Revolution oder Risiko?

Wie Quantencomputer die Spielregeln verändern

7. März 2025, 12:00 Uhr | Autor: Alexander Glätzle / Redaktion: Diana Künstler
© Apoint – shutterstock.com

Quantencomputer versprechen bahnbrechende Fortschritte – doch sie bedrohen auch klassische Verschlüsselungssysteme. Ist unsere digitale Sicherheit in Gefahr? Welche neuen Standards bieten Schutz? Warum Unternehmen jetzt handeln sollten.

Quantencomputer transformieren die moderne Informationsverarbeitung grundlegend. Sie sind in der Lage, mathematische Probleme zu lösen, die klassische Supercomputer an ihre Grenzen bringen – mit weitreichenden Konsequenzen für die Cybersicherheit. Während Quantencomputer neue Möglichkeiten in Wissenschaft und Industrie eröffnen, stellen sie gleichzeitig eine Bedrohung für etablierte Verschlüsselungsverfahren dar. Insbesondere die „Store Now, Decrypt Later“-Strategie, bei der verschlüsselte Daten heute gesammelt und in Zukunft mit leistungsfähigen Quantencomputern entschlüsselt werden, macht dieses Risiko besonders drängend. 

Laut einer Prognose von McKinsey1 könnte sich das globale Marktvolumen für Quantencomputer bis 2040 auf 131 Milliarden US-Dollar belaufen. Vor allem der  wirtschaftliche Nutzen durch Anwendungen in Wissenschaft, Pharmaforschung, Logistik und Finanzmodellierung wird erwartet. Doch obwohl diese Perspektive vielversprechend erscheint, stehen demgegenüber auch potenzielle Risiken für die Cybersicherheit. 

Bevor nun eine große Angst ausbricht: Die breite Implementierung und Nutzung von Quantencomputern steht aktuell noch vor einer Reihe von technischen und praktischen Herausforderungen. Besonders die Fehlerkorrektur wird hierbei diskutiert. Qubits reagieren sehr empfindlich auf Umwelteinflüsse und verlieren dadurch ihre Quanteneigenschaften – und damit ihre Zuverlässigkeit in Rechenprozessen. Daher wird aktiv an der Fehlerbehebung gearbeitet, indem eine Quantenfehlerkorrektur durchgeführt wird, welche mehrere physische Qubits zu einem logischen zusammenfasst. Fehlerkorrigierte Qubits gelten als Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Anwendung von Quantencomputern zur Entschlüsselung.

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Quantencomputer und Kryptografie: Eine realistische Bedrohungsanalyse

Schon seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Quantencomputer in der Lage sein werden, gängige Verschlüsselungsverfahren zu überwinden. Public-Key-Kryptografie, insbesondere RSA und elliptische Kurvenkryptografie, basieren auf Problemen, die selbst leistungsstarke klassische Computer nicht effizient lösen können. Doch Quantenalgorithmen wie der Shor-Algorithmus  könnten diese in den 2030er brechen. Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik2 benutzt diesen Zeitrahmen als Arbeitshypothese.

Um Kryptografie nachhaltig zu bedrohen, müssen jedoch mehrere technologische Herausforderungen gelöst werden:

  • Skalierung der Qubit-Anzahl: Aktuelle Quantensysteme verfügen über eine unzureichende Anzahl von Qubits, um komplexe kryptografische Algorithmen zu kompromittieren.
  • Quantenfehlerkorrektur: Qubits reagieren extrem sensitiv auf Umwelteinflüsse. Aus diesem Grund müssen Quantenfehlerkorrekturmechanismen für die Durchführung stabiler und komplexer Berechnungen implementiert werden.
  • Algorithmische Optimierung: Die Weiterentwicklung von Quantenalgorithmen ist notwendig, um die theoretischen Vorteile von Quantencomputern in der Praxis zu realisieren und auf kryptografische Probleme anzuwenden. Speziell der Shor-Algorithmus ermöglicht beispielsweise das effiziente Faktorisieren großer Zahlen sowie das Lösen diskreter Logarithmen. Damit stellt er bislang als äußerst sicher geltende Verfahren wie RSA, Diffie-Hellman und ElGamal infrage, die für Schlüsselaustausch, digitale Signaturen und sichere Internetkommunikation essenziell sind. 
  • Hardwareentwicklung: Innovative Ansätze, wie die Verwendung neutraler Atome als Qubits, könnten den Weg zu skalierbaren Quantencomputern ebnen, da diese weniger anfällig für Umwelteinflüsse sind. 

