CRN-Kopfnuss

Digitaler Datenraub auf Messen

27. März 2017, 16:08 Uhr | Daniel Dubsky

Messebesuche gleichen heute oft einem Spießrutenlauf: Auf Leads laufernde Stand-Sheriffs warten nur darauf, dem arglosen Besucher den Handscanner auf die Brust zu setzen und seine im Messeticket gespeicherten Daten zu rauben.

Ach, was waren die Zeiten schön, als man noch entspannt über Messen schlendern konnte und sich hier und da mal mit Ausstellern über ihre Produkte unterhielt. Gefiel einem, was man hörte und sah, ließ man einfach eine Visitenkarte da. Heute dagegen wird der Messebesucher oft gar nicht mehr als Mensch betrachtet, sondern nur noch als Lead. Dass es sich eigentlich gar nicht um einen qualifizierten Kontakt handelt, weil er nicht aus echtem Interesse entstanden ist und der Besucher sein Kärtchen eigentlich nur eingeworfen hat, um möglichst schnell wieder in Ruhe gelassen zu werden oder um an einem Gewinnspiel teilzunehmen – geschenkt.

Weit übler ist die Wegelagerei, die in den vergangenen Jahren um sich gegriffen hat, nachdem auf vielen Veranstaltungen die Daten des Besuchers digital im Messeausweis abgelegt sind. Wie die Geier lauern Standbesitzer auf vorbeilaufende Opfer, um in einem Augenblick der Unachtsamkeit hervorzuschießen und ihnen den RFID-Scanner auf die Brust zu setzen. Pflicht sind dabei offenbar rhetorische Fragen wie »Darf ich kurz?«, mit denen der perplexe Gegenüber komplett überrumpelt wird.

Das Ergebnis sind surreale Szenen, die auf einigen Veranstaltungen zu beobachten sind: Mit gehetztem Blick drücken sich Besucher im Schatten von Aufstellern, Regalen und Empfangstresen an Messeständen vorbei, um möglichst unbehelligt an ihr Ziel zu gelangen. Unsichtbar bleiben und auf gar keinen Fall dem Standpersonal in die Augen schauen, denn das könnte als Aufforderung zur Datenerfassung ausgelegt werden. Wer dennoch erwischt wird, versucht – durch Überredungskünste oder dreisten Diebstahl – dem mit Scanner bewaffneten Stand-Sheriff ein Visitenkärtchen abzuluchsen, um sich mit der Aufnahme in einen eigenen Newsletter zu revanchieren.

Richtige Messe-Profis arbeiten längst mit falschen Daten oder abschirmenden Folien auf dem Messeausweis – oder tarnen sich als »Beutelratte«. Mit bekleckertem Shirt statt Anzug bekleidet, mit großen Werbetüten bewaffnet, Luftballon im Schlepptau und Energy Drink in der Hand steuern sie offensiv auf Standpersonal zu, das sich eiligst hinter den Tresen verzieht und Abwehrstellung einnimmt, um nicht nach Give-Aways gefragt zu werden.


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