Zahnloses Monster
Tyan VX50 – Mit einer Maximalausstattung von acht Doppelkern-Prozessoren und 128 GByte soll Tyans Super-Barebone alle x86-64-Serverrekorde brechen. Doch Design und Funktion erfüllen die hohen Erwartungen nicht.



Einen der leistungsstärksten Rechner basierend auf AMDs x86-64-Architektur liefert Tyan mit dem VX50 aus. Das System fasst bis zu acht Dual-Core-Opteron-CPUs und 128 GByte Arbeitsspeicher. Nur Sun hat mit dem Fire X4600 eine vergleichbare Maschine im Programm, die jedoch deutlich teurer ausfällt.
Der VX50 steckt in einem Towergehäuse, das sich auch als 5-HE-Rackmount einsetzen lässt. Darin arbeitet ein Thunder-K8QW-Motherboard von Tyan mit Nvidia-Chipsatz, welches vier CPUs und 64 GByte aufnimmt. Das darauf aufsetzendes Daughterboard fasst weitere vier Prozessoren und abermals 64 GByte Arbeitsspeicher. Vier Netzteile sorgen für eine redundante Stromversorgung. Bei voller Bestückung braucht der PC mindestens zwei Netzteile.
Verglichen mit anderen Industriestandardservern von Markenherstellern wie Dell, HP, IBM oder Sun, präsentiert Tyan leider kein sonderlich durchdachtes Hardware-Design. Die CPUs benötigen aktive Kühler und sitzen jeweils zu zweit hintereinander im Luftweg. Zwischen Front und Board schaufeln vier wuchtige Ventilatoren Luft durch das Gehäuse. Hier zählt Masse statt Klasse. Viel Wind soll die Kühlung garantieren – trotz schlecht konzipierter und teils sogar blockierter Luftwege. Zwei CPUs auf dem Basisboard schieben ihre Abluft direkt gegen das Abdeckblech über den Standardanschlüssen an der Gehäuserückseite. Das Huckepack-Konzept der Motherboards erschwert zudem die Wartung. Ohne das obere Board auszubauen, kommt der Verwalter nicht an die unteren CPUs, Kühler oder RAM-Bausteine. Das modulare Konzept des Sun-Fire-X4600, welches acht einzeln auswechselbare CPU-Boards mit passiven Kühlern verwendet, setzt hier Maßstäbe.
Auch das Motherboard selbst lässt Wünsche offen. Lediglich zwei PCI-X- und zwei PCI-Express-Slots lassen Erweiterungen zu, und die sind nicht einmal Hot-Swap-fähig. Das ist zu wenig für eine Maschine mit 16 CPU-Kernen, die onboard gerade mal zwei Gigabit-Ethernet-Interfaces anbietet. Bei einem Rechner dieser Klasse würde man einen SCSI- oder SAS-Raid-Controller erwarten, findet jedoch nur einen S-ATA-Raid-Adapter im Nvidia-Chipsatz vor. Auch gibt es kein Onboard-Remote- Management-Kit. Dieses offeriert Tyan als Option, die einen der wenigen kostbaren Steckplätze belegt. Zudem erscheint es wenig sinnvoll, zwei x16-Express-Ports zu integrieren, schließlich möchte kein Server-Administrator eine 3D-Grafikkarte in einen Server bauen. Hier wären mehrere x8- und x4-Ports für Netzwerk- oder Host-Bus-Adapter die bessere Wahl.
Für den Test erhält Network Computing ein VX50-Server, 64 Gbyte RAM in 32 2-GByte-Modulen von der Firma ATP und acht Dual-Core-Opterons Typ 880. Der erste VX50 läuft im Labor überhaupt nicht. Ohne Huckepack-Platine und mit vier CPUs lassen sich zwar Betriebssysteme wie Windows-2003-Server-R2 64-Bit oder Suse-Linux 10.1 installieren. Doch die Installation dauert sehr lange, und nach deren Abschluss kommt das fertige System nicht hoch. Mit integriertem Daughter-Board funktioniert gar nichts. Nach etlichem Hin und Her und versuchten Firmware-Updates tauscht Tyan das komplette System aus. Laut Techniker lag der Redaktion eine sehr frühe Version des VX50 mit einer Serie bekannter Probleme vor – vielen Dank.
Doch auch der zweite VX50 erfüllt seinen Dienst nicht wie erhofft. Zwar funktioniert der Mega-PC jetzt mit voller Ausstattung. Allerdings gibt es enorme Probleme mit den verschiedenen Betriebssystemen und Hardware-Treibern. Der Windows-2003-Server-R2 64 Bit lässt sich zwar installieren – wenn man eine USB-Maus und -Tastatur einsetzt, mit den PS/2-Ascnhlüssen geht das unerklärlicherweise nicht. Doch die Freude über ein funktionierendes System ist leider nicht von Dauer. Installiert das Test-Team die von Tyan zum Download angebotenen 64-Bit-Windows-Treiber, enden weitere Neustarts im Blue-Screen.
Dem begegnet der Administrator übrigens bereits beim ersten Start, wenn er während der Installation den Nvidia-S-ATA-Raid-Treiber via Diskette einbindet. Im zweiten Anlauf verzichtet Network Computing daher auf die Nvidia-Treiber und somit auch auf die integrierte S-ATA-Platte. Stattdessen greift der Rechner in diesem Versuch über einen Qlogic-2342-HBA auf ein SAN-Laufwerk als Startvolumen zu. Jetzt läuft Windows nach der Erstinstallation aber leider nur so lange, bis das Test-Team die von Microsoft empfohlenen System-Updates für den Windows-2003-Server-R2 einspielt. Danach enden alle weiteren Startversuche wiederum im Blue-Screen. Der nächste Versuch mit dem Ubuntu-Linux-Server x64 scheitert sofort beim Start von der Installations-CD mit einer Kernel-Panic. Suse Linux 10.1 schafft es immerhin bis zum ersten Start von der Platte. Dann bleibt der Schirm dauerhaft schwarz – na wenigstens kein Blue Screen.
Das einzige Betriebssystem, das Network Computing im Laufe der langwierigen Tests mehr als einmal von Platte starten kann, ist Solaris 10 von Sun. Allerdings kennt dieses System den integrierten S-ATA-Controller nicht und muss zwangsweise über einen SCSI- oder FC-HBA starten.
Fazit: Tyans VX50 erfüllt die nötigen Vorraussetzungen eines Servers dieser Größenordnung nicht – das beginnt beim mäßigen Gehäuse- und Kühlungsdesign und endet bei der unpassenden Motherboard-Ausstattung. Das System geht bestenfalls als großer PC durch, doch das wird professionellen Anwendern nichts nützen, wenn sie zuverlässig und rund um die Uhr die Leistung von 16 CPU-Kernen benötigen. Der Rechner könnte aufgrund seines günstigen Preis-Leistungsverhältnis bestenfalls technical-Computing-Anwender ansprechen, die von Zeit zu Zeit eine hohe Rechenleistung anfordern, aber das System nicht rund um die Uhr zur Verfügung haben müssen. Aber auch für diesen Betrieb eignet sich der vorliegende Mega-PC VX50 nicht, da weder 64-Bit-Linux oder -Windows im Test funktionieren.
Wer tatsächlich die Rechenpower von 16 Opteron-Kernen benötigt, muss etwas tiefer in die Tasche greifen und auf eine solides Server-Design eines First-Tier-Herstellers zurückgreifen.
ast@networkcomputing.de