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Zweifelhafte Ehre für Top-Systemhäuser

Zweifelhafte Ehre für Top-Systemhäuser. Das neue Systemhausranking für den deutschen Markt der Zeitschrift »Computerpartner« stößt bei Branchenkennern auf Widerspruch. Experten stören sich daran, dass einige deutsche Systemhäuser einschließlich ihrer im Ausland erzielten Umsätze genannt werden, während deutsche Systemhaus-Töchter ausländischer Konzerne nur mit ihrem hierzulande erwirtschafteten Umsatz auftauchen. Das ist aber nicht die einzige Ungereimtheit.

Autor:Martin Fryba • 30.6.2005 • ca. 2:15 Min

Bechtle-Chef Ralf Klenk: Das Handelsgeschäft wird für Systemhäuser zukünftig an Bedeutung verlieren. Gefragt sind Managed Services und Übernahme des IT-Betriebs.

Zweifelhafte Ehre für Top-Systemhäuser

»Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen«, schimpft eine Firmensprecherin von Computacenter über das heute erschienene Systemhaus-Ranking der Zeitschrift »Computerpartner«. Und in der Tat: Sie hat allen Grund dazu. Denn die deutsche Tochter des britischen Systemhausriesen Computacenter wird zwar korrekt mit einem hierzulande erwirtschafteten Umsatz von 1 Milliarde Euro auf Platz zwei geführt ? hinter der zur Nummer eins deklarierten Bechtle AG mit knapp 1,09 Milliarden Euro. Allerdings sind darin rund 350 Millionen Euro enthalten, die Bechtle im europäischen Ausland und nicht in Deutschland erzielt. Was für den einen zählt, zählt eben nicht für den anderen: Rechnet man mit dem gesamteuropäischen Erlös von Computacenter, so kommt dieses Systemhaus auf einen Jahresumsatz von 3,8 Milliarden Euro.

Gleiches gilt für die als Nummer drei gesetzte PC-Ware, die knapp 40 Prozent ihres Umsatzes im Ausland erzielt. Dass dabei der im Ranking genannte Jahresumsatz von 480 Millionen laut Geschäftsbericht von PC-Ware eigentlich hätte 500 Millionen Euro betragen müssen, lassen wir hier einmal beiseite. Nach ähnlichem Muster tauchten Cancom, Profi Engineering, Sysdat, Dimension Data in der Liste auf. Besonders letztere Firma wird gegenüber ihren Wettbewerbern benachteiligt, da die Umsätze auf Konzernebene deutlich über 2 Milliarden Euro liegen.

Computacenter und Dimension Data haben indes eines gemeinsam, was die Schieflage im Ranking von »Computerpartner« erklären könnte: Nicht die absoluten Umsätze entscheiden über die Platzierung, sondern der Hauptsitz der Firmenzentrale, und da sind eben die Systemhäuser mit deutscher Konzernzentrale im Vorteil. Wobei sich der Umsatzanteil ihrer meist rechtlich selbständigen Töchter im Ausland leicht herausrechnen ließe, wollte man Stärkte der Systemhäuser ausschließlich im deutschen Markt wirklich vergleichbar machen.

Eigene Kriterien nicht beachtet
Auch aus einem anderen Grund ist das aktuelle Ranking von »Computerpartner« wenig aussagekräftig. Denn aus den Studien des Marktforschungsunternehmens Lünendonk wissen Brachenkenner, dass die Systemhausbranche sehr heterogen ist: Systemhäuser mit Handelsgeschäft drängen mehr und mehr in die Systemintegration, IT-Beratung, Übernahme von Teilen des IT-Betrieb bis hin zu komplettem Outsourcing. Das Handelsgeschäft spielt also zunehmend eine geringere Rolle für diese Branche. Eine Entwicklung, die die Verfasser des Rankings auch explizit nennen, daraus aber keine Folgen ableiten. Nach wie vor dominiert das strikte Kriterium, wonach ein Systemhaus mindestens die Hälfte seines Umsatzes aus reinem Wiederverkauf zu erzielen hat, um gelistet zu werden. Für das an Nummer 21 genannte Systemhaus Bissinger trifft dies schon nicht mehr zu, dennoch tauchen die Schwaben, die bereits 2003 lediglich 40 Prozent ihres Umsatzes im Handelsgeschäft umgesetzt haben, in der aktuellen Liste auf.

Ein Ranking der Top-Systemhäuser im indirekten Vertrieb ist also ein Auslaufmodell. Denn wenn die Verfasser dieser Studie ihre eigenen Kriterien beherzigen werden, stehen sie womöglich bald schon ohne Firmen da. Der Trend wird sich noch weiter verstärken, dass Systemhäuser immer mehr Lösungen statt Produkte verkaufen.

Dieses Mal darf sich Bechtle-Chef Ralf Klenk, so er denn diese Studie ernst nimmt, noch darüber freuen, dass die Schwaben erstmals zum führenden TOP-Systemhaus mit indirektem Vertrieb in Deutschland gekürt wurden. Aber wie lange noch? »Der Kunde wird keine Hard- und Software mehr kaufen, sondern Leistungen. Es wird eindeutig der so genannte On-Demand-Gedanke überwiegen«, prophezeit Klenk die weitere Entwicklung der Systemhausbranche.