Runderneuert

14. Oktober 2004, 0:00 Uhr |

Runderneuert. Die Erde dreht sich, der Tag wandert einmal in 24 Stunden von Ost nach West um den Globus. Genau in die andere Richtung wandern die Unternehmen mit ihren Produktionsstandorten: Sie ziehen von West nach Ost.

Runderneuert

Gleich einer biblischen Heuschreckenplage fallen sie in die armen Länder ein und grasen alles an Arbeitsleistung, Wirtschaftsförderung und Subventionen ab. Und die Menschen dort freuen sich und kaufen dankbar über den plötzlichen Gehaltssegen brav neue Autos, Fernseher, Mikrowellenherde und Krankenversicherungen. Doch schnell werden sie unzufrieden und raffgierig: Der Arbeitgeber soll plötzlich bei der Altersversorgung mithelfen, die Arbeitssicherheit gewährleisten und womöglich noch umweltgerecht produzieren. Wie grade jetzt in China, dem perfekten Outsourcingpartner der deutschen Branche, wo 3.000 Beschäftigte von Computime gar streikten, um eine Lohnerhöhung durchzusetzen. Das können die Auftraggeber im eigenen Land auch haben.

Ist es also so weit gekommen, bleibt dem gebeutelten Unternehmer nichts anderes übrig, als wieder ein paar Breitengrade nach Osten zu ziehen. Auch SAP-Chef Henning Kagermann hat das treffend beschrieben: »Von den Vereinigten Staaten geht?s nach Irland, von Deutschland nach Osteuropa oder Indien und von Australien und Japan in asiatische Länder.« Also kommt für uns Deutsche zunächst einmal Tschechien und Ungarn dran. Und wenn die anfangen, Forderungen zu stellen, stehen die Arbeiter in Bulgarien, Usbekistan oder Ost-Timor schon erwartungsvoll in den Startlöchern.

Eine grandiose Chance also auch für Deutschland! Denn der Logik folgend werden irgendwann die Aufträge und Arbeitsplätze zwangsläufig wieder bei uns aufschlagen: Die heutigen Drittweltländer bauen auf Kosten von SAP, Mercedes und MAN kontinuierlich Know-how auf, während es in den derzeitigen Auftragsländern wie Deutschland kontinuierlich abnimmt ? vergleiche PISA-Studie und die aktuellen Arbeitsmarktzahlen. In Folge werden die Produktionskosten in China und Indien und Rumänien mit der Zeit zu hoch, weil die Arbeitskräfte immer besser ausgebildet sind. Und so dauert es sicherlich nicht allzu lange, bis neue Technologie-Hochburgen in China und Indien ? über einen kurzen Umweg über Afrika vielleicht ? das mittlerweile in frühkapitalistisches Stadium zurückgefallene Europa als billigen Arbeitsplatzlieferant entdecken: keine Umweltauflagen, Lohnnebenkosten oder überzogenen Lohnvorstellungen werden dort im Jahr 2030 das Arbeitgeberparadies stören.

Für Schwarzmalerei von Gewerkschaften und Interessenverbänden gibt es also keinen Grund: Unsere Enkel werden genug Arbeit haben, denn asiatische Unternehmen und vielleicht sogar Konzerne aus Schwarz-Afrika werden in die kostengünstig produzierende, verlängerte Werkbank Europa investieren.


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