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Wenn Schüsse nach hinten losgehen

Wenn Schüsse nach hinten losgehen. An dieser Stelle der Staat & IT betrachten wir normalerweise die Bedeutung der IT in Bezug auf die Kosten und Prozesse der öffentlichen Hand.

Autor:Markus Bereszewski • 23.11.2005 • ca. 1:25 Min

Wenn Schüsse nach hinten losgehen

Aufgrund des aktuellen Geschehens möchte ich unseren Magazinnamen hier zum Anlass nehmen, um ihn auf einer anderen ­Ebene zu thematisieren. In der vergangenen Woche fand der zweite Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) in Tunis, Tunesien statt. Leider glänzte der Internet-Gipfel nicht durch nach­haltige Ergebnisse, Erkenntnisse oder gar Beschlüsse ? nein, er machte durch eine Mixtur aus demokratischen Mangelerscheinungen und bitteren Absurditäten von sich reden, wie die meisten sicher mitbekommen haben dürften: Die Regierung Tunesiens, die den Internetgipfel ausrichtete und sich obendrein auch noch als seinen Ideengeber versteht, ist auch die, die die Berichterstattung über den Gipfel in die ihr genehmen Bahnen zu lenken versucht, bekannt kritischen Journalisten die Einreise verweigert und ebensolche Internetseiten kurzerhand zensiert. Die politische (und auch informationstechnische) Dummheit dieser Aktionen kann wohl kaum überbewertet werden. Ob man da den naiven Glauben heranzieht, durch die landesweite Sperrung einiger Websites die weltweite Verbreitung unangenehmer Inhalte unterbinden zu können, oder gar die als schlichtweg brillant zu bezeichnende Idee, ausgerechnet dem Chef von »Reporter ohne Grenzen« die Einreise ins Land und damit zum Gipfel zu verweigern, um kritische Töne im Keim zu ersticken ? Chapeau, darauf muss man erst einmal kommen!
Wer sich nun noch darüber ärgert, dass mit diesen ebenso undemokratischen Methoden wie egoistischen Dummheiten eine potenzielle Chance für die nicht nur in Bezug auf die Informationstechnologie Ärmsten dieser Welt vertan wurde, um die es bei dem Gipfel eigentlich gehen sollte, der mag sich vielleicht auch in einem komisch ambivalenten Gefühls des Glücks und der Gewissheit darüber zurücklehnen, dass solche Übergriffe des Staates bei uns in der Form nicht (mehr) möglich sind. In diesem Zusammenhang fällt mir der Fall Cicero ein und die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Untersuchungen, wer für die Beschattung von Journalisten in den 90er Jahren durch den Bundesnachrichtendienst verantwortlich war.
Schließlich und dennoch: Viele Anregungen bei der Lektüre! Ihr Markus Bereszewski Chefredakteur markus.bereszewski@staatundit.de