Der Einsatz von Open-Source-Software (OSS) weckt hohe Erwartungen – auch in der öffentlichen Verwaltung. Inwieweit solche Lösungen im Public Sector schon ihren festen Platz haben, welche Vorteile sie haben und woran es mitunter noch hakt, erläutert Christian Schmitz von plusserver im Interview.
connect professional: Open-Source-Lösungen in der öffentlichen Verwaltung: Wie würden Sie hier den aktuellen Stand beschreiben?
Christian Schmitz: Mit Blick auf die IT ist das aktuelle Bild in vielen deutschen Verwaltungen geprägt durch Legacy, Personalmangel sowie den demografischen Wandel in den Behörden selbst. Zudem findet man dort diverse veraltete Applikationen beziehungsweise Fachverfahren. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass hier Bewegung ins Spiel kommt – auch beim Thema Open Source. Initiativen wie der GovTech Campus Deutschland, bei dem auch wir als plusserver aktives Mitglied sind, oder auch der Sovereign Tech Fund bringen hier frische Impulse in den Austausch zwischen Verwaltung und IT. Und genau genommen muss man sich natürlich auch vor Augen halten, dass Open Source bereits überall in der Verwaltung zum Einsatz kommt: Fast alle gängigen Software-Lösungen haben heute Open-Source-Bestandteile.
connect professional: Woran hakt es im Hinblick auf eine zeitnahe Einführung von Open-Source-Lösungen im öffentlichen Sektor?
Schmitz: Man muss sich zum einen bewusst machen, dass öffentliche Projekte oft einen Projektzeitraum zwischen fünf und zehn Jahren haben. In dieser Zeit müssen die Anbieter entsprechend sicherstellen, dass die Entwicklungen der Open-Source-Projekte weiter zur Kompatibilität und zur Leistungserbringung des ausgeschriebenen Projekts passen. Zum anderen leben die einzelnen Open-Source-Komponenten in einer unterschiedlichen Geschwindigkeit, im Sinne der Release-Zyklen. Von Updates im wöchentlichen oder monatlichen Takt bis hin zu Major Releases alle zwei Jahre ist hier alles dabei. Am Ende müssen alle diese Komponenten jedoch zu konsumierbaren Patch-Zyklen zusammengebaut werden – und das ist besonders in der öffentlichen Verwaltung ein Problem, denn hier gibt es oft nur ein bis zwei Wartungsfenster pro Jahr.
connect professional: Geht es um die öffentliche Hand, sind Ausschreibungen ein spezielles Thema. Wie verhält es sich damit im Hinblick auf Open Source?
Schmitz: Ausschreibungen sind im öffentlichen Sektor ein beschränkender Faktor. Noch immer werden in vielen Fällen bei der Ausschreibung eines IT-Projekts aus den einzelnen Abteilungen lediglich die jeweiligen Anforderungen eingesammelt. Dadurch kann es passieren, dass keine kohärente Gesamtanforderung entsteht und im schlimmsten Fall werden sogar konkurrierende beziehungsweise sich ausschließende Anforderungen definiert. Und nicht zuletzt wird oft sehr kleinteilig ausgeschrieben. Würde man hier größere Rahmenverträge ausschreiben, so ließen sich die gewünschten Lösungen iterativ finden und Open-Source-Anbieter hätten mehr Anreiz, in die Ausschreibung einzusteigen.
connect professional: Welche Erfahrungen – positive wie negative – haben Sie bei der Einführung von Open- Source-Lösungen im Public Sector bislang gemacht?
Schmitz: Der öffentliche Sektor hat unter IT-Expert:innen den Ruf, ein „Wir haben das schon immer so gemacht“ zu leben. Doch meiner Erfahrung nach gibt es viele engagierte Personen, die unter Einsatz von Open Source groß skalierte Projekte umsetzen. Da ist mehr in Bewegung als man glaubt, und das stimmt mich grundsätzlich positiv.
Allerdings muss man auch sagen, dass es im Public Sector mit Blick auf Open Source oft eine Erwartungshaltung gibt, die aufgrund von rechtlichen und budgetären Rahmenbedingungen nicht erfüllt werden kann. Gerade Stakeholder, die seit 30 Jahren Lösungen der US-Anbieter beziehen, sind sehr vorsichtig, wenn es um den Wechsel zu Open-Source-Lösungen geht und erwarten, dass die neue Lösung erheblich mehr leisten kann. Damit will man sich sicherlich absichern und das ist mehr als verständlich. Doch das „Bisher hat es mit den bestehenden Lösungen immer irgendwie geklappt“-Mindset bringt uns nicht weiter.