Verrechnet
Verrechnet. Geht es nach Jürgen R. Thumann, geht Deutschland wieder Goldenen Zeiten entgegen. In seiner kleinen »Ruckrede« spricht der Präsident des mächtigen Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) von den Chancen für Aufbruch und Wachstum, welche die bevorstehenden Neuwahlen mit sich bringen werden.
Verrechnet
Recht hat der Mann, denn schließlich sind Bundeskanzlerin in spe samt ihrer Berater bereits vor Wochen aufgebrochen und produzieren eine wahre Flut von Vorschlägen, wie das gebeutelte Land wieder auf Vordermann zu bringen ist: Kopfpauschalen für die Krankenversicherung, Steuervereinfachung per »Bierdeckel-Erklärung«, Mehrwertsteuererhöhung, Wertevermittlung, ja selbst für Masthühner findet die CDU wegweisende Konzepte, als ob es auch beim Federvieh am 18. September Stimmen zu holen gäbe.
Soweit ist es aber (noch) nicht. Bevor die Geflügelwirtschaft mit einem einheitlichen Wert bei der so genannten Besatzdichte in Käfigen rechnen kann, steht bei der CDU erst einmal die allgemeine Wirtschaft ? und hier speziell der Arbeits- und Beschäftigungsmarkt ? im Vordergrund. Nach der Regierungsübernahme, so hört man von der CDU, wird vor allem eine Regel gelten: Vorfahrt für Arbeit. Details der neuen StVO für Arbeitnehmer und Unternehmer werden zwar noch gehütet, erste Ideen hat der künftige Superminister Edmund Stoiber aber schon in der Tasche.
Eine vielversprechende Vorlage lieferte dem Bayern bereits der Münchner Elektronikriese Siemens: So startet bei der einstigen Tochtergesellschaft Sinitec jeder Angestellte mit einem negativen Arbeitszeitkonto von 104 Stunden jährlich. Ein Vorbild aus der Industrie nicht nur für Beamte und den öffentlichen Dienst, sondern auch für die Sanierung der maroden Staatskasse.
18. September 2005 ? sozusagen die Stunde Null für den neuen Finanzminister: Jeder Kontoinhaber in Deutschland beginnt die neue Legislaturperiode mit einem Minus von 17.500 Euro, der Bund ist auf einen Schlag entschuldet. Und weil Negativ-Beiträge eine tolle Sache sind und den Standort Deutschland wieder attraktiv machen sollen, dürfen sich vor allem Unternehmer schon jetzt auf den 18. September freuen. Als kleines Wahlgeschenk rutschen ihre Steuer-Debitoren ebenfalls automatisch ins Minus.