Neue Impulse für Compu-Shack. Michael Kaack, Geschäftsführer der Ingram Micro Holding, hat im Dezember vergangenen Jahres die Restrukturierung bei Compu-Shack selbst in die Hand genommen. Jetzt steht die Strategie fest: Der Bereich Production soll verkauft werden, das Ingram-EDV-System »Impuls« wird auch in Neuwied eingeführt, und rund 15 Prozent der Belegschaft müssen gehen. Compu-Shack bleibt im Netzwerkmarkt der VAD-Arm des Ingram-Konzerns in Deutschland ? und soll noch gestärkt werden.
Ein großer Teil des Netzwerkmarktes steht unter starkem Druck: Die Produkte werden immer einfacher zu handhaben und zu installieren, die Stückzahlen größer, die Preise niedriger. Dennoch besteht auch für bereits gängige Produkte wie etwa Wireless-LAN-Ausrüstung immer noch ein hoher Beratungsaufwand. Welcher Standard ist für welche Einsatzszenarien und Anforderungen der richtige, wie wird die Sicherheit gewährleistet? Die Distributoren geraten dadurch in die Zwickmühle: Auch bei so genannten Volumen-Produkten verlangt die Kundschaft nach Beratung, obwohl die sich nicht in das Kostenmodell einrechnen lässt. Verluste drohen. Die großen Distributoren sind da im Vorteil, Actebis-Peacock, Tech Data/Azlan und auch Ingram Micro/Compu-Shack können dank ihres zweigleisigen Modells sowohl Volumen- als auch VAD-Geschäft effizient abwickeln. Voraussetzung ist jedoch, dass jeder Bereich sich auch tatsächlich auf seine Aufgaben konzentriert.
Und genau da lag bei Compu-Shack im vergangenen Jahr das Problem: Durch die hohen Kosten für hochqualifizierte Mitarbeiter, Schulungsangebote und Außendienst sowie die gleichzeitigen Bemühungen, den Umsatz durch immer weitergehenden Zugriff auf Volumenprodukte zu steigern, waren nicht immer miteinander vereinbar.
Im Dezember schritt dann Michael Kaack, Geschäftsführer der Ingram Micro Holding, ein: Er verlegte sein Büro für einige Tage in der Woche nach Neuwied, das Unternehmen trennte sich vom bisherigen Geschäftsführer Michael Krings. Thomas Veit und Ulrich Hess blieben auf ihren Positionen, sie berichteten von da an lediglich direkt an Michael Kaack.
Bereits in den Monaten vor dem Einschreiten Michael Kaacks hatte es in Neuwied einige Entlassungen gegeben. Darunter auch Thomas Müller, den Abteilungsleiter Training, den Leiter der RMA-Abteilung, aber auch mehrere Personen im Außendienst und sogar auch einen leitenden Angestellten aus dem Controlling. Diese zeigten bereits auf, wo bei Compu-Shack Sand im Getriebe war: Besonders die RMA-Abwicklung und den rückläufigen Trainingsbereich will Kaack jetzt sanieren. Aber auch die engere Einbindung der Compu-Shack-Abläufe in der Logistik in die bewährten Prozesse bei Ingram Micro stehen an. Oberste Priorität hat dabei die Umstellung auf das Ingram-EDV-System »Impuls«. Damit ist derzeit ein Team von zwölf Mitarbeitern beschäftigt, die ihre Aufgabe bis Anfang April abgeschlossen haben sollen. Zwei wichtige Ziele sollen damit verwirklicht werden: Eine verbesserte RMA-Abwicklung und der Zugriff auf Volumen-Produkte aus dem Ingram-Angebot soll optimiert werden.
Lediglich schlankere Prozesse reichen aber nach näherer Betrachtung doch nicht aus. »Es wäre mir lieber gewesen, wir hätten niemanden entlassen müssen und die Mitarbeiter in Abteilungen auffangen können, die neue Märkte und Wertschöpfungsbereiche erschließen, so wie wir das bei Ingram Micro seit einigen Jahren erfolgreich praktizieren«, bedauerte Kaack im Dezember im Gespräch mit CRN. Damals ging der Manager aber noch davon aus, dass es nicht zu weiteren Entlassungen kommt. Inzwischen sieht das anders aus: Etwa 15 Prozent des Mitarbeiterstammes muss nun zusätzlich gehen. Wichtig ist Kaack aber, dass Compu-Shack-Kunden sowohl die Aufteilung in Business Teams als auch die Ansprechpartner in den Herstellerteams erhalten bleiben.
»Mit dem neuen Bereich Advanced Technologies, in dem VoIP, Storage und Security zusammengefasst sind, wollen wir unsere Positionierung als VAD stärken«, erklärt Veit. In diesem herstellerunabhängigen Team steht der Lösungsgedanke im Vordergrund. Kunden, die sich noch nicht auf bestimmte Hersteller oder Produkte festgelegt haben, sondern eine ausführlichere Beratung wünschen, sind dort gut aufgehoben.
