Offene Zweierbeziehungen
Offene Zweierbeziehungen Wer regelmäßig im ICE oder im Flieger unterwegs ist, kennt das Szenario.

Der Vordermann oder die Vorderfrau klappt das Notebook auf und studiert, für die »Hinterbänkler« gut sichtbar, die Vertragsabschlüsse und Kundenpotenziale. Im ICE hat man darüber hinaus noch die Möglichkeit, den Sprachkanal ganz ohne technische Hilfsmittel mitzuhören. Dazu benötigt man noch nicht einmal die Hinterbank. Alles in allem lässt sich sagen, dass die meisten Manager mit ihren Informationen und Daten eine offene Zweierbeziehung pflegen, will sagen: sie teilen die Informationen gern mit jedem in ihrer Nähe. Die großzügige und mehrkanalige Bereitstellung vertraulicher Daten für die Zufallsreisebegleiter ist nur ein Vehikel für das selbstlose »Information Sharing«. Eine gute Quelle sind auch nicht-hierarchische (P2P-) Netze. Sind doch diese Netze eine wahre Fundgrube für alle, die auf der Suche nach den neuesten internen Informationen zu Firma XY sind oder die sich über Neigungen, Gesundheitszustand oder auch Kontostand von Herrn Müller oder Frau Meier informieren wollen (siehe Artikel auf Seite 22ff). Kostengünstig zu erwerbende Suchwerkzeuge helfen beim Sammeln und Verdichten zuverlässig vertraulicher Informationen. Apropos Werkzeuge: Natürlich gibt es jede Menge an Abwehrmechanismen am Markt, die technische Barrieren aufrichten, um den Abfluss vertraulicher Daten zu verhindern. Und da das Thema gerade »in« ist, werden alle möglichen Verfahren im Moment umetikettiert auf »Data Loss Prevention« (siehe die Titelgeschichte »Datenverluste sind existenzgefährdend«, Seite 18ff). Wir wollen den Sinn dieser technischen Barrieren nicht bestreiten. Dennoch ist das eigentliche Problem nicht technisch, sondern sehr menschlich. Wer Zugriffsrechte auf vertrauliche Daten hat und diese Rechte durch Schlamperei oder Böswilligkeit missbraucht, der ist durch technische Barrieren nun einmal nicht zu stoppen. Verantwortungsbewusstsein, menschliche Loyalität und natürlich auch Grips sind die wesentlichen Garanten für Informationen, die vertraulich sind und dies auch bleiben sollten.
Jürgen Höfling juergen.hoefling@informationweek.de