Interview zum Gehaltsreport

»Das Gehaltsgefüge einer Firma ist der limitierende Faktor«

13. März 2018, 11:23 Uhr | Autorin: Corinne Schindlbeck
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Interconsult hat den diesjährigen Gehaltsvergleich für die Elektronikindustrie fertig gestellt. Wer im Bereich Aktive Bauelemente arbeitet, kann sich über das größte Gehaltsplus freuen. Geschäftsführer Dietrich Graf von Reischach über die neuen Zahlen, den Arbeitsmarkt und Chancen für Jobwechsler.

Dietrich Graf von Reischach, Interconsult
Dietrich Graf von Reischach, Geschäftsführer Interconsult.
© Interconsult

Graf Reischach, der Bereich Aktive Bauelemente führt dieses Jahr Ihren Gehaltsreport an, plus 3,7 Prozent plus, im Mittel gibt es 3,4 Prozent mehr. Konjunktur-Boom gleich Gehaltsplus, geht die Rechnung so einfach auf? Und müsste das Plus im Säckel nicht sogar noch größer sein angesichts der Wirtschaftszahlen?

Graf Reischach: Wir sehen gerade bei den Aktiven Bauelementen einen Markt am Limit. Die Lieferzeiten sind auf bis zu 16 Wochen geklettert, manche Kunden warten 6 Monate auf Ware. Das wirkt sich in der Tat auf die Gehälter aus, denn Sie bekommen keine Leute, wenn Sie nicht was drauflegen bzw. verlieren Mitarbeiter, wenn das Gehaltsgefüge nicht konkurrenzfähig ist bzw. ihre Leute da Dissonanzen wahrnehmen. Das Gehaltsgefüge einer jeden Firma ist der limitierende Faktor.    

Wieviel Prozent kann man denn bei einem Jobwechsel aushandeln?

Eine Menge, aber darum geht es gar nicht mehr. Das Gehalt ist im Gesamtpaket nur noch ein Baustein, wenn gleich ein wichtiger. Entscheidend für einen möglichen Wechsel aber sind die Aufgabe und das Drumherum: Kann ich etwa selbstständig arbeiten und entscheiden oder muss ich jeden Schritt abklären lassen?  Passt das Team, bin ich ein wichtiger Teil davon? Der Wunsch nach New-Work-Elementen und Homeoffice wird immer stärker, das merken wir deutlich in unseren Gesprächen mit Bewerbern. Die Ansprüche sind enorm hoch. Wir müssen heute die offenen Positionen unserer Kunden als Paket verkaufen, dem Bewerber schmackhaft machen und ihm alle Informationen im Vorfeld liefern, die er für eine Entscheidung braucht. Und ihn im gesamten Prozess beraten und begleiten.

Dafür profitieren Sie als Personalberatung vom derzeitigen Fachkräftemangel doch unmittelbar: weil die Bewerber fehlen, beauftragen die Firmen Sie damit, Leute von der Konkurrenz raus zu kaufen. Goldene Zeiten für Headhunter?

Theoretisch ja, praktisch ist es etwas schwieriger. Es ist richtig, dass Personalberater gerade in Aufträgen schwimmen. Doch was nützt das, wenn man sie nicht bedienen kann? Die Kandidaten sitzen in ihrem 50km-Radius, sind sehr, sehr anspruchsvoll und wollen nicht wechseln. Warum auch, die Unternehmen tun ja alles, um sie zu halten: mit mehr Geld, mit flexiblen Arbeitszeiten, mit Vertrauensarbeitszeit. Mitarbeiter und Bewerber und auch die Gewerkschaften sitzen am längeren Hebel. Auch in Sachen Arbeitsethos hat sich was verändert: Heute geht es allen recht gut, der Wunsch nach Auszeiten wächst, ‘ich  muss ja nicht’ ist ein vorherrschendes Gefühl. Arbeitgeber werden momentan fast ein bißchen erpresst!

Ist denn dann auch die Bereitschaft bei den Recruitern für Kompromisse gewachsen? Denn einerseits die eierlegende Wollmilchsau zu suchen und gleichzeitig über Fachkräftemangel zu jammern ist nicht gerade überzeugend.

Die Kompromissbereitschaft ist größer geworden, notgedrungen, muss man sagen. Und auch die Einsicht, dass auch ein Ingenieur sich erst einarbeiten muss, wenn er aus einem Gebiet wie der Elektromechanik in ein anderes wie etwa der Halbleitertechnik wechselt. Und nicht sofort Ergebnisse liefern kann. Vertrieb und Applikation soll immer stärker aus einer Hand kommen, da ist es nur zu begrüßen, dass sich die Unternehmen endlich einsichtig zeigen und Einarbeitungszeit und entsprechende Unterstützung gewähren und auch als ihre Aufgabe betrachten. Das war früher nicht unbedingt so.

Wann war denn ‘früher’? Das Klagen über den Fachkräftemangel ist doch kein neues Phänomen.

Die letzten 24 Monate hat sich die Lage am Arbeitsmarkt aus unserer Sicht noch mal extrem zugespitzt. Ein Teil des Bedarfes wird von Ausländern kompensiert. Auch wir haben etwa 25 Prozent Ausländeranteil bei unseren Kandidaten in den Bewerber-Interviews. Zum Glück, sonst sähe die Lage am Arbeitsmarkt noch schlechter aus. Bei ausländischen Bewerbern sind ausreichende Deutschkenntnisse das entscheidende Kriterium: Für Applikationsgespräche beim Kunden muss es reichen. Freilich werden die guten Kandidaten auch von allen anderen umworben.

Suchen Sie auch im Ausland nach passenden Kandidaten?

Durchaus, im europäischen Ausland wie England, Frankreich, Italien oder Spanien oder Tschechien.
   
Was passiert, wenn der Konjunktur-Boom noch länger anhält? Der demographische Wandel ist ja noch nicht mal richtig in Gang gekommen? Inzwischen fehlen auch die beruflichen Fachkräfte, früher waren es nur die Ingenieure.  

Das ist wirklich ein Problem. Das wird dämpfende Auswirkungen auf die Konjunktur haben, hat es ja bereits heute schon, etwa im Bereich der Elektronikfertigung.

Könnten Personaldienstleister die Lösung sein? Marktführer wie Hays beschäftigen eine Armada an Recruitern, stellen weltweit ein und haben im Gespräch nicht über Fachkräftemangel geklagt…

Vielleicht temporär, aber eine langfristige Lösung kann das nicht sein. Zumal die Knappheit an Arbeitskräften anhalten wird.  

Früher hieß es immer, man sollte als Ingenieur etwa alle 3 bis 5 Jahre wechseln, maximal 7 Jahre bei einem Arbeitgeber bleiben. Gilt das heute auch noch?

Ja, das gilt heute durchaus auch noch. Wichtiger als die Anzahl der Jahre ist allerdings der rote Faden bei den Wechseln, der immer ersichtlich sein muss: Wurde Kompetenz aufgebaut? Mehr Umsatzverantwortung erreicht? Entwicklung, Applikation, Vertrieb: Solche Wechsel dienen der Karriere. Zu häufige Wechsel werden zu recht kritisch beäugt, erst Recht, wenn keine Entwicklung erkennbar ist: dreimal gewechselt, immer als Vertriebsingenieur - das ist nicht so gut.


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