Seit fünf Jahren hinter den Mauern einer Botschaft

Das lange Leiden des Julian Assange

13. Juni 2017, 17:14 Uhr | Lars Bube
Wikileaks-Gründer Julian Assange auf einem Balkon der Botschaft von Ecuador in London

Gut geht es Wikileaks-Gründer Julian Assange nicht. Seit fünf Jahren verschanzt er sich in der Botschaft Ecuadors in London. Zwar hat Schweden die Ermittlungen gegen ihn gestoppt, aber er traut sich trotzdem nicht aus dem Versteck. Ist die Angst vor der US-Justiz begründet?

»Der richtige Krieg fängt gerade erst an!«, ruft Julian Assange seinen Anhängern Ende Mai vom Balkon der ecuadorianischen Botschaft in London aus zu. Gerade hat Schweden einen Vergewaltigungsvorwurf gegen ihn fallengelassen. Kämpferisch reckt er die Faust in die Luft. Doch seinen Krieg führt der Wikileaks-Gründer weiter hinter den Gardinen des selbstgewählten Exils, in dem er seit fünf Jahren ausharrt. Sein Reich ist 20 Quadratmeter groß, sein Mitbewohner eine Katze, sein wichtigstes Möbelstück eine Tageslichtlampe. So lebt Assange laut Medienberichten, seit er im Juni 2012 in der Botschaft eingezogen ist. Seitdem fühlt er sich als »Flüchtling« und Opfer der schwedischen Behörden, verleumdet und in die Enge getrieben. 2010 soll der Internetrebell in Schweden mehrere Frauen sexuell missbraucht und eine vergewaltigt haben. Zweifelsfrei nachweisen kann ihm die Anklage das nicht. Nach und nach verjähren die Fälle. Vor einem Monat geben die Staatsanwälte auch die Ermittlungen zum Vergewaltigungsvorwurf auf. Nicht, weil der Verdacht gegen den 45-Jährigen aus der Welt ist. Sondern weil die Staatsanwälte nicht weiterkommen. Nach langem Zerren hatten sie Assange in der Londoner Botschaft über Umwege befragen dürfen. Im nächsten Schritt müsste sich der Australier in Schweden einem Prozess stellen. Doch eine Auslieferung ist unrealistisch, das sehen die Skandinavier zuletzt ein.

Assange jubelt über den Ermittlungsstopp - doch nur in sicherem Abstand vom Balkon aus. Aus Angst vor Scotland Yard setzt er weiter keinen Fuß vor die Botschaft. Zwar wollen die britischen Ermittler ihn nur wegen eines »viel weniger schweren« Vergehens zu fassen kriegen. Doch die weitaus größere Gefahr lauert am Horizont: Assange könnte in die USA ausgeliefert werden. Angeblich bereiten die US-Behörden wegen der Enthüllugen auf seiner Wikileaks-Plattform eine Anklage gegen ihn vor. Durch sie kamen brisante Dokumente aus den Kriegen in Afghanistan und im Irak ans Licht. Offiziell bestätigt sind die Medienberichte nicht. Doch Assange will nichts riskieren - und verschanzt sich auch einen Monat nach dem schwedischen Ermittlungs-Stopp noch hinter den Botschaftsmauern. Obwohl es ihm hier nicht gut geht, wie seine Vertrauten immer wieder betonen. »Sein Körper gibt langsam auf, er hat schon Herzprobleme, eine chronische Lungenentzündung und schwere Schulterschmerzen«, sagt seine Mutter im Februar 2016 dem australischen Rundfunksender ABC. Auch zum Zahnarzt muss Assange laut seinem Anwalt dringend.

Fragen danach, wann er denn nun die Botschaft verlasse, weicht Assange aus. Schon einmal hat er verkündet, sein Exil aufzugeben und freiwillig in die USA zu gehen - falls Whistleblowerin Chelsea Manning freikomme. Als das im Mai tatsächlich geschieht und Manning nach fast sieben Jahren aus der US-Militärhaft entlassen wird, nennt der Wikileaks-Gründer das einen »epischen Sieg«. Seiner Ankündigung hat er aber bislang keine Taten folgen lassen.


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