Technik zur alternativen Stromerzeugung

Brennstoffzellen im Rechenzentrum

14. März 2007, 0:22 Uhr | Michael Schumacher/jos Michael Schumacher ist technischer Leiter bei APC.

Es klingt noch wie Zukunftsmusik: Richtig eingesetzt können Brennstoffzellen jedoch schon heute wichtige Aufgaben beim unterbrechungsfreien Betrieb eines RZs oder einer Netzwerkzentrale übernehmen. Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lohnt sich ein solches System womöglich bereits jetzt.

Zu Bleibatterien und Dieselgeneratoren als Garanten für eine konstante Versorgung bei
Stromunterbrechungen und -ausfällen gab es im Bereich der unterbrechungsfreien Stromversorgungen
bislang keine Alternative. Sukzessive rückt allerdings die Brennstoffzellentechnologie in dieses
Segment vor.

Bei akuten Stromausfällen versorgen unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USVs) die
IT-Infrastruktur von Unternehmen für eine bestimmte Überbrückungszeit. Um eine Hochverfügbarkeit
von 99,999 Prozent- die "Five Nines" – gewährleisten zu können, muss die unterbrechungsfreie
Stromversorgung redundant aufgebaut und autark sein. Eine Aufgabe, für die bislang üblicherweise
Dieselgeneratoren zuständig sind. Aber: Neben enormem Platzbedarf stehen ihrem Einsatz häufig auch
baurechtliche Einschränkungen entgegen.

Eine Alternative zum Dieselgenerator ist die Brennstoffzellentechnik. Allerdings eignet sich
nicht jedes der insgesamt sechs existenten Brennstoffzellen-Arbeitsverfahren gleich gut als Ersatz:
Eine Hochtemperaturbrennstoffzelle beispielsweise benötigt eine Anlaufzeit von mehreren Stunden und
bedarf zusätzlicher Energiezuführung, um die Betriebstemperatur überhaupt zu erreichen – für einen
Standby-Betrieb im IT-Bereich ist sie dementsprechend völlig unbrauchbar.

Anders sieht es bei der Brennstoffzellentechnik mit Polymer-Elektrolytmembran (PEM) aus, die
sich bereits nach zehn bis 20 Sekunden voll belasten lässt. Eine PEM-Brennstoffzelle ist in
Membrantechnologie aufgebaut; das heißt, durch die perforierte Membran gelangen nur die positiven
Wasserstoffprotonen zur Kathode. Die Elektronen des Wasserstoffatoms verbleiben in der Anode. Durch
den Übertritt der Protonen wird elektrische Leistung und Wärme freigesetzt. Als Brennstoff dient
ausschließlich Wasserstoff, der sich mithilfe von Solarenergie und Elektrolyse gewinnen lässt.

Die PEM als Niedertemperaturbrennstoffzelle erzeugt aus Wasserstoff und dem Sauerstoff der
Umgebungsluft auf direktem Wege elektrische Energie. Im Normalfall reicht die natürliche Belüftung
im Serverraum hierfür aus; in komplett geschlossenen Räumen wird über die Klimaanlage des Raumes
zusätzlich ein Frischluft-Anteil eingeblasen. Dieser Anteil ist vorgeschrieben, um für eventuell im
Raum arbeitende Menschen ausreichend Sauerstoff sicher zu stellen. Die PEM-Brennstoffzelle lässt
sich annähernd wartungsfrei betreiben. Lediglich der Luftfilter sollte einmal pro Jahr gewechselt
werden – ein Vorgang, den jeder Anwender problemlos selbst durchführen kann.

Die kritischste Komponente im System ist die Membran im Brennstoffzellstapel ("Stack"), deren
Lebensdauer auf etwa zehn Jahre beschränkt ist. Da jedoch mit einer Brennstoffzelle 5000 Zündungen
oder eine Stromversorgung von 5000 Stunden im Dauerbetrieb möglich sind, müsste der Strom auf eine
Dauer von zehn Jahren über acht Monate ausfallen, um an dieses Limit zu gelangen; ein Szenario, das
in Deutschland kaum wahrscheinlich ist. Um in Regionen mit schlechter Stromqualität zu verhindern,
dass die Brennstoffzelle bei nur wenige Sekunden dauernden Stromunterbrechungen zündet und sich so
die 5000 angenommenen Zündungen rasch aufbrauchen, bietet es sich an, den Brennstoffzellen-Geräten
eine Batterie vorzulagern.

Da eine PEM-Brennstoffzelle bereits nach zehn bis 20 Sekunden betriebsbereit ist, genügt ein
Batteriestrang, der eine Überbrückungszeit von bis zu vier Minuten bei 10 kW Last liefert. Aus
Redundanzgründen sollte jedoch ein zweiter Batteriestrang vorhanden sein. Bei einem Netzausfall
übernimmt so die USV-Anlage mit den Batterien unterbrechungsfrei die Lastversorgung, die nach
maximal 20 Sekunden einsatzbereiten Brennstoffzellen versorgen anschließend das USV-System und
damit die angeschlossenen Verbraucher – dem gewählten Wasserstoffvorrat entsprechend für mehrere
Stunden oder Tage.

