Wettkampf der Architekturen
Server-based-Computing – Für die meisten Fachleute steht außer Frage: Unternehmen können mit Server-based-Computing gegenüber Client- Server-Architektur erhebliche Kosten einsparen. Die Modellrechnungen, mit denen die Anbieter aufwarten, gehen aber nicht in jedem Fall auf.



Die IDC bringt eine reinrassige Serverbased- Computing-Umgebung mit Thin- Clients als Arbeitsplatzsysteme auf folgenden Kostennenner: bis zu 56 Prozent niedrigere TCO im Vergleich zur Client-Server-Architektur.Mit eingerechnet hat das Marktinstitut die Einsparungen über den Arbeitsplatzrechner- Lebenszyklus, der bei Thin-Clients länger ist. Das Marktinstitut Gartner spricht von TCO zwischen neun und 41 Prozent, abhängig vom Automatisierungs- und Standarisierungsgrades der Client-Infrastuktur. Susanne Warken, Product Manager Central Europe bei Citrix Systems, führt für diesen deutlichen Kostenunterschied vor allem das innerhalb einer Server-based- Computing-Architektur komplett zentralisierte Management ins Feld. »Es ist viel gewonnen, wenn die Verantwortung für die Sicherheit und Verfügbarkeit in den richtigen Händen liegt, nämlich bei den Administratoren. Denn die Daten im Firmennetzwerk sind prinzipiell im Rechenzentrum besser aufgehoben.«
Dann kümmerten sich geschulte Profis um Antiviren-Software, Betriebssystem-Updates und Patch-Management. Warken: »Alle Mitarbeiter greifen über eine für die Administratoren durchgehend transparente und zentralisierte Access-Infrastruktur auf die Daten und Anwendungen auf den zentralen Servern zu«. Die Einsparungen und höhere Mitarbeiterproduktivität innerhalb einer solchen Access-Infrastruktur führt sie auf weniger Störungen und Ausfälle sowie Attacken auf die Clients zurück. Außerdem sei innerhalb einer Access-Infrastruktur ein sicherer Fernzugriff von jedem Endgerät über öffentliche Internet-Verbindungen möglich, beispielsweise auch aus dem Internet-Cafe. Denn der Sicherheitsstatus jedes Endgeräts und Zugangs werde automatisch geprüft, danach regelbasierend entschieden, welche Aktionen der Nutzer im einzelnen durchführen dürfe.
Markus Schmid, Senior Business Developer bei Siemens Business Services, bestätigt für echte Thin-Clients mit lediglich Ein- und Ausgabefunktionen gegenüber den zentralen Terminal-Servern: »Die erreichbaren Einsparungen sind überzeugend.« Bei Siemens Business Services geht man sogar von einer Reduzierung der Gesamtkosten gegenüber dem Client-Server-Modell für einen Betrachtungszeitraum von drei bis fünf Jahren von bis zu 63 Prozent aus. Als weiteren lukrativen Einsparer führt Schmid die Möglichkeit auf, die Software einschließlich der Versionsstände über alle Standorte zentral bereinigen zu können. »Diese zentral verordnete Software-Standardisierung drückt die Betriebskosten weiter nach unten«, sagt er. Schmid verweist auf zusätzliche Einsparungsfaktoren durch Server-based- Computing:
- Geringerer Service-Aufwand durch Software- Standardisierung,
- längerer Lebenszyklus von Thin-Clients,weil sie mit nur Datenein- und -ausgabeaufgaben weitgehend gegen steigende Ressourcenanforderungen immun sind,
- schnelle Software-Roll-outs, die innerhalb einer großen Organisation statt vieler Wochen, nur wenige Stunden in Anspruch nehmen.
Die Gesamtkosten für einen voll ausgerüsteten Desktop beziffert er dagegen über einen Lebenszyklus von rund vier Jahren auf etwa 16 000 Dollar. Analysten wie Robert McNeill von Forester Research, geben Schmids PC-Kosteneinschätzungen indirekt recht. Der Analyst hat fast 20 Aufgaben rund um den Software- beladenen Desktops identifiziert,deren Erfüllung die Kosten nach oben treiben: installieren, ins Netz einbinden, Software verteilen, Nutzern helfen, umziehen, reparieren, für Sicherheit sorgen und finanzieren sind nicht einmal die Hälfte davon.
