An Sachsens Grenze zu Tschechien und Polen sollen Autokennzeichen und Gesichter automatisch erfasst und ausgewertet werden. Was einer effizienten Kriminalitätsbekämpfung dienen soll, ist der Anfang vom Ende der Privatsphäre.
Erfasst, vernetzt und ausgezählt lautet der Untertitel zum Buch »Vorsicht Volkszählung!«. Im pre-digitalen Jahr 1987 mussten noch Volkszähler ausschwärmen, um Daten der Bürger per Fragebogen zu sammeln. Die Empörung war dennoch groß, die Angst vor dem gläsernen Bürger und dem starken Überwachungsstaat trieb demonstrierende Menschen auf die Straße. 30 Jahre und mehrere Technologiesprünge später leben wir im datenzentrischen Zeitalter, wir haben uns an Big Data und automatische Datenerfassung gewöhnt, mit Massenprotesten gegen Massenüberwachung ist nicht zu rechnen.
Insofern verwundert es nicht, dass lediglich ein paar Datenschützer und Initiativen wie Digitalcourage gegen die Pläne der sächsischen Landesregierung protestieren, die automatische Erfassung von Autokennzeichen entlang der Grenze zu Tschechien und Polen auszuweiten und zudem Gesichtserkennung einzuführen.
Die Systeme sollen der Polizei helfen, »präemptiv«, wie es im neuen Polizeigesetz heißen soll, grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. Allerdings soll das geplante Gesichtserkennungssystem in einem Streifen von 30 Kilometern entlang der sächsischen Grenze entstehen, womit zwischen 30 bis zu 50 Prozent des Freistaats Sachsen überwacht würden. Die Landkreise Görlitz, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, der Erzgebirgskreis, weite Teile des Vogtlandkreises sowie des Landkreises Mittelsachsen lägen fast vollständig in der intensiven Überwachungszone.
Ein Freistaat wird so zum Überwachungsstaat, der sich nicht scheut, das Grundrecht auf Privatsphäre seiner Bürger einem zweifelhaften Erfolg zu opfern. Denn nicht alles, was technologisch möglich ist, ist aus Sicht von staatlicher Ermittlungstätigkeit auch erfolgreich.