Cherry muss das Tafelsilber verkaufen
Trotz zahlreicher Restrukturierungsversuche ist es offensichtlich nicht gelungen, Cherry zukunftsfähig aufzustellen. Jetzt muss das Traditionsunternehmen ans Kerngeschäft gehen und einen Käufer für den Healthcare-Bereich oder die Peripherie-Sparte finden.
Cherry kommt trotz zahlreicher Umbaumaßnahmen nicht richtig auf die Beine. Das Management des finanziell angeschlagenen Herstellers muss deshalb erneut einschneidende Maßnahmen ergreifen. Wie CEO Oliver Kaltner mitteilte, sucht er jetzt Käufer für die Geschäftsbereiche „Peripherals" und „Digital Health". Mit der aus der Veräußerung erzielten Liquidität sollen laut Kaltner „Verbindlichkeiten abgebaut und der verbleibende Teil des Unternehmens ausreichend finanziell ausgestattet werden, um Wachstumspläne zu finanzieren.“
Trotz bereits umgesetzter Sanierungsmaßnahmen seien laut Vorstand die finanziellen Handlungsspielräume des Unternehmens weiter eingeschränkt.
Das Geschäftssegment „Digital Health & Solutions” umfasst E-Health-Terminals, Mobilgeräte, Firmware, Software und Cloud-Lösungen wie TI-M oder TMS. Im Segment „Peripherals” hat Cherry sein umfassendes Produktportfolio aus Gaming-Devices sowie Office-, Industrial- und Security-Peripherals gebündelt.
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Absturz nach dem Corona-Boom
Cherry hatte noch 2020 und 2021 vom Corona-Boom bei PC-Arbeitsplätzen profitiert. Nicht nur das Geschäft mit Peripherie-Produkten, auch das Kerngeschäft mit Schaltern und Tastern für Keyboards lief damals gut. Aber der Push 2020/21 sei ein reiner Corona-Effekt gewesen, berichtet Oliver Kaltner im Gespräch mit connect professional (connect professional berichtete). Denn Cherry produzierte in der Oberpfalz und „konnte liefern“ als die globalen Lieferketten zusammengebrochen waren.
Mit dem danach folgenden Abschwung hatte der Anbieter aber dann doch nicht so schnell gerechnet. Wie viele andere Hersteller saß auch Cherry auf vollen Lagern. Die Kaufzurückhaltung der Consumer traf das Geschäft mit Computer-Peripherie und Gaming-Zubehör hart.
2023 reagierte das Management mit einer substanziellen Neuausrichtung des Schaltergeschäfts. Die Produktion von MX2-Schaltern für Partner-Produkte, wurde an einen Partner in China ausgelagert. Die firmeneigenen Standorte Auerbach und Zhuhai sollten zu globalen Innovationscentern umgebaut werden. 100 Arbeitsplätze fielen der Restrukturierung zum Opfer.
Aus für die Schalterproduktion in Auerbach
Doch die Restrukturierung zeigte offensichtlich nicht die erhoffte Wirkung. Im vergangenen Jahr waren weitere Sparmaßnahmen nötig. So wurde dem Bereich Gaming & Office Peripherals ein Kosteneinsparungsprogramm auferlegt. Außerdem sollte der Geschäftsbereich umgebaut werden. René Schulz, der seit April 2022 für den Bereich verantwortlich war, musste gehen.
2024 wurde außerdem die Schalterproduktion am Standort Auerbach eingestellt und komplett nach China verlagert. Der Standort Auerbach sollte bestehen bleiben und in ein Entwicklungs-, Logistik- und Servicezentrum für Europa umgewandelt werden.
Außerdem verkaufte Cherry die Sparte für Hygiene-Peripheriegeräte. Die vormals unter der Marke „Active Key“ bekannten Produkte gingen an den dänischen Peripheriegerätehersteller Contour Design Nordic A/S (connect professional berichtete). Dabei hatte Cherry Active Key erst 2021 übernommen, um sein Sortiment im Healthcare-Markt zu erweitern. Active Key war auf hygienischen, abwaschbaren Tastaturen und Mäusen für medizinische und industrielle Endmärkte spezialisiert. Zum Produktportfolio gehören auch Chipkarten- und Magnetkartenleser.
„Durch den Verkauf stärken wir zugleich unsere Liquiditätsposition, um die laufende Restrukturierung der Gruppe voranzutreiben und gezielt in unser Wachstumsfeld Digital Health zu investieren“, erklärte Kaltner.
Enttäuschte Hoffnungen im Healthcare-Geschäft
Doch die jüngste Entscheidung des Bundestags machte dem Hersteller hier einen Strich durch die Rechnung. Der hatte am 6. November 2025 beschlossen, die verpflichtende Anbindung von rund 90.000 Heil- und Hilfsmittelerbringern, wie z.B. Physiotherapeuten, an die Telematikinfrastruktur (TI) vom 1. Januar 2026 auf den 1. Oktober 2027 zu verschieben.
Die Entscheidung macht nur offensichtlich die Geschäftserwartungen von Cherry für das Jahresendquartal 2025 und das kommende Jahr zunichte, wie das Unternehmen mitteilt: „Aufgrund des Ausbleibens der für 2026 erwarteten Erstausstattungen für die entsprechenden Berufsgruppen rechnet die Cherry SE wie auch andere in diesem Sektor tätige Firmen mit Umsatzeinbußen in Millionenhöhe im kommenden Geschäftsjahr. Bereits im vierten Quartal 2025 wird ein unmittelbarer entgangener Umsatzbeitrag mehreren Millionen Euro erwartet“, so die Mitteilung.