Das Festnetz wird mobil

11. März 2004, 0:00 Uhr | Markus Bereszewski

Das Festnetz wird mobil. Durch IP-Routing erlangt das Thema Unified Messaging eine neue Dimension: Erreichbarkeit wird nicht mehr nur durch intelligente Software und Weiterleitungs-Funktionen im Voice-Bereich gewährleistet, sondern ist überall dort vorhanden, wo es Internet-Anschlüsse gibt.

Das Festnetz wird mobil

Josef Brauner, T-Com-Vorstand, will bis 2005 rund 10000 W-LAN-Hotspots betreiben.

Foto: T-Com

Die Telekom-Festnetzsparte T-Com will nach den Worten ihres Vorstands Josef Brauner bis 2005 rund 10000 öffentliche WLAN-Hotspots in Deutschland betreiben. Die Planung wird in der Branche als extrem ehrgeizig angesehen. Kritiker sehen das Thema als weit überschätzt an: Hotspots in Hotels, an Flughäfen und Bahnhöfen gelten als praktisch - doch wer bitte legt auch noch Wert auf den drahtlosen Web-Zugang im Biergarten oder am Badestrand?

Durch IP-Routing könnte sich der schnelle WLAN-Wildwuchs aber doch noch als sinnvoll für viele Endanwender und - selbstredend - lukrativ für große Voice-Carrier erweisen. So will T-Com den rund zwölf Millionen ISDN-Nutzern künftig telefonische Erreichbarkeit unter der privaten oder geschäftlichen Telefonnummer an jedem Hotspot und auch an jedem anderen Internet-Accesspunkt anbieten.

Einzige Voraussetzung: Der Nutzer muss einen Telefonie-geeigneten PDA, ein entsprechendes Notebook mit Headset oder ein WLAN-Telefon besitzen. Sämtliche Produkte sind bereits heute auf dem Markt verfügbar, wenn auch im Bereich der WLAN-Telefone bislang nur eingeschränkt und verhältnismäßig teuer. Während unter anderem Cisco und Symbol bereits Geräte für den gewerblichen Einsatz anbieten, arbeitet Motorola gemeinsam mit Avaya und Proxim an einer Zwitter-Lösung aus Mobilfunk- und WLAN-Endgerät, die sich automatisch in WLANs einbuchen kann. Auch der deutsche Hersteller DeTeWe entwickelt derzeit schnurlose Endgeräte für den WLAN-Einsatz.

"Langfristig werden IP-Verbindungen das klassische Telefonnetz ablösen". Stefan Kratz, Produktmanager Voice bei T-Com

Zukunft ist IP

Dass die Zukunft der Festnetztelefonie im IP-Netz liegt, ist allein angesichts dieser Entwicklungen absehbar. Das bestätigt auch Stefan Kratz, Produktmanager Voice bei T-Com: "Langfristig werden IP-Verbindungen das klassische Telefonnetz ablösen". Obwohl erste Angebote für die IP-basierte Telefonie bereits vorhanden sind, werden bis zu einer kompletten Substitution wohl noch viele Jahre ins Land streichen: "Wir haben heute noch immer rund zwei bis drei Millionen Wählscheibentelefone im Markt", gibt Kratz zu bedenken. Für diese Kundenklientel sei ein Umstieg auf moderne Telefonie überhaupt nicht von Interesse.

Während die Mehrzahl der rund 54 Millionen Telefonanschlüsse in Deutschland noch über Jahre das analoge oder ISDN-Telefonnetz nutzen wird, können die Business- und Privatkunden mehrerer, kleinerer DSL-Carrier schon heute ganz auf IP umsteigen.

Angebot für Mittelstand

Dass Telefongespräche über den DSL-Anschluss ohne Qualitätsverluste realisierbar sind, zweifelt heute niemand mehr an. Mit ersten Angeboten sind bereits Broadnet Mediascape ("dataVoIP") und QSC ("Ipfonie") gestartet. Während QSC anfänglich nur private Nutzer adressierte, existiert inzwischen auch ein Angebot für den Businessbereich: Mit "QSC Direct" bietet der DSL-Carrier mittelständischen Unternehmen Komplett-Lösungen über das eigene Breitband-Netz an. Sämtliche Telefongespräche können mit allen üblichen ISDN-Leistungsmerkmalen geführt werden. Derzeit ist die Nutzung von bis zu 30 ISDN-Telefonverbindungen gleichzeitig realisierbar.