Batterie: nicht der Weisheit letzter Schluss

Obwohl sich die Brennstoffzelle bislang primär im IT-Bereich findet, steht ihrem Einsatz auch im
Bereich der industriellen Fertigung nur wenig im Weg. Die derzeit hier verwandten USV-Systeme
regeln die Lastversorgung bei einem Stromausfall mithilfe der Batterie. Allerdings haben diese
Batterien zwei gravierende Mankos: Zum einen sind sie relativ unzuverlässig, zum anderen ist eine
Vorhersage darüber, wann die Batterien ausfallen, schwierig. Um eine Spannung von etwa 400V (DC) zu
erzielen, sind meist 12V-Batterieblöcke in Reihe zu einem Strang zusammengeschaltet. Fällt nur eine
dieser 12V-Batterien aus, ist der gesamte Batteriestrang nicht mehr einsatzbereit. Daher arbeiten
viele Unternehmen mit zwei Batteriesträngen – beim Ausfall des einen Stranges kann der zweite
Strang weiterversorgen, wenn auch nur für etwa die halbe Überbrückungszeit. Die durchschnittliche
Gebrauchsdauer einer Batterie im USV-Einsatz liegt je nach Batteriequalität zwischen drei und acht
Jahren.

Ein weiterer Nachteil ist die hohe Temperaturanfälligkeit der Batterien, die eine effektive
Kühlung erforderlich macht. So halbiert sich die Lebensdauer einer Batterie bereits bei einem
Anstieg der Umgebungstemperatur von 20° C auf 30° C.

Längere USV-Laufzeiten sind vor allem dann notwendig, wenn die Stromversorgung kritischer
Applikationen auf ein größtmögliches Verfügbarkeitslevel gehoben werden soll. In einem modernen
Brennstoffzellensystem gewährleistet ein modularer und redundanter Aufbau die "Five Nines", beim
Versagen eines Brennstoffzellenmoduls ist nicht gleich das Gesamtsystem betroffen. APC
beispielsweise bietet Brennstoffzellenlösungen wahlweise mit einem, zwei oder drei BSZ-Modulen an
und liefert damit Leistungen von zehn, 20 oder 30 kW. Eine Parallelschaltung der Module in mehreren
Schränken zur Leistungserhöhung beziehungsweise zur Redundanzbildung ist möglich. Jedes "Fuel Cell
Power Module" ist dabei an einen DC/DC-Wandler angeschlossen, der die Ausgangsspannung der
Brennstoffzelle in die Spannung der USV-Batteriesammelschiene umsetzt.

Ablösung für den Dieselgenerator

Gegen den Einsatz eines Dieselgenerators sprechen vor allem die bestehenden sowie sich eventuell
noch verschärfenden Abgas- oder Geräuschvorschriften. Denn für den Dieselgenerator gilt: Um 100 kW
elektrische Leistung zu erhalten, sind 150 kW Motorleistung nötig – was etwa der Leistungsfähigkeit
eines Kleinlasters entspricht. Somit stehen Dieselgeneratoren in vielen Umgebungen aufgrund
vorgegebener Grenzwerte überhaupt nicht zur Debatte.

Bei der Brennstoffzellenvariante gibt es im Gegensatz zu Dieselgeneratoren kaum bewegliche
Teile. So ist ein nahezu geräusch- und vibrationsloses Arbeiten möglich. Für den Betrieb können
herkömmliche Industrie-Wasserstoffflaschen genutzt werden, für die keine besonderen
Sicherheitsbestimmungen bestehen. Die Wasserstoffflaschen eines Brennstoffzellensystems erzeugen
fünfmal mehr Energie als ein Batteriesystem, das in denselben räumlichen Gegebenheiten zum Einsatz
käme. Die Aufstellung der Anlage sollte ebenerdig außerhalb des Gebäudes in einer einfachen
Einhausung erfolgen, um den Lüftungsanforderungen zu entsprechen und den einfachen Zugang beim
Flaschenwechsel zu ermöglichen. Grundsätzlich ist es auch möglich, die Wasserstoffflaschen in zwei
oder mehr Strängen mit Absperrventilen aufzubauen und so einen Austausch auch während des laufenden
Betriebs zu ermöglichen. So ist eine Unabhängigkeit von der Stromversorgung über mehrere Stunden
oder Tage hinweg gegeben.

Als einzige "Abfallprodukte" erzeugt die Brennstoffzelle Wasser und Wärme. Allerdings deutlich
mehr thermische als elektrische Leistung: Pro 10 kW elektrische Leistung entstehen 15 kW Abwärme.
Für einen voll bestückten Schrank würde dies bedeuten, dass 45 kW thermische Leistung das
Rechenzentrum zusätzlich belasten würden, mit möglicherweise fatalen Folgen für die IT-Umgebung.
Das Kühlkonzept für ein Brennstoffzellensystem ist dennoch unkompliziert: Die Kühlung erfolgt nicht
über eine Klimatisierung, sondern per Wasserkreislauf. Im Raum erhält die Brennstoffzelle einen
umgebenden Kühlmantel, außerhalb von Gebäuden kommt ein Kühler mit Ventilator zum Einsatz. Bei
einer Betriebstemperatur von etwa 90 °C wird das Wasser über ein Rohrsystem an das Gebäude-Äußere
transportiert.

Die Brennstoffzelle gibt ihre Abwärme unabhängig von und ohne Beeinflussung einer
Raumklimatisierung an die Umwelt ab. Das System heizt somit nicht den Serverraum selbst auf,
sondern die Abwärme gelangt durch den wassergekühlten Mantel nach außen.


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