Mögliche Einsparungshemmnisse
Allerdings kann die Einführung von Serverbased- Computing auf interne Widerstände treffen. Insbesondere die Mitarbeiter müssen frühzeitig von den Vorteilen des Server-based- Computing überzeugt werden.Andernfalls sind erwartete Einsparungen gefährdet, verschiebt sich der anvisierte Amortisierungszeitraum nach hinten. »Auch der richtige Zeitpunkt für die Einführung sei entscheidend, informiert Andreas Koch, Senior Consultant bei Unilog Avinci. Sind die bestehenden Server und/oder PCs noch nicht abgeschrieben, bestehen noch Support- und/oder Software-Lizenzverpflichtungen, können durch den Wechsel zum Serverbased- Computing mit einer Thin-Client- Infrastruktur zwischenzeitlich doppelte Belastungen entstehen.«
Zudem ziehe der Wechsel zu einer komplett anderen IT-Architektur veränderte IT-Prozesse, teils sogar veränderte Geschäftsabläufe nach sich. So müssen für Server-based-Computing die administrativen Prozesse stärker zentralisiert, Informationsabläufe neu gestaltet werden.« Alle doppelten Kosten sowie die Aufwände für notwendige Anpassungen, sensibilisiert der Berater, müssten in einen seriösen Kostenvergleich zwischen beiden Architekturen einfließen. »Kommt Server-based-Computing nicht mit Thin-Clients, sondern mit intelligenteren Smart-Clients auf den bestehenden PCs zum Einsatz«, so Koch, »fällt die Wechselphase weniger kostspielig aus.« Er sieht ohnehin mit neuen Funktionalitäten aus der Ecke der Anbieter wie Citrix oder Sun Microsystems/ Tarantella die Zeit für Smart-Clients mit mehr Betriebssystemintelligenz und lokalem Speicher gekommen. Er verweist dazu auf Microsofts neue Client-Betriebssoftware, »Windows Fundamentals for Legacy PCs« oder kurz »WinFLP«, für Großkunden. Sie verhalte sich wie Windows-XP und ziehe für das Management der Endgeräte keine oder nur marginale Anpassungen nach sich.
Produktmanagerin Warken von Citrix bestätigt: »Innerhalb einer Access-Infrastruktur sind smarte Clients gefragt. Über sie stellt der Benutzer kaum mehr Leistungs- und Komfortunterschiede gegenüber PC-Arbeitsplätzen fest.«
Sie nennt dafür Gründe:
Verarbeitungsstarker Terminal-Server-Pool im Hintergrund einschließlich dynamischer Lastverteilung für eine hohe Zugriffs- Performance,
- individuelle Arbeitsumgebung,
- hochauflösende Bildschirmdarstellung mit 24-Bit-Farbtiefe (True-Colour-Modus),
- bandbreitenschonende Komprimierung von Bildschirm- und Druckinhalten,
- intelligente Stabilisierungstechnik (»Smooth- Roaming«) nach Verbindungsausfällen oder Wechsel des Endgeräts.
Solche Vorteile, so Warken, kämen mittlerweile auch mobilen Handhelds mit ICAClient unter Windows-Mobile-Software, Windows- XP-Embedded,EPOC (Psion) und Linux zugute. Zumal für den Transfer von Bildschirminhalten über weniger bandbreitenstarke mobile Verbindungen die Darstellung in Schritten – 24 Bit, 16 Bit, 8 Bit, 4 Bit – herabgestuft werden könne.
Technische Umsetzungshindernisse
Doch trotz ausgemachtem Trend zu intelligenteren Smart-Clients: unterschiedliche Gründe können gegen einen vollständigen Einsatz von Server-based-Computing sprechen. »Zahlreiche Anwendungen sind für den Einsatz auf Teminal-Servern nicht oder nur bedingt geeignet «, gibt Koch von Unilog Avinci den Entscheidern zu bedenken. Er verweist auf eine Vielzahl von Spezialanwendungen. Bei Applikationen mit hohem grafischen Anteil wie CAD sowie verzögerungsempfindlichen Echtzeit- Videoströmen könne es zudem durch die bildschirmorientierte Übertragungsweise zu Darstellungseinbußen kommen. Deshalb kämen Unternehmen in einzelnen Bereichen nicht daran vorbei, eine Doppelstrategie aus Client-Server- (Fat-Clients) und Server-based-Computing-Infrastruktur zu fahren.Hier gilt es, so Koch, doppelte Aufwände beim Management der beiden Infrastrukturen zu vermeiden. Er verweist auf ein weiteres Hindernis beim Einsatz von Server-based- Computing: »Es erfordert eine ständige Online- Verbindung zwischen Server und Endgerät.« Geräte, die nur bei Bedarf Verbindung aufnehmen, beispielsweise mobile Notebooks, sollten deshalb besser Fat-Clients sein.
