Branchen-Kunden: Rechtsanwälte ? weites Feld mit großem Potenzial. Archivlösung? E-Mailverschlüsselung? Datenbank? Alles Fremdwörter für das Gros der Juristen. CRN fragte in verschiedenen Kanzleien nach dem Status quo in Sachen IT-Ausstattung und danach, was eigentlich wünschenswert und sinnvoll wäre. Das Resultat: Ein weitgehend unbeackertes Feld für Systemhäuser, die sich der Herausforderung »Jurist« stellen wollen.
130.000 Juristen sind in Deutschland derzeit tätig. Und die sind Geisteswissenschaftler und es fehlt ihnen der Bezug zur IT. Dieser Umstand schlägt sich direkt und drastisch in der meist noch recht puristischen EDV-Ausstattung der Kanzleien nieder: Weder adäquate Hardware- und Netzwerk-Infrastruktur noch eine ordentliche Archivierung geschweige denn Maßnahmen zur Sicherheit oder gar Systeme für Workflow, Wissensmanagement oder Security sind auch nur ansatzweise ausreichend vorhanden.
Der Status quo der IT-Ausstattung sieht CRN-Recherchen zu Folge in mittelgroßen Kanzleien mit acht bis zwölf Anwälten und einem halben Dutzend Sekretariatsmitarbeitern ? eine Größe, die für die meisten Kanzleien in Deutschland typisch ist ? etwa folgendermaßen aus:
Der Schrift-, Aktenverkehr sowie die Rechnungsstellung wird meist komplett mit Office erledigt.Die von CRN befragten Anwälte waren durchaus der Ansicht, dass der vermehrte Einsatz von IT ihre Arbeit erleichtern könne, respektive sich damit Kosten sparen lassen. Für bis zu rund zehn Arbeitsplätzen funktioniert die Arbeit mit der oben beschriebenen Ausstattung offensichtlich noch recht gut, dann jedoch wird es kritisch. Dies lässt sich angesichts der Arbeitsweise und angesichts der Datenmengen und den Prozessen, die in einer Anwaltskanzlei üblich sind, recht leicht nachvollziehen.
Eine Kanzlei befasst sich in erster Linie mit der Produktion von Schriftsätzen ? und das in großen Mengen. Einige Tausend Schriftsätze werden in einer Kanzleigröße von sieben, acht Anwälten pro Jahr von den verschiedenen Autoren verfasst und abgelegt. Diese müssen alle schnell im Zugriff sein. Bald scheitert auch Outlook als Adress-Datenbank und Windows als Archivlösung: Die Suchvorgänge dauern zu lang, das Ordnersystem mit den Tausenden von Einträgen wird zu unübersichtlich, ganz abgesehen von den Aspekten der Sicherheit und der Archivierung.
Hier setzt die Beratung des Systemhauses an. Ist die Arbeitsweise und die Tätigkeit von Anwälten bekannt, lassen sich unproblematisch die Argumente anführen, die den Anwalt von der Anschaffung von leistungsfähigerem IT-Equipment überzeugen können, weil er damit effizienter und auch Kosten sparender arbeiten kann. Für alle eben beschriebenen Probleme gibt es vergleichsweise simple IT-Lösungen ? eine Datenbank, eine Archivierungssoftware, eine Firewall etc. Und die Empfänglichkeit für den Einsatz von IT in Anwaltskanzleien wächst: Denn es ändert sich derzeit die Altersstruktur der aktiven Juristen drastisch: Sie werden immer jünger und damit offener für digitale Technologien, sprich den PC. Die Generation der 1969 bis 1974 Geborenen sind mit dem PC aufgewachsen und betrachten ihn als ganz normales Arbeitsmittel.
Dazu wächst auch die Zahl der Rechtsanwälte exponentiell. Waren 1980 noch rund 40.000 Rechtsanwälte aktiv, so sind es heute rund 130.000 in Deutschland. Der Grund: Für den Staat ist Jura ein vergleichsweise billiges Studium, daher beschreiten auch viele Studenten diese Laufbahn. Doch weder die Wirtschaft noch der Staat benötigt diese vielen Juristen, die sich dann selbständig machen. Und diese haben einen ganz dringenden Grund, IT intensiver zu nutzen ? denn damit lassen sich Kosten gering halten.
Berufsanfänger sind meist Einzelkämpfer und müssen in erster Linie Kosten sparen. Und da das größte Sparpotenzial in Mitarbeitern, besser gesagt in nicht eingestellten Mitarbeitern, besteht, braucht er Lösungen, die ihm helfen, Arbeit zu optimieren ? wie beispielsweise eine Lösung zur Spracheingabe, welche die Sekretärin einspart. »Alles, was den fürchterlichen Tag, einen Mitarbeiter einstellen zu müssen, nach hinten schiebt, ist willkommen«, schmunzelt ein bereits etablierter Rechtsanwalt, der sich aber noch gut an die Anfangszeit erinnert. Und da spielt IT eine ganz wichtige Rolle.
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In der letzten Ausgabe der CRN befasst sich ein Beitrag mit den Schwierigkeiten, aber auch dem Potenzial, den der Einstieg in die Branche für einen IT-Dienstleister mit sich bringt. CRN hat nun für Sie in verschiedensten Branchen wie Einzelhandel, Gesundheitswesen, Gastronomie etc. recherchiert, wo die Besonderheiten und die IT-Bedürfnisse dieser vertikalen Märkte liegen. Wir wollen Ihnen Informationen zur Verfügung stellen, die Ihnen den Zugang zu diesen Kundengruppen erleichtern. Die Ergebnisse stellen wir in den nächsten Ausgaben der CRN in loser Folge vor.