Obwohl Quantencomputer heute noch nicht in der Lage sind, Verschlüsselungsverfahren großflächig zu brechen, müssen Unternehmen sich bereits jetzt auf diese Bedrohung vorbereiten.

Post-Quanten-Kryptographie: Grundlage für langfristige Sicherheit

Um diesen Herausforderungen der Quantencomputer zu begegnen, hat das National Institute of Standards and Technology (NIST) im August 2024 neue Standards für Post-Quanten-Kryptographie (PQC) veröffentlicht3. Diese Standards basieren auf mathematischen Problemen, die selbst für leistungsstarke Quantencomputer nicht effizient lösbar sind und bilden die Grundlage für langfristige IT-Sicherheit.

Die neuen quantensicheren Algorithmen umfassen Verfahren4 für den Schlüsselaustausch und digitale Signaturen. Diese Algorithmen ersetzen klassische Verfahren wie RSA, die durch Quantencomputer gefährdet sind:

  • FIPS 203 (ML-KEM): Ein Schlüsselaustauschverfahren basierend auf dem CRYSTALS-Kyber Algorithmus.
  • FIPS 204 (ML-DSA): Ein digitales Signaturverfahren basierend auf CRYSTALS-Dilithium.
  • FIPS 205 (SLH-DSA): Ein weiteres digitales Signaturverfahren basierend auf SPHINCS+.

Unternehmen sollten frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um sich auf die neue Sicherheitslage einzustellen:

  1. Bestandsaufnahme sensibler Daten und der derzeit verwendeten Verschlüsselungsverfahren.
  2. Kryptoagile Systeme einführen, die eine flexible Anpassung an neue Standards ermöglichen. 
  3. Hybride Verschlüsselungsmethoden nutzen, die klassische und quantensichere Verfahren kombinieren. 

Bewusstsein für Chancen und Risiken von Quantencomputern schaffen

Quantencomputer könnten kryptografische Verfahren in absehbarer Zeit kompromittieren. IT-Sicherheitsexpert:innen müssen die technologische Entwicklung genau verfolgen und frühzeitig Strategien für eine Migration zu  post-quantenkryptografischer Algorithmen gemäß NIST-Standards entwickeln. Zusätzlich wird Kryptoagilität zu einem zentralen Faktor: Unternehmen müssen in der Lage sein, kryptografische Verfahren flexibel an neue Bedrohungen anzupassen. Eine kontinuierliche Evaluation der Fortschritte in der Quantentechnologie ist hier der Schlüssel. IT-Sicherheitsverantwortliche sollten bereits jetzt Migrationsstrategien zu quantensicheren Systemen entwickeln.

Neben der Bedrohung bieten Quantencomputer jedoch auch neue Chancen für Sicherheitslösungen, wie für Quantenkommunikation und quantengesicherte Netzwerke. Unternehmen, die jetzt handeln, können nicht nur ihre Risiken minimieren, sondern auch Innovationspotenziale erschließen, um langfristig von der Quantentechnologie zu profitieren.

Dr. Alexander Glätzle ist CEO von Planqc.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1198523/umfrage/entwicklung-des-marktpotenzials-fuer-quantencomputer/
https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Publikationen/Studien/Quantencomputer/P283_QC_Zusammenfassung-V_1_2.html
https://www.nist.gov/news-events/news/2024/08/nist-releases-first-3-finalized-post-quantum-encryption-standards
https://csrc.nist.gov/projects/post-quantum-cryptography


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