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Retailer und Discounter: Fläche macht Kasse

Retailer und Discounter: Fläche macht Kasse. Der Einzelhandel setzt mit IT-, TK-, CE- und Foto-Produkten jährlich etwa 22 Milliarden Euro um. Rund die Hälfte davon erwirtschaften Betriebe mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro. Damit ist klar: die Fläche macht ? vor allem bei Unterhaltungselektronik ? richtig Kasse.

Autor:Redaktion connect-professional • 29.3.2006 • ca. 7:10 Min

Retailer und Discounter: Fläche macht Kasse

Die Konsumentenzurückhaltung geht auch am Retail nicht spurlos vorbei. Trotzdem zeigte sich Metro-Chef Hans-Joachim Körber zufrieden mit dem Ergebnis seiner Vorzeigegesellschaft Media Markt Saturn. Allein in Deutschland erwirtschafteten die 318 Verkaufsstellen mehr als 7,2 Milliarden Euro. Das waren immerhin 2,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor, als 302 Märkte knapp über sieben Milliarden Euro Umsatz meldeten.

Damit konnte der Flächenmarkt-Riese aus Ingolstadt einmal mehr die Spitzenposition unter den Retailern beweisen. Obwohl, richtig Geld verdienen ist nur noch im Ausland möglich. Denn wie jedes Handelshaus in Deutschland, müssen auch die Flächenmärkte beim Gewinn Abstriche machen. Die Margen verheißen längst nicht mehr grenzenlose Renditen. Und: Die Discounter branchenfremder Handelsgruppen machen den Retailern das Geschäft ebenso streitig, wie der Internet-Handel. Gerade übers Internet werden zunehmend IT-, TK-, CE- und Foto-Produkte geordert.

Dies spürten nicht zuletzt die Wegert-Brüder Michael und Matthias aus Berlin. Sie hatten im Dezember vergangenen Jahres 16 ihrer 48 Makromarkt-Standorte an die Verbundgruppe Electronic Partner in Düsseldorf abgegeben. EP-Chef Oliver Haubrich integrierte die Märkte in den EP-eigenen Medimax-Filialbetrieb. Die restlichen 32 Makromärkte behielten Michael und Matthias Wegert ? allerdings als Franchisenehmer unter der Marke Medimax.

Damit setzte sich in einem fast schon ruinösen Wettbewerbsumfeld eine Entwicklung fort, die längst den Retailhandel erfasst hatte: Konsolidierung genannt. Oder anders ausgedrückt: Wer das Billigprinzip auf die Spitze treibt, fällt im IT-, TK- und CE-Handel schnell auf die Nase. Selbst eher konservativ geführte Flächen wie die ehemalige Fröschl-Gruppe in München musste vor einigen Jahren das Handtuch werfen. Ebenso die von Karstadt-Quelle gehaltenen Schaulandt-Märkte.

Jährlich 225 Millionen Kunden in zwölf Ländern

Trotzdem gibt es einen Mitspieler in dieser Gruppe, der mit »Billig« und »Geiz« offensichtlich gut fährt: Die Media-Saturn-Holding. Und genau an dieser Gruppe reibt sich der kleine und mittlere Fachhandel. »Die machen uns den Markt kaputt, ziehen mit Lockvogelangeboten die Kunden an und wir haben das Nachsehen«, klagen Fachhändler gegenüber CRN. Selbst die ehrwürdige Frankfurter Allgemeine Zeitung legte die Hand auf die Wunde. So hatte die FAZ Anfang des Jahres mit der Schlagzeile »Die Trickser vom Media Markt« darüber berichtet, dass etwa 70 Prozent der stichprobenartig vorgenommenen Einkäufe teuerer ausfielen als bei konkurrierenden Unternehmen.

Doch das kümmert den Multi aus Ingolstadt nicht. Schließlich könne die Gruppe auf »das 27. Rekordjahr in Folge« zurückblicken, wie dies Unternehmenssprecher Bernhard Taubenberger gegenüber CRN formuliert. Rekordjahr bedeutete 2005 europaweit ein Umsatzplus von neun Prozent auf netto mehr als 13 Milliarden Euro. »Im vergangenen Jahr besuchten über 225 Millionen Kunden unsere 558 Fachmärkte in zwölf europäischen Ländern.«

Und von CRN darauf angesprochen, Media Markt könne nur bei Aktionsware günstig sein und würde keine Services erbringen, kontert Taubenberger: »Das wird nicht dadurch wahrer, indem man es immer wiederkäut. Fakt ist: Unsere Tiefpreisgarantie steht. Sieht der Kunde innerhalb von 14 Tagen ein bei uns gekauftes Produkt bei einem vergleichbaren Wettbewerber vor Ort günstiger, erhält er die Differenz von uns ausbezahlt. Fakt ist auch: Wir bieten die Beratung und Services, die der Kunde wünscht.« Der Erfolg von Media Markt und Saturn sei nicht zufällig. Schließlich seien die Kunden »von heute ausgesprochen mündiger«, und damit in der Lage, den richtigen Händler auszusuchen.

