelle Situation stellt alle Anbieter vor Herausforderungen. Nach Einschätzung Gärtners verändert die Krise das ERP-Geschäft aber nicht grundsätzlich, sondern verstärkt eher bereits vorhandene Trends. Nach wie vor wolle ein Mittelständler durch den Einsatz von ERP-Software seine Prozesse verbessern, Transparenz in die Abläufe bringen, durch Analysewerkzeuge Schwachstellen erkennen und Verbesserungen vornehmen. Besonderer Wert werde in einer Krise aber »naturgemäß auf die Identifizierung von Einsparpotenzialen gelegt. Daher besteht besonderer Bedarf bei den Themen Kostenrechnung und Controlling.«