Verbissen

21. Oktober 2004, 0:00 Uhr |

Verbissen. Der 2000 gestartete Freemail-Dienst »E-Post« der gelben Engel sollte allen Bundesbürgern eine lebenslange, stets erreichbare E-Mail-Adresse mit der Domain epost.de garantieren. Lustige Pläne, etwa E-Mails als Postkarten zuzustellen oder Einschreiben abzutippen und als E-Mail auszuliefern, machten den Dienst zumindest anfänglich populär. Jetzt ging er vor die Hunde und wird an Lycos abgegeben.

Verbissen

Ausgerechnet, so werden viele Briefträger sagen, an den Wettbewerber, der im Bewusstsein der Verbraucher untrennbar mit einem sabbernden und Lefzen fletschenden Schnüffelhund verbunden ist.

»Mangelnde Synergien« nannte ein Firmensprecher als Grund für die Aktion, über die wahren Ursachen lässt sich nur spekulieren. Dass mit einem kostenlosen Dienst kein Geld verdient werden kann, ist den Verantwortlichen hoffentlich von Anfang an klar gewesen ? obwohl auch das nicht ganz sicher ist. Dass die Nutzerzahlen sich ähnlich entwickelten wie die Zahlen der von Hunden gebissenen Briefträger, nämlich stark rückläufig, kann auch nicht der Hintergrund sein ? ein kostenloser Dienst, den niemand nutzt, tut auch niemandem weh. Bedenklicher stimmen da schon andere Überlegungen: So scheinen die Kosten für den Helpdesk des E-Post-Services zwischenzeitlich vollkommen außer Kontrolle geraten zu sein, da sich die Anrufe von Kunden häuften, die auf ihrem Bildschirm keinen Platz mehr hatten, um ihre E-Post mit einer Briefmarke zu versehen. Auch die Sammlerstelle für Postwertzeichen kämpfte in letzter Zeit immer wieder mit Anfragen von Philatelisten, die Sonderstempel für »echt gelaufene E-Mails« anlässlich von Jahrestagen, Briefmarkensonderschauen oder Polardurchquerungen forderten. Andere wiederum sagen, es liegt an der Farbe: Gelb stehe, wie der Fall Borussia Dortmund beweist, derzeit einfach unter einem schlechten Stern.

Wie auch immer: Ungemach droht den Bundesoberpostmeistern inzwischen auch von ganz anderer Stelle: Die Postbeamten grübeln derzeit darüber nach, ob ihre auf Lebenszeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse bald ein ähnliches Schicksal ereilt wie das der »lebenslangen, stets erreichbaren E-Mail-Adresse« ? die ja nun nach gerade einmal vier Jahren den Löffel abgegeben hat. Aber möglicherweise haben die Verantwortlichen dieses Dilemma schon vor rund zwei Jahren erkannt, als sie veranlassten, dass den 79.000 Briefträgern besondere Kurse angeboten werden, in denen sie lernen, mit den vierbeinigen Spamwächtern umzugehen. Erste Erfolge stellten sich ruck-zuck ein: 2003 wurden nach Angaben der Deutschen Post lediglich rund 2.000 Postboten gebissen, im Jahr zuvor waren es 2.500, im Jahr 2001 noch 3.000. Gleichzeitig werden Deutschlands Hunde dank ausgewogener Fütterung und besserer Pflege immer älter. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt inzwischen 10 bis 16 Jahre. Statt Rechnungen, Einladungen zu Butterfahrten und Urlaubskarten mit Angebermotiven in den Briefkasten zu stopfen, könnten die ehemaligen Schalterbeamten demnächst in Hundesalons ihre Zeit zum Beispiel mit Waschen, Föhnen und Legen verbringen. Und an ganz besonderen Feiertagen könnten sie sich noch einmal die Tasche mit den Wertsendungen umschnallen, die gelben Stutzen überstülpen und im langen Flur des Hundealtersheims versuchen, den am Ende angebrachten Briefkasten unversehrt zu erreichen.


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