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Update Application Delivery und VDI, Teil 2

Vier Wege zum virtuellen Desktop

Der Markt für Server-based Computing (SBC oder Application Delivery) und Desktop-Virtualisierung (VDI) ist spannend wie nie zuvor. Teil 1 dieses Artikels (

Autor:Dr. Wilhelm Greiner • 19.2.2009 • ca. 5:20 Min

www.lanline.de/kn31746307) konzentrierte sich auf Fragen der Zugriffsprotokolle und Neuigkeiten bei den zentralen Anbietern Citrix, Vmware und Wyse. Teil 2 widmet sich nun weiteren News auf Server- und Thin-Client-(TC-)Seite.

Forrester-Analystin Natalie Lambert ("Demystifying Client Virtualization", April 2008) unterscheidet vier Methoden der Client-Virtualisierung: Hosted Application Virtualization (also SBC via Microsoft Terminal-Services und Citrix Xenapp), Local Application Virtualization (dies meint Application Streaming à la Citrix Provisioning Server, Vmware Thinapp oder Microsoft App-V), Hosted Desktop Virtualization (VDI zum Beispiel mittels Vmware View 3 oder Citrix Xendesktop) sowie Local Desktop Virtualization (zentral gemanagte lokale Client-Virtualisierung wie mittels Vmware ACE, künftig Vmware Offline-VDI, oder auch mittels Microsoft Enterprise Desktop Virtualization, kurz MED-V).

Es fällt auf, das Microsoft drei der vier Methoden heute bereits abdeckt: SBC und Streaming (per Softgrid-Akquisition) ebenso wie die lokale Desktop-Virtualisierung. Letztere, bei den Redmondern vertreten durch MED-V, ist allerdings nur Anwendern mit Software-Assurance-Vertrag zugänglich: Microsoft positioniert MED-V als Tool für die zentrale Verwaltung virtualisierter Client-PC-Images und vermarktet die Lösung als Teil des Desktop Optimization Packs for Software Assurance. Auch für die Hosted Desktop Virtualization hat Microsoft wichtige Komponenten im Portfolio: die Virtualisierungsplattform Hyper-V ebenso wie SCVMM (System Center Virtual Machine Manager) für die zentrale Verwaltung. In der Tat beschreibt Microsoft auf der eigenen Website "Microsoft VDI" auch als "vollständige End-to-End-Microsoft-Virtualisierungslösung".

Microsoft-VDI-Portfolio fast vollständig

Der wichtige fehlende Baustein, für den die Redmonder bislang doch noch auf ihren langjährigen Zentralisierungspartner Citrix verweisen mussten, ist ein Connection Broker für die Vermittlung zwischen den Client-Geräten und den gehosteten Client-Instanzen - für ein Softwareschwergewicht wie Microsoft eigentlich eine schnell zu behebende Lappalie. Und in der Tat hat Redmond im Herbst angekündigt, dass die Terminal-Services (TS) künftig "Remote-Desktop-Services" heißen werden. Microsoft will das TS-Brokering mit dem VDI-Brokering zusammenführen. In der Branche rechnet man damit, dass die Remote-Desktop-Services mit dem Windows Server 2008 R2 eingeführt werden, zusammen mit Multimonitorunterstützung und bidirektionalem Audio. Branchenkenner Brian Madden geht aber davon aus, dass R2 noch nicht die Zugriffsbeschleunigung enthalten wird, die Microsoft letztes Jahr mit Calista erworben hat.

Zwei weitere große Namen tummeln sich im VDI-Umfeld: Symantec hat mit der Übernahme von Nsuite im Sommer 2008 nun ebenfalls über SBC- und Connection-Broker-Funktionalität zu bieten, und Quest verfügt via Provision-Networks-Zukauf über RDP-Erweiterungen (Microsofts Remote Desktop Protocol), darunter lokales Rendering auf Client-Seite, Bitmap-Kompression, Flash-Redirect zum lokalen Browser und bidirektionales Audio.

Novell hat im Herbst mit Zenworks Application Virtualization eine Alternative zu App-V vorgestellt, die vorkonfigurierte Templates für gängige Business-Software enthalten soll. Die TS-Erweiterung Netman Desktop Manager 4 von H+H Software ist per Java-Client plattformunabhängig geworden, ein neuer Server-Monitor erleichtert das Management und erlaubt verfeinertes Load Balancing. Konkurrenz hat H+H inzwischen durch Propalms TSE 6.0 erhalten: Die Lösung bündelt TS-Erweiterung und VDI in einer webbasierten Management-Konsole. Sie bietet Load Balancing ebenso wie Integration in das Active Directory und AES-Verschlüsselung des gesamten Datenverkehrs.

Neu bei der Fernzugriffslösung RD VPN 1.3 von HOB ist ein Integrity Check zur Prüfung externer Rechner auf aktuelle Virenscanner und -signaturen. Neben IPSec- und SSL-Unterstützung bietet die Lösung einen Target-Filter für die Restriktion des Fernzugriffs auf zugelassene Ziele sowie einen universellen Druckertreiber.

Die große Neuigkeit im TC-Markt ist, dass der deutsche Lokalmatador Igel sein Portfolio derzeit generalüberholt: Die Bremer nutzen künftig jeweils ein modulares und somit erweiterbares Software-Image für Windows CE, Windows XPe und Linux.