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Problem Adress- und Klientenverwaltung:
Meist werden die Adressen mit Outlook oder einem ähnlichen Tool verwaltet. Bei einem entsprechend großen Datenbestand, reicht hier die Performance nicht mehr aus. Überdies fehlen Selektions- und Verknüpfungsmöglichkeiten.
Problem Anwaltssoftware:
Die Software-Landschaft bei Rechtsanwälten ist geprägt von einer Menge an fertigen Programmen, die entweder nur einen kleinen Teil der Anforderungen abdecken ? zum Beispiel Fristenverwaltung ? oder von unflexiblen Komplettlösungen, die zu teuer sind. Die Kunden müssen somit einen riesigen Funktionsumfang erwerben, der meist nicht genutzt wird. Als störend wird oft auch empfunden, dass die Software eine strenge Nomenklatur für die Dateinamen vorgibt oder sich beispielsweise nur ein Ansprechpartner eintragen lässt, der Praxisfall jedoch mehrere fordert. So greifen viele Kanzleien auf selbst gestrickte Lösungen zurück, die ihre Belange abdecken.
Problem Wissensmanagement:
Eine Kanzlei mit mehreren Anwälten muss das Wissen des Einzelnen allen zur Verfügung stellen. Das gilt z.B. für Verträge etc., die jederzeit im Zugriff sein müssen.
Ein weiteres Problem liegt in der Verwaltung der differenzierten Klientel: »Wir kennen ein Drittel unserer Mandanten nicht mehr persönlich«, gibt ein Anwalt zu bedenken. Das wird problematisch, wenn es darum geht, Interessenskonflikte zu vermeiden: Denn schließlich ist es strafbar, wenn eine Kanzlei beide Parteien einer Klage vertritt. Doch das ist oft gar nicht so einfach und auf den ersten Blick erkennbar ? beispielsweise bei einem Verkehrsunfall ? wenn beispielsweise Versicherung und die Privatperson in die Klage verwickelt sind.
Problem Kundenbindung/CRM:
Auch für Anwälte sind nur zufriedene Kunden bleibende Kunden. Kundendaten, mit denen sich Marketingaktionen durchführen ließen, sind ebenfalls mit Outlook nicht zu erfassen und zu verwalten. Da in heutigen Zeiten auch Anwälten Marketing erlaubt ist, wird dieses Argument auch von Kanzleien als immer wichtiger erkannt.
Problem Archivierung und Dokumentenmanagement:
Tausende von Dateien werden meist einfach in Windows-Ordnern abgelegt. Das wird schnell unübersichtlich, und auch die Zugriffsgeschwindigkeit wird als unkomfortabel und nicht mehr ausreichend empfunden. Hinzu kommt die Problematik, dass in einem Anwaltsbüro die Akten automatisch auf Wiedervorlage gelegt werden müssen, dass Anwaltsarbeit mit Fristen verbunden ist, die zwingend eingehalten werden müssen.
Parallel werden in einem Anwaltsbüro alle Akten auch noch physikalisch geführt. Eine durchgehend elektronische Erfassung und Speicherung der Dokumente wäre zwar nahe liegend, doch dabei gibt es Probleme: Einmal dient das Original als Beleg, und es dient der Beweispflicht, was mit einem digitalen Dokument nicht mehr möglich ist. Und noch ein Argument direkt aus der Praxis spricht für sich: »Ein Dokument in Papierform ist schnell durchgeblättert. Machen Sie das mal mit einem 60-Seiten-PDF«, wendet ein Münchner Anwalt ein.
Problem Zeiterfassung/Projektmanagement:
Derzeit wird bei RA-Kanzleien gemäß RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, gültig 1.7.04) abgerechnet. Das besagt, dass die Vergütung entweder im Zivilrecht »streitwertbasiert« oder im Strafrecht »tätigkeitsbasiert« (also wie viele Verhandlungstage etc.) abgerechnet wird. Jede andere Verrechnungsweise muss mit dem Kunden vertraglich fixiert werden. Ab 2006 wird diese Methode für außergerichtliche Tätigkeiten abgeschafft, die jedoch den Großteil der Arbeiten einer Kanzlei ausmachen. Ab diesem Zeitpunkt wird es eklatant wichtig werden, eine Aufwandserfassung zu betreiben, das heißt die Stunden, die aufgewendet wurden, exakt zu erfassen und Kunden respektive Fällen zuzuordnen.
Problem Sicherheit und Kommunikation:
Es ist derzeit nur bei den meisten Kanzleien keinerlei Bewusstsein für ein Gefahrenpotenzial durch Sicherheitslücken vorhanden. »Das interessiert doch ohnehin keinen, wenn wir Vertragsentwürfe, die noch nicht fertig sind, zum Kunden mailen«, argumentiert ein Anwalt. Die kritischen Schriftstücke würden nach wie vor gefaxt oder gingen auf dem Postweg zum Klienten. Doch in vielen Fällen ist die E-Mail das adäquate Mittel der Kommunikation.
Ebensowenig sehen die Betroffenen eine Gefahr von außen, dass beispielsweise ein Virus oder Hacker ihre einfach auf dem Server liegenden Dateien vernichten, beschädigen oder stehlen könnte. Das Gros verlässt sich auf Virenscanner, ein Schutz durch eine Firewall ist schon die Ausnahme.