Damit ist klar, wer im Retailgeschäft die Hosen anhat. Das respektieren Hersteller und Distributoren. Gerade für die Grossisten ist klar: Wer in Ingolstadt den Fuß in der Türe hat, muss sich zwar auf harte Bedingungen einstellen, kann aber kisten- und palettenweise Waren liefern. Dass dabei weniger gut laufende Produkte häufig wieder zurückgenommen werden müssen, nehmen die Distributoren murrend in Kauf. Und den Herstellern ist dieser Absatzmarkt viel Geld wert. So soll die Media-Saturn-Gruppe jährlich mehr als 250 Millionen Euro allein für Marketing- und Werbeaktionen aufwenden. Gelder, die zum großen Teil über die Hersteller in die Märkte fließen.

250 Millionen Euro für Werbung und Aktionen

Auf das Erfolgsgeheimnis von Media Markt Saturn angesprochen, hält Taubenberger nicht hinterm Berg: »Wir bieten den Besuchern ein echtes Einkaufserlebnis: die größte Auswahl an Markenprodukten zum niedrigsten Preis bei sehr guter Beratung und umfangreichen Services. Außerdem stehen sämtliche Artikel unverpackt zum Ausprobieren und Vorführen bereit. Am jeweiligen Standort nehmen unsere Märkte mit ihrem einzigartig breiten und stets topaktuellen Sortiment eine Spitzenstellung ein.«

Dass aber die Breite des Sortiments nicht unbedingt ein Erfolgsfaktor sein muss, lässt sich an gut positionierten Fachhandelsbetrieben erkennen. So wird der kleine und mittlere Fachhändler trotz des Druckes durch Lebensmitteldiscounter und Retailer langfristig überleben können. »Aber nur, wenn er seine Vorteile voll ausschöpft: Individualisierung durch Dienstleistung«, mahnt Jürgen Rakow, Vorstands-Chef des Franchisehandels Vobis und Geschäftsführer der Marke Yakumo. Denn, so Rakow weiter, »die Hardware ist für den Fachhandel der Transmissionsriemen für die Dienstleistung«.

Dies erscheint durchaus richtig, partizipiert doch der kleine und mittlere Fachhandel allenfalls zu einem Viertel am gesamten Umsatz im ITK- und CE-Markt. Das Hauptgeschäft aber, »und das ist die dramatische Entwicklung«, wird zu 75 Prozent über die Großfläche abgewickelt. Und das werden in Zukunft vor allem die Hypermarkets sein, die schon heute ein Volumen abschöpfen, das in etwa dem Umsatzvolumen der großen Handelshäuser entspricht, nämlich rund elf Milliarden Euro. Also Handelsketten wie beispielsweise Real. Dort wird, allerdings bei sehr kleinem Sortiment, Masse gemacht. Zu den zukünftigen Gewinnern wird auch der Internet-Handel zählen. »Da ist das Angebot groß, der Einkauf leicht und bequem.« Als weiteren Gewinner sieht Rakow ungeachtet vieler Unkenrufe den qualifizierten Fachhändler. Wo sonst, fragt er, bekommt der ratsuchende Kunde Hilfe, bekommt Unterstützung zum Beispiel bei komplexeren Lösungen oder auch Produkten?

Differenziert beurteilt auch Joachim Dünkelmann, Bundesverband Technik im Einzelhandel, die Situation. »Es gibt keinen Automatismus für Erfolg. Nur weil ein Unternehmen auf einen bestimmten Vertriebstyp setzt, ist es noch lange nicht auf der Gewinnerstraße.« Grundsätzlich, so der stellvertretende Geschäftsführer des BVT, haben großflächige Fachmärkte zugelegt. Dies seien sowohl inhabergeführte Märkte, als auch Franchisesysteme und konzernzugehörige Standorte. Allerdings habe der Discount bei Consumer Electronics, PCs und Zubehör seinen Zenit überschritten. Potenziale erkennt Dünkelmann im Mobilfunkdiscount. Wie schnell sich die Märkte verschieben können, verdeutlicht er am Beispiel des digitalen Spiegelreflex-Sortiments und dem entsprechenden Zubehör: »Der qualifizierte Foto-Fachhandel gewinnt wieder deutlich Anteile zurück. Nämlich überall dort, wo individuelle Beratung und persönliche Dienstleistung gefragt ist, entstehen für flexible und kompetente Mittelständler lukrative Marktsegmente.«