Marcus Rubenschuh, Senior Manager ITSecurity bei Ernst & Young, macht für Mischinstallationen auf den höheren Sicherheitsaufwand aufmerksam. »Seine Höhe wird in diesen Einsatzfällen weniger von minder angreifbaren Terminals und Terminal-Services, vielmehr von angriffsgefährdeteren Client-Server-Anwendungen bestimmt.« Er verweist in diesem Zusammenhang auf das volle Sicherheitsprogramm für die PC-Arbeitsplätze, angefangen von VPN-Client und Personal-Firewall über Antivirus-Schutz, E-Mail- und Spam-Filter bis hin zu einer starken Authentisierung, beispielsweise über Sicherheits-Token oder Smartcard. Daneben registriert Rubenschuh mit der neuen Generation an Smart-Clients, dort wo einsetzbar, aus dem Blickwinkel der IT-Sicherheit Veränderungen. »Sie kommt in Zeiten der Internet- Kommunikation nicht mehr ohne USB-Schnittstellen für Datenim- und -exporte und Programmstarts sowie Datenspeicher aus. Dadurch «, so der Ernst&Young-Berater, »werden trotz zentraler Führung die smarten Clients allmählich anfälliger gegenüber Virus-, Wurm-, Trojaner- und Hacking-Attacken.«
Einsatzfelder genau sondieren
Berater wie Rubenschuh oder Koch raten deshalb, die Anwendungsfelder, in denen Serverbased- Computing zum Einsatz kommen soll, genau zu sondieren. Büroanwendungen, Enterprise- Resource-Management (ERP) und Customer-Relationship-Management (CRM) seien Bereiche, in denen sich diese Technologie in der Regel schnell amortisiere. »Sofern sich die Hardware wie Server und PCs auf das Abschreibungsende zu bewegen und die bestehenden Softwarelizenz- und Supportverträge auslaufen«, wie Rubenschuh einschränkt. Andernfalls lohne es sich für die Unternehmen meist, so lange zu warten. Der smarte Client auf dem PC ist für Rubenschuh ein zweischneidiges Schwert. »Über den Desktop kommt schnell der administrationsaufwändige und gefährliche Softwarewildwuchs wieder durch die Hintertür. « Daneben empfiehlt er, für einen seriösen Kostenvergleich nicht zwangsläufig auf Client- Server-Installationen in Microsoft-Prägung abzuheben. »Auch die Beibehaltung der bestehenden IT-Architektur, nur mit Open- Source-Software (OSS)«, so der Berater, »kann ohne IT-Betriebs- und Geschäftsprozessanpassungen zu spürbaren Einsparungen beitragen,wenn der Wechselzeitpunkt stimmt.« Anbieter wie Citrix eröffnen mittlerweile mit der Unterstützung von Linux, in diesem Fall über den Presentation-Server, auch diese Perspektive.
OSS als Alternative
Dirk Kissinger, Senior Manager EMEA Marketing bei Red Hat, nimmt die Linux- Strategie für den Server- und Endgeräte-Support gern auf. »Den Premium-Support für die Server- Plattform Enterprise-Linux-AS gibt es bei uns ohne Prozessorlimit einschließlich sämtlicher Software, Upgrades und Patches für 1999 Euro pro Jahr.« Rund-um-die-Uhr-Hotline-Unterstützung und eine garantierte Antrittszeit im Problemfall binnen einer Stunde seien darin eingeschlossen. Die passende Linux-Client- Unterstützung, WS für Power-User, koste bei Red Hat jährlich 239 Euro, Browser, zahlreiche Client-Dienste und die komplette Bürokommunikation in Form von Open-Office inklusive. »Außerdem haben die Unternehmen über unsere Managementplattform Werkzeuge zur Hand, mit denen sie ihre Betriebs- und Administrationskosten signifikant senken können«, informiert Kissinger. Die Gesamtkosten pro Linux-Desktop würden damit meist, trotz Client-Server-typischem verteiltem Administrationsaufwand, deutlich unter den TCOEinschätzungen von IDC und Gartner für PCs mit Microsoft-Software liegen, hebt er hervor. Zu alledem, so Kissinger, hätten die Unternehmen auch über Linux und OSS die Alternative, auf ein zentralisiertes Server-based- Computing zu gehen. Beim LVM Landwirtschaftlichen Versicherungsverein Münster sind es deutschlandweit 3000 PCs, dazu 5500 mobile Thinkpads unter Linux, die über Terminal- Services im Online-Kontakt mit den zentralen Anwendungen auf Linux-Plattformen und dem IBM-Host stehen. Dazu zählen Textverarbeitung, Angebotswesen,Vertragsbearbeitung sowie Schadensregulierung bis hin zum Kundenbeziehungsmanagement. »Unsere Mitarbeiter müssen mit einer Stimme zu den Kunden sprechen«, sagt Matthias Strelow, Projektleiter Linux & Windows beim LVM. »Stets aktuelle Kunden-, Versicherungs- und Vertragsanwendungen, nur einmal zentral installiert, konfiguriert, zugriffsgeschützt bereitgestellt, bei Bedarf aktualisiert und abgesichert, sind die Voraussetzungen dazu.« Für den LVM sei Server-based-Computing in OSS-Prägung mit erheblichen Qualitäts- und Einsparungsfaktoren verbunden, unterstreicht Strelow. Die 3270-Terminal-Emulation zur Einbindung der zentralen IBM-Host-Anwendungen steuerte Red Hat im Rahmen des Support-Vertrags kostenlos bei.
Hadi Stiel,
freier Journalist, Bad Camberg