Unter der Leitung von Michael Kaack wird auch der Ausbau des europaweiten VAD-Netzwerkgeschäfts von Ingram Micro vorangetrieben. »Auch als VAD im Netzwerkbereich trauen wir uns in Europa eine führende Rolle zu«, erklärt Kaack. In Großbritannien hatte Ingram mit der Übernahme des Distributionszweiges von Sphinx Computer, in den Niederlanden mit einem Asset-Deal mit Acal entsprechendes Know-how, passende Kunden und qualifizierte Mitarbeiter erworben. Auch in anderen Ländern operiert die Ingram Micro Networking Services Division (IMNS) bereits erfolgreich. Denkbar wäre, dass diese Aktivitäten mit Compu-Shack unter einem Dach zusammengefasst werden, und dann auch in Deutschland der Name Compu-Shack irgendwann einmal zu Gunsten eines einheitlichen Auftritts der IMNS in Europa verschwindet. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Definitiv keine Zukunftsmusik ist der Verkauf der Compu-Shack Production: »Wir sind mit mehreren Interessenten im Gespräch«, räumt Kaack im Gespräch mit CRN ein. »Die Goldline-Produkte sollen aber selbstverständlich weiterhin von Compu-Shack und Ingram Micro vertrieben werden. Auch soll die Produktpalette bis zum Abschluss eines endgültigen Übernahmevertrages wie bisher ausgebaut und weiterentwickelt werden. Ralf Riba, Leiter der Compu-Shack Production, trägt diese Pläne voll und ganz mit: »Wir agieren hier nicht gegeneinander, sondern miteinander«, erklärt er gegenüber CRN. Der im Dezember 2003 zurückgetretene Compu-Shack Geschäftsführer Michael Krings hielt lange Zeit an dieser profitablen Sparte fest ? obwohl es hin und wieder zu Problemen kam, denn die Sparte litt ? berechtigt oder nicht ? als Kind und mit dem Namen eines Distributors unter zahlreichen Vorurteilen. »Unsere Kernkompetenz ist die Distribution von Markenartikeln«, definiert Kaack nun jedoch die Strategie des Neuwieder Unternehmens neu.
Den meisten Herstellern ist in den vergangenen Wochen zwar aufgefallen, dass es bei Compu-Shack »nicht so richtig rund läuft«, einen Grund, sich von dem bei Resellern am bekanntesten Netzwerkdistributor zu trennen, sahen sie aber nicht. Lediglich Avaya denkt da anders: Das amerikanische Unternehmen vertreibt nun in Deutschland ausschließlich über Avnet und Westcon. »Wir bedauern das sehr«, räumt Veit ein. Ob sich der Hersteller im deutschen Channel im weltweiten Vergleich unterrepräsentierte Anbieter damit einen Gefallen getan hat, ist fraglich. Das bisher für seine Produkte aufgewendete Know-how wird nun wahrscheinlich innerhalb von Compu-Shack in die 3Com, Cisco, oder Nortel Business Teams abwandern.
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Europäische Ausrichtung, Konzentration auf Kernkompetenzen, effizientere Geschäftsprozesse ? alles positiv besetzte Schlagworte, die viel versprechen. Was versteckt sich bei Compu-Shack dahinter? In einem europaweiten Verbund von Ingram Micro-Netzwerksparten wird das Neuwieder Unternehmen über kurz oder lang seine eigene Identität immer mehr verlieren, und irgendwann vielleicht sogar den Namen. Darüber kann man traurig sein ? oder es als Zeichen der unvermeidlichen Globalisierung einfach hinnehmen: Raider heißt jetzt auch Twix, telefoniert wird mit der T-Com und die Homezone gibt es nicht mehr bei VIAG Interkom, sondern bei 02.
Kernkompetenz eines Distributors ist zweifellos Logistik und Kundenbetreuung ? das Sourcing, die Qualitätskontrolle und das Design von Netzwerkprodukten gehört definitiv nicht dazu. Tut er es dennoch, wird dies immer ein Bereich bleiben, der Einschränkungen unterworfen ist und im Zweifelsfall eben hintenan stehen muss. So gesehen ist der Verkauf der Compu-Shack Production längst überfällig: Wenn der Bereich weiter wachsen will, muss er selbstständig agieren und nicht mehr als Anhängsel eines Distributionsunternehmens. Die Produkte, um eigenständig am Markt zu bestehen, hat die Mannschaft um Ralf Riba zweifelsohne.
Und schließlich die effizienteren Geschäftsprozesse: Hier wurde in der Vergangenheit wahrscheinlich mehr als ein Auge zugedrückt. Die tapfer verteidigte Autonomie der Neuwieder brachte zwar auch viele Vorteile ? etwa das eigene Profil und die hohe Bekanntheit im Markt ? sie kostet aber auch Geld. Und auf das Geld müssen heute auch profitabel arbeitende Distributionen mehr achten als früher.