Genau diese Flexibilität und individuelle Beratung reklamiert Oliver Haubrich für die EP-Händler. Auch für die Electronic-Partner-Marke Medimax, also jene Flächenmärkte, die ebenso wie Red Zack von Euronics oder die Märkte der Expert-Gruppe dem Retail, zumindest aber der Großfläche zugerechnet werden dürfen. Für Haubrich steht ganz außer Frage, dass auch die inhabergeführten Medimax-Märkte »einem hohem Serviceanspruch« auftreten. »Der Beratungsanteil bei Medimax liegt bei 40 Prozent«, betont er. Und das sei ein sehr hoher Anteil, der beispielsweise beim Discountmarkt nicht geboten werde. Dabei, so der EP-Geschäftsführer, würden die Märkte jeden Preisvergleich mit anderen Flächenanbietern standhalten.

Flächenmärkte bieten auch Service und Beratung

Wichtig aber sei, so Haubrich, die Internationalisierung der Flächenmärkte. »Die Hersteller verstehen nur eins: europäische Einkaufsmacht.« Deshalb expandiere Medimax verstärkt im Ausland, zuletzt mit einer Markteröffnung in der Türkei. Mit derzeit 110 Medimax-Märkten sieht Haubrich die eigene Marke als die Nummer zwei im Ranking der Großfläche. Mehr noch, langfristig würden nur zwei Gruppen in der Großfläche erfolgreich bleiben. Das wären neben Medimax noch Media-Markt-Saturn.

Bei dem Gerangel um Positionen und Kunden sieht Frank Roebers, Vorstand Synaxon AG, die zur Holding gehörenden Gesellschaften wie PC-Spezialist mit seinen Fachhändlern gut positioniert. Ebenso Digital Inc. Die neue Betriebsform kann als Fachmarkt mit großer Fläche verstanden werden. Doch im Gegensatz zu einem in direkter Nachbarschaft gelegenen Retailer, »sprechen wir unterschiedliche Kundengruppen an. Jemand der beraten werden möchte, kommt zu uns. Jemand der schon genau weiß, was er kaufen will, geht zum Retailer oder Discounter.« Deshalb fürchtet er weder die Nähe noch die Verkaufsmacht der Retailer und Discounter. Wichtig ist für Roebers, dass der Fachhandel aus dem Interesse vieler Kunden am Internet-Shopping lernt. »Der Web-Shop sollte gerade für den Fachhandel als sinnvolle Ergänzung betrachtet werden. Online-Shopper kaufen sowieso im Internet. Wenn es also keine Web-Shops gibt, tun sie dies beim Wettbewerb.« Unterm Strich aber, und da sind sich unter anderem Haubrich, Rakow und Roebers einig, hat der Fachhandel seinen großen Vorteil in der Beratung und in einem breiteren Sortiment als beispielsweise die Discountmärkte branchenfremder Handelsorganisationen wie beispielsweise Lidl, Aldi oder Penny. Gleichwohl gesteht EP-Chef Haubrich zu, dass »am Ende der Kunde entscheidet, wo er kaufen will. Will er mehr als nur Produkte, geht er zum Fachhändler.«

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Kommentar

Zetern über den Retail gehört zum guten Ton beim Fachhandel. Aber davon wird es nicht besser. Ob »Geiz ist geil« oder Beratung besser ist, entscheidet der Kunde. Ebenso ob übers Internet oder im Laden gekauft wird. Die Kaufgewohnheiten haben sich geändert. Drastisch ist das an der Statistik über die Umsatzverteilung abzulesen. Beim Absatz von Unterhaltungselektronik und Zubehör setzten 2004 die 9.557 Einzelhandelsbetriebe mit einem Umsatz bis maximal 10 Millionen Euro rund 3,39 Milliarden Euro um. 8,63 Milliarden Euro erwirtschafteten dagegen 58 Unternehmen mit mehr als zehn Millionen Euro Umsatz. Ähnlich auch beim Einzelhandel mit PCs, Peripherie und Software. Die Masse, 9968 Betriebe bis 10 Millionen Euro Umsatz, erwirtschafteten 3,91 Milliarden Euro. Die restlichen 70 Handelsunternehmen waren am Marktvolumen mit 2,67 Milliarden Euro beteiligt.

Die Großfläche wird weiterhin das Massengeschäft abschöpfen. Aber auch Retailer müssen aufpassen. Wer beim Hypermarket Frischfleisch, Getränke und Gemüse kauft, greift auch schnell ins Regal mit TFT-Monitor oder Drucker. Und der Internet-Handel legt deutlich zu. Aber Mehrwert gibt?s nur beim Fachhandel und servicestarken Fachmärkten. Deshalb kann und wird der Fachhandel überleben. Und er kann gut leben, wenn er sich um die Kunden bemüht.

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INFO

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