Igel erneuert Produktpalette

Die Images gibt es in drei Ausbaustufen: "Entry" mit den Basis-Connectivity-Clients, "Intermediate" mit zusätzlichem Browser sowie Dokumenten-Viewern sowie "Advanced" mit Java Virtual Machine, Media Player und weiteren Bausteinen (Digital Service Packs oder DSPs genannt). Die Freischaltung der Module erfolgt allerdings derzeit (noch) nicht per Lizenzschlüssel, wie man dies von mancherlei modularer Appliance her kennt, sondern bei Bestellung im Igel-Werk. Der Vorteil, so Igels Mann für das weltweite Marketing Stephen Yeo: "Der Kunde zahlt so nur für Software, die er auch benötigt."

Zusammen mit der neuen Software-Architektur führt Igel auch neue Geräte ein, "Universal Desktops" (UDs) genannt. Das Einstiegsgerät ist der UD2 mit 400-MHz-VIA-CPU und 500 MByte Flash (für Linux) oder 1 GByte Flash (für XPe). Der UD2 unterstützt maximal das Intermedia-Image, Windows CE gibt es künftig nur auf dem UD2. Für das mittlere Segment empfielt Igel den UD3 mit 800-MHz-VIA-Prozessor, für das Advanced-Segment den UD5 mit 1,5-GHz-VIA-CPU. Die Software-Images bleiben also zumindest teilweise an bestimmte Gerätetypen gebunden. UD3 und UD5 bieten einen Smart-Card-Reader (UD2 nur via USB), außerdem lassen sie sich laut Yeo auf eine Fußstütze montieren, die als Erweiterungs-Slot fungiert, ähnlich einer Docking Station für Notebooks. Der UD5 unterstützt DVI-I und DVI-D gleichzeitig. Das Quad-Screen-Gerät Panaveo heißt künftig UD6, die integrierten Elegance-Geräte UD9, beide bieten jeweils das volle Software-Image. Die Verwaltung der Hardware, Software und Profile dient die "Universal Management Suite". Sie analysiert laut Yeo den installierten Modulbestand, sodass bei Software-Updates nur die freigeschalteten Module zu laden sind.

Wyse bietet zusammen mit Novell nun TCs der Baureihe X50L mit "Wyse Enhanced Suse Linux Enterprise" an. Sie bieten laut Wyse Gnome-Desktop und Firefox-Browser, aber auch Active-Directory-, Multimedia- und USB-Unterstützung.

Nachdem HP bereits im Herbst einige neue Geräte vorgestellt hatte (t5145, t5540, t5545 und t5630), folgte mit dem HP gt7725 ein Spezial-TC für anspruchsvolle Fernzugriffe: Das Gerät umfasst eine AMD-RS780G-Grafikkarte und unterstützt mehrere Displays (auch Touchscreen und Formatwechsel). HP zielt damit auf die Darstellung von 2D/3D-Modellen und Simulationen.

Dell offeriert mit dem Optiplex 160 einen Kleinst-PC mit Intel-Atom-CPU, der sich auch als TC nutzen lässt. Die österreichische Liscon hat mit dem neuen Kernel 2.6.24 Sicherheit und Verwaltbarkeit verbessert, zudem unterstützen die Geräte nun die Diktiersoftware Prodictate von Brainworks. Die aktuellen Linthin-Geräte des Anbieters Linware sind zu Listenpreisen ab 191 Euro zu haben. Die TCs von Rangee sind über Sysob erhältlich, das Portfolio umfasst preiswerte TCs wie auch leistungsstarke Geräte jeweils mit VGA- und DVI-Anschlüssen, zudem in mobiles Gerät mit Intel-Prozessor.

Visionapp, Spezialist für das Management von SBC-Server-Farmen, erweitert mit VSM 2008 R2 (Visionapp Server Management 2008 Release 2) sein Spektrum um ein Client-Deployment für Windows XP und Vista. Damit macht Visionapp nun den Enteo-Lösugnen Konkurrenz, die aus der Client-Verwaltung kommen und seit einiger Zeit auch Citrix-Serverfarmen mit abdecken.

Visionapp mit Client-Verwaltung

Die OS-Verteilung erfolgt über WDS (Windows Deployment Services), das Patch-Management ebenfalls über die Windows-Dienste (WSUS). Laut Visionapp erlaubt es die hauseigene Softwareverteilung, Pakete für Clients und Server gleichzeitig zu schnüren. Zudem bietet VSM eine Image-Verwaltung für den Citrix Provisioning Server, laut Visionapp ein Alleinstellungsmerkmal. Der Fernzugriff auf Endgeräte läuft über VRD 2008. Das Remote-Control-Werkzeug sollte mit Erscheinen dieser Ausgabe in der aktuellen Version VRD 2009 erschienen sein, die auch Funktionalität des zugekauften Open-Source-Tools Mremote umfasst.

Citrix‘ Lastmanagementwerkzeug Edgesight beherrscht nun synthetische Sessions und erlaubt laut Hersteller damit auch Lastsimulationen. Das Beratungshaus Centracon bietet inzwischen eine Potenzialanalyse für die Client-Virtualisierung an.

Es wird dieses Jahr spannend sein zu beobachten, wie groß das Potenzial der Hosted-Desktop-Virtualisierung ist und wie gut sie sich neben SBC und den lokalen Virtualisierungsansätzen behaupten wird. Technisch reizvoll sind alle vier Ansätze. Doch die SBC-Konkurrenz muss teils erst noch beweisen, dass sie auch bei der Kostenrechnung gegenüber SBC mithalten kann.