Neue Anwendungen und Einsatzgebiete für RJ45

Auch ohne Patch-Feld und Anschlussdose

19. August 2008, 22:00 Uhr | Roland Dold

Der RJ45-Steckverbinder ist ein wichtiger Teil der in der europäischen Norm DIN EN 50173 definierten "anwendungsneutralen Kommunikationskabelanlagen". Seit über 30 Jahren hat sich seine in der DIN EN 60603-7-x festgelegte äußere Form nicht verändert. Doch sein Einsatzgebiet weitete sich von der Telekommunikation über die Bürokommunikation bis in die Industrie und Gebäude- technik aus. Damit veränderten sich auch die Anforderungen an den Steckverbinder.

So ging die IT-Branche bisher immer davon aus, dass Endgeräte im Netzwerk eine Anschlussdose benötigen. Auch die einschlägigen Normen sehen dies so vor. So definieren DIN EN 50173 und DIN EN 50174 entsprechende Anschlusspunkte (TA) als Endpunkte einer strukturierten Verkabelung, und bei einer Kupferverkabelung muss es sich dabei auch um eine Buchse mit acht Kontakten nach DIN EN IEC 60603-7x handeln. Dennoch ist die Norm offen genug, um auch einen RJ45-Stecker als Endpunkt der strukturierten Verkabelung im Gebäude zuzulassen. Denn fest installierte Geräte, die nicht verändert werden sollen, benötigen weder Patch-Kabel noch Dose und sollten direkt per Stecker installierbar sein. Für den industriellen Bereich ist das zum Beispiel in der EN 50173-3 bereits definiert.

Ähnliches trifft auf die Anbringung von WLAN-Access-Points zu: Bei der Installation ermittelt der Techniker für die Access-Points die funktechnisch optimalen Standorte, und wenn dort kein direkter Zugang zu einem LAN möglich ist, muss er für dieses Gerät ein zusätzliches, nur dafür bestimmtes Installationskabel einziehen. Somit bietet sich auch hier eine anschlussdosenlose Installation an, bei der ein RJ45-Stecker direkt auf das Installationskabel montiert wird.

Und in der Gebäudeautomation sieht es nicht anders aus: Die Geräte, Aktoren und Sensoren für die automatisch gesteuerte Lüftung, die Überwachung und Regelung des Raumklimas, für Beleuchtung und Beschattung sowie für die zentrale Zugangskontrolle sind fest montiert und befinden sich für den Raumnutzer unsichtbar hinter Wand- und Deckenverkleidungen oder im Fußboden. Die Kommunikation unter den Geräten erfolgt meist über Gebäudeautomationsbusse wie LON, Bacnet oder EIB/KNX. Doch immer mehr Hersteller gehen dazu über, in ihre Geräte neben der Bus- auch eine Ethernet-Schnittstelle mit RJ45-Anschluss zu integrieren. Diese dient zur Fernwartung über das Internet oder soll die PC-gestützte Steuerung, Regelung, Überwachung oder Visualisierung von Prozessdaten erleichtern. Auch kann die komplette Kommunikation der Geräte untereinander TCP/IP-basiert und ganz ohne Busverkabelung ablaufen. Auch hier hat jedes Gerät seinen festen Platz, der oft durch die Anwendung festgelegt ist. Selbst wenn das Gerät gegen ein anderes ausgetauscht wird, bleibt der Installationsort erhalten. Soll es in das LAN integriert werden, muss meist eine weitere Leitung zum Gerät geführt werden, die der Techniker direkt über einen RJ45-Stecker mit dem Gerät verbindet.

Das geringe Platzangebot führt zum Beispiel in Schiffen oder Flugzeugen ebenfalls zu alternativen Vorgehensweisen in der Netzwerkinstallation. Dort sind die Planer gezwungen, nicht nur auf Dosen zu verzichten, sondern auch auf Patch-Felder, und die Installationskabel werden direkt in die Switches geführt. Das spart nicht nur Platz, sondern auch Gewicht. Grundsätzlich ist absehbar, dass die Anzahl fest installierter Geräte im LAN die der herkömmlichen Netzwerkteilnehmer überholen wird.

Optimierungen

So lohnt es sich, die Steckerkonstruktion für diese Einbauweise zu optimieren. Denn herkömmliche RJ45-Stecker sind für Kabel mit einem maximalen Aderndurchmesser von etwa einem Millimeter ausgelegt. Doch Installationskabel haben oft Adernstärken von 1,6 Millimetern. Das heißt, es müssen acht solcher Adern nebeneinander in einen Stecker passen. Da ein Stecker nach DIN EN 60603-7-1 nur 11,63 Millimeter breit sein darf, passen schon rein rechnerisch keine acht solcher Adern nebeneinander hinein. So nehmen entsprechend optimierte Steckverbindungen die Adern in zwei Ebenen auf: Jeweils vier Adern werden in einer Ebene zu ihren Anschlussstellen geführt. Eine in den Steckern integrierte Platine verbindet die Anschlussstellen mit den Kontakten des Steckers. Damit enthalten diese Stecker zudem automatisch ein Adernmanagement, das die Konfektionierung für den Installateur erleichtert.