"Das Ziel, mit diesem Zusatz-Dienst unseren Kunden eine innovative DSL-Anwendung zur Verfügung zu stellen, geht voll auf." Dr. Bernd Schlobohm, QSC-Vorstand

Kurioses Angebot

Vor wenigen Wochen zog die Düsseldorfer Indigo Networks GmbH mit einem kuriosen Angebot nach, das laut Geschäftsführer Thilo Salmon bereits in der ersten Woche eine vierstellige Kundenzahl anlockte. Der entscheidende Unterschied zur Konkurrenz: Während Broadnet und QSC jeweils über eine eigene Infrastruktur verfügen und nur eigenen Kunden die IP-Telefonie anbieten, adressieren die Rheinländer mit ihrer Marke Sipgate sämtliche 4,5 Millionen DSL-Nutzer in Deutschland, darunter die über vier Millionen T-DSL-Kunden. Mit Gesprächsminuten ab 0,89 Cent werden selbst die günstigsten Call-by-Call-Anbieter noch deutlich unterboten. "Im Grunde könnte jeder Anbieter so billig sein", behauptet Sipgate-Geschäftsführer Thilo Salmon. Seine Firma zahlt Interconnection-Gebühren nur für die Abgabe (Terminierung) von Gesprächen ins klassische Telefonnetz, nicht jedoch für deren Zuführung.

Doch bislang krankt das Angebot, das auf Privatkunden und Freiberufler zielt, noch an Schwachpunkten: Die Billig-Telefonierer müssen ein spezielles, IP-fähiges Telefon und einen bidirektionalen Router besitzen. Das derzeit einzige fertig konfigurierte Endgerät, ein Modell des amerikanischen Herstellers "Grandstream", verkauft Sipgate zum Stückpreis von 99 Euro im Direktvertrieb. Der Kunde muss neben dem neuen Telefon und den unbestreitbar günstigen Minutenpreisen jedoch die Kosten für den DSL-Anschluss und den klassischen Telefonanschluss einkalkulieren. Denn wer heute einen (T-)DSL-Anschluss nutzt, muss zwangsweise zumindest einen analogen Telefonanschluss hinzu ordern. Eine alleinige DSL-Leitung wird bislang nicht angeboten.

Dass die IP-Telefonie bereits heute sehr gut angenommen wird, kann indes auch QSC-Vorstand Dr. Bernd Schlobohm anhand seiner positiven Geschäftszahlen bestätigen: "Das Ziel, mit diesem Zusatz-Dienst unseren Kunden eine innovative DSL-Anwendung zur Verfügung zu stellen, geht voll auf", freut er sich. Über den Marktstart von Sipgate ist Schlobohm nicht erstaunt: "Es überrascht uns nicht, dass jetzt auch Service Provider mit entsprechenden Lösungen auf den Markt gehen."

Fazit

Es klingt nur im ersten Augenblick paradox: Das Festnetz wird mobil. Der schon vielfach totgesagte Bereich erlangt damit für Carrier, aber auch für deren gewerbliche und private Kunden, neue Attraktivität. Durch Endgeräte, die im UMTS-Netz ebenso funken wie im WLAN, verschwinden die Grenzen zwischen Mobilfunk und Festnetz. Unified Messaging wäre durch IP-Routing besser und einfacher realisierbar denn je.

VoIP-Anschlüsse für Unternehmen Broadnet Mediascape

"DataVoice over IP business" ist ein endgerätebasierter Telefonanschluss, der keine kundeneigene Telekommunikationsanlage mehr erfordert. Der teilnehmerbasierte VoIP-Telefonanschluss wird über ein bereitgestelltes VoIP-Endgerät oder über einen softwarebasierten PC-Client realisiert. Der Kunde kann mit "dataVoice over IP business line" Telefonate über das Internet und über das öffentliche Telefonnetz (PSTN) führen. Gespräche zu anderen VoIP-Nutzern sind kostenfrei. Telefonate in das PSTN werden bundesweit zu einem einheitlichen Tarif abgerechnet. Die einzige Nutzungsvoraussetzung ist eine von Broadnet Mediascape bereitgestellte oder bestehende Internet-Anbindung.

QSC

Das Unternehmen bietet Großkunden mit einem hohen Kommunikationsvolumen an, mit "QSC-Direct" Telefongespräche über das eigene DSL-Netz zu führen. Unternehmen erhalten individuell zugeschnittene Volumenrabatte. Der Anbieter sichert den Kunden Sprachverkehr in Euro-ISDN-Qualität zu.

Mit "QSC-Direct basic" können auch kleine Unternehmen die Sprachtelefonie über den DSL-Anschluss abwickeln. Alle vorhandenen Endgeräte wie Telefone, Faxgeräte und die TK-Anlage können mit dem gewohnten ISDN-Komfort weiterhin genutzt werden. Bis zu acht ISDN-Telefonverbindungen können gleichzeitig aufgebaut werden.


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