Unmoralisch: Klingelbeutel im World Wide Web
Mit der sicheren Unterscheidung zwischen Gut und Böse lässt sich eine Menge Geld verdienen.
Während die eher brotlose Kunst der Philosophie sich seit Ewigkeiten zu keiner klaren Antwort in dieser Frage durchringen kann, lebt die Kirche hervorragend von dem Geschäft mit der Moral. Die Kernkompetenz der moralischen Überlegenheit legen auch die Betreiber von Firewalls an den Tag und schützen arglose E-Mail- Empfänger vor bösen Hacker- Angriffen.
In Ausübung dieser Tätigkeit kamen Anti-Spam-Produkte des Anti-Virus-Experten Symantec zu dem Ergebnis, dass es sich bei Teilen des Codes von der Kirchen- Software »Visual Liturgy« der Church of England um Spyware handeln müsse. In 4.500 englischen Kirchen wurde das Programm lahmgelegt, das Vikare und Theologen üblicherweise zur Vorbereitung ihres Gottesdienstes nutzen. In Sachen Moral hat die Kirche wohl immer noch die überzeugendsten Tools.
Inzwischen hat die Religion auch den Sündenpool des World Wide Webs entdeckt und bietet mit Beichtstuhl und Klingelbeutel ihre Kernkompetenz für die virtuellen Sünder an. Auf der englischen Web-Seite www.cheatneutral. com gibt es zum Beispiel einen Ablass für Seitensprünge, wenn der reuige Fremdgänger im Gegenzug eine kleine Spende an einen treu monogam lebenden Partner leistet. Ein Platz im Himmel winkt hier schon für vier Pfund.
Auf dem Online-Portal des Männer-Magazins Men’s Health können kurzzeitig vom Weg der Tugend abgekommene Männer über einen Ablass-Rechner ermitteln, was sie – je nachdem welcher der sieben Todsünden sie sich schuldig gemacht haben – unternehmen müssen, um sich von ihrem schlechten Gewissen zu befreien.
Wer den klerikalen Web-Segen nur vom Papst persönlich erfahren will: Auf der Internetpräsenz des Vatikans www.vatican.va geht es per Mausklick direkt zur Online-Spende: »Sie können ihren Beitrag dem heiligen Vater jederzeit direkt zukommen lassen «, so die freundliche Aufforderung der heiligen Homepage. Visa, American Express oder Mastercard werden natürlich akzeptiert.