Raue Umgebungen

In besonders rauen Umgebungen werden auch besondere Anforderungen an die Sicherheit des gesamten Kabels gestellt. Gesamtkabeldurchmesser von 8,5 Millimetern, in manchen Fällen sogar bis zu zehn Millimeter sind da keine Seltenheit. Auch unter beengten Verhältnissen müssen diese Kabel zusammen mit den Steckern Harmonica-Jack-fähig bleiben. Das heißt, in einer verteilerfeldlosen Verkabelung, bei der die Installationskabel direkt zu einem Switch geführt werden, müssen die Stecker noch nebeneinander und übereinander passen und eine einwandfreie Verbindung herstellen. Um dies zu erreichen, muss der Hersteller die gesamte Geometrie des Steckers äußerst schlank gestalten.

Bei alledem steigen auch noch die Anforderungen an die Übertragungsrate. Selbst bei Industrial Ethernet wird die Forderung nach GbE oder 10GbE immer lauter. Für diese Anwendungen muss der RJ45-Stecker jedoch der zukünftigen Norm DIN EN IEC 60603-7-51 entsprechen. Diese spezifiziert geschirmte freie und feste Steckverbinder für Übertragungsfrequenzen bis 500 MHz. Damit die Stecker diese Spezifikationen einhalten können, muss der Hersteller für eine absolute Kontaktsicherheit sorgen und die Verluste durch Reflexionen, Einfügedämpfung und Übersprechen minimieren.

Als besonders problematisch erweist sich dabei das Nahnebensprechen, also das Übersprechen zwischen zwei benachbarten Adern. Im Kabel unterdrückt die symmetrische Verdrillung und die Schirmung dieses Übersprechen, doch im Stecker fehlen diese, und der Steckerhersteller muss die unverdrillte und ungeschirmte Länge der Adernpaare so kurz wie möglich gestalten.

Ebenfalls problematisch sind die aufgrund der Geometrie sehr engen Kontaktabstände. Durch die vorgegebene Steckerbelegung liegen dazu noch die Adernpaare 3-6 und 4-5 ungünstig übereinander. Das führt zu kapazitiven und induktiven Kopplungen, denen der Hersteller durch eine ausgeklügelte Kompensation im Inneren des Steckers entgegenwirken kann.

Doch die ausgefeilteste Kompensation und die beste Geometrie sind zum Scheitern verurteilt, wenn keine richtige und dauerhafte Verbindung zwischen Kabel und Stecker zustande kommt. Bei der industriellen Herstellung ist die Montage von RJ45-Steckern auf das Patch-Kabel ein ausgereifter Prozess, der idealerweise unter ständiger Qualitätskontrolle steht.

Problem Einpresstiefe

Der Installateur im Feld aber bringt den Stecker von Hand auf das Kabel. Zwar benutzt er in der Regel ein Spezialwerkzeug wie eine RJ45-Crimp-Zange, doch können Stecker und Zange von verschiedenen Herstellern stammen und sind dann nicht perfekt aufeinander abgestimmt. Nur zum Stecker passende Crimp-Zangen stellen die richtige Einpresstiefe der Kontakte im Stecker sicher. Wird zu wenig eingepresst, kann es zu Wackelkontakten kommen, wird zu tief gepresst, geht der Kontakt eventuell ganz verloren. Dieser Einpressvorgang ist ein kaum zu kalkulierender Prozess. Zusätzlich behindern beengte Arbeitsumgebungen sowie Schmutz das Arbeiten. Um Kontaktsicherheit garantieren zu können, muss die Montage für den Installateur so einfach wie möglich und ohne Spezialwerkzeug durchführbar sein. So entwickelten die Hersteller feldkonfektionierbare Stecker mit optimierten IDC-Schneidklemmen, die ein einfaches Auflegen der acht Adern erlauben. Den Kontakt erzeugt der Installateur durch simples Zusammendrücken des zweiteiligen Steckerkörpers per Hand oder mithilfe einer Zange. Dieses Zusammendrücken erfolgt bis zu einem festen Anschlag, womit sichergestellt ist, dass die Adern exakt bis zur vorgesehenen Tiefe in die Klemmen gedrückt werden.

Fazit

Der RJ45-Stecker hat sich an neue Bereiche wie die Gebäudeautomation und Industrieautomation (Industrial Ethernet) angepasst. Für die Kategorie 6 und 7 ist er nun auf allen vier Adernpaaren beschaltbar. Für Datenübertragungen bis 10 GBit/s optimierten die Hersteller die Geometrie der Adernkontaktierung und integrierten aufwändige induktive sowie kapazitive Kompensationen. Selbst die Montagetechnik wurde so modifiziert, dass sie selbst bei 500 MHz noch die Übertragungssicherheit gewährleistet und dem Installateur zugleich die Arbeit erleichtert. Die Form des RJ45 ist auch nach 30 Jahren noch die alte, aber sonst hat er kaum noch etwas gemein mit dem "Best Western" von einst.

Roland Dold leitet das Produktmanagement von BTR Netcom, ist Vorsitzender des DKE-Arbeitskreises GAK 715.3.4 „Anwendungsneutrale Verkabelung für den industriellen Bereich“ und arbeitete in mehreren nationalen und internationalen Normungsgremien